Urs Furrer soll Gewerbeverbandsdirektor werdenDer grösste Wirtschaftsverband nominiert den Anti-Bigler
Der KMU-Verband war jahrelang provokativ unterwegs, die letzten Monate waren geprägt von Konflikten – nun soll mit Urs Furrer ein neuer Chef für Ruhe sorgen.
Nachdem der Gewerbeverband in den vergangenen Monaten durch verschiedene Unstimmigkeiten aufgefallen ist, versucht er nun zum Tagesgeschäft überzugehen. Der Verbandsvorstand hat am Montagmittag bekannt gegeben, dass er den 51-jährigen Urs Furrer als neuen Direktor nominiert hat.
Der Aargauer führt seit 2014 in Personalunion die Verbände Chocosuisse und Biscosuisse, in denen sich die Hersteller von Schokoladeprodukten und Backwaren organisiert haben. Furrer gilt eher als ausgleichender Charakter denn als Lautsprecher. Der Gewerbeverband dürfte in seiner aktuellen Verfassung genau danach gesucht haben.
«Wir wollen in Zukunft wieder als sympathisch wahrgenommen werden. Urs Furrer ist dafür die richtige Person.»
In den vergangenen Jahren ist der Verband durch seine schrillen, teilweise politisch weit rechts einzuordnenden Positionsbezüge aufgefallen. Diese waren insbesondere dem streitbaren Direktor Hans-Ulrich Bigler zuzuschreiben, der diesen Sommer nach 15 Jahren im Amt zurückgetreten ist. In Erinnerung geblieben sind unter anderem Biglers engagierter, letztlich erfolgloser Kampf für die No-Billag-Initiative im Jahr 2018 oder sein Engagement im Kampf gegen verschiedene Corona-Schutzmassnahmen.
Bigler politisierte zeitweise parallel zu seiner Stelle als Verbandsdirektor für die FDP im Nationalrat und trat nach seiner Abwahl 2019 zur SVP über. Die Zusammenarbeit zwischen Bigler und den anderen Wirtschaftsverbänden, insbesondere dem Dachverband Economiesuisse, gestaltete sich zunehmend schwierig.
Gegen Ende seiner Amtszeit traten auch Biglers Differenzen mit Verbandspräsident und Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi zutage. Unter anderem warf Bigler Regazzi bei seinem Abgang schlechten Stil vor.
Regazzi blickt zurück: «Inhaltlich hat Bigler die Haltung des Gewerbeverbands meistens gut vertreten. Aber durch seine Art der Kommunikation wurde der Verband oft als polemisch und nicht kooperativ wahrgenommen. Auch wenn wir inhaltlich weiterhin eine klare Linie vertreten werden, wollen wir in Zukunft wieder als sympathisch wahrgenommen werden. Urs Furrer ist dafür die richtige Person.»
Verschiedene Personen aus der Wirtschaft, die ihn als Verhandlungspartner hatten, bezeichnen ihn als «lösungsorientierten und fairen Streiter», der die Interessen des Gegenübers mit einbeziehe. Die Gesprächspartner wollen allesamt nicht namentlich genannt werden. Furrer selbst stand nicht für ein Gespräch zur Verfügung.
Furrer ist, wie Bigler früher, FDP-Mitglied. Da in den Verbänden Chocosuisse und Biscosuisse viele Kleinfirmen organisiert sind, beschäftigt sich Furrer seit Jahren mit deren Anliegen.
Von 2004 bis 2014 arbeitete Furrer als Anwalt für Economiesuisse und sass zum Ende in deren Geschäftsleitung.
Gleichzeitig ist Furrer die Welt der Konzerne nicht fremd: Von 2004 bis 2014 arbeitete er als Anwalt für Economiesuisse und sass zum Ende in deren Geschäftsleitung. Furrer ist mit Regina Ammann verheiratet, die 1999 für den Landesring der Unabhängigen während neun Monaten im Nationalrat sass, später als Lobbyistin für die Credit Suisse und Economiesuisse arbeitete und heute bei Syngenta angestellt ist.
Wie weiter mit Schneider?
Furrer stellt mit seinem Stil nicht nur eine Veränderung zu Ex-Direktor Bigler dar, sondern auch zu Henrique Schneider, der ursprünglich als Biglers Nachfolger vorgesehen war. Ihm wurden im Frühjahr allerdings Plagiate nachgewiesen. Deshalb machte der Vorstand die bereits erfolgte Ernennung Schneiders rückgängig.
Anders als Bigler gilt Schneider nicht als Polterer. Von verschiedener Seite wird die Zusammenarbeit mit ihm allerdings ebenfalls als schwierig bezeichnet. Politisch sei er bedeutend weiter rechts als Bigler einzuordnen, sagen Gesprächspartner. Entsprechend hatte er in der Polit- und Verbandswelt ebenfalls viele Gegner. (Lesen Sie hier unser Portrait über Schneider.)
Noch ist Schneiders Abwahl nicht offiziell: Sie steht auf der Traktandenliste für die Sitzung der Gewerbekammer – das ist das Parlament des Verbands – am Mittwoch nächster Woche im basellandschaftlichen Bubendorf. An der gleichen Sitzung soll Urs Furrer als Direktor ab Mai 2024 bestätigt werden. Dass Gegenkandidaten in den Ring steigen, ist unwahrscheinlich. Bis zu seinem Amtsantritt führen die Verbandsangestellten Kurt Gfeller und Dieter Kläy den Verband interimistisch.
Die Arbeitsbeziehung zwischen Schneider und dem Verband ist mit nächster Woche allerdings nicht beendet. Er arbeitet weiterhin als stellvertretender Direktor. Präsident Regazzi sagt: «Ich bin zuversichtlich, dass wir diesbezüglich eine definitive Lösung finden.» Das klingt nach Trennung. Schneider selbst äussert sich nicht zur Angelegenheit.
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