Krisensitzung im GewerbeverbandHenrique Schneider verliert den Machtkampf
Der designierte Direktor des Gewerbeverbands darf sein Amt definitiv nicht antreten. Präsident Fabio Regazzi hat sich im Gewerbeparlament durchgesetzt.
Das Ringen um die Macht beim Schweizerischen Gewerbeverband war heftig. Beide Seiten haben in den letzten Tagen intensiv lobbyiert. Nun hat das Parlament des Verbands, die Gewerbekammer, entschieden. Und der Sieger heisst Fabio Regazzi. Die Gewerbekammer hat sich in einer konsultativen Abstimmung mit 53 zu 13 Stimmen hinter ihn und die übrigen Vorstandsmitglieder gestellt. Sie bestätigt deren Entscheid, die Wahl von Henrique Schneider zum Direktor zu widerrufen. Obwohl ebendiese Gewerbekammer den 45-jährigen Schneider im Februar noch einstimmig für dieses Amt gewählt hatte.
Doch dann kam die Plagiatsaffäre. In der «NZZ am Sonntag» erhob der österreichische Plagiatsforscher Stefan Weber den «begründeten Verdacht auf schweres wissenschaftliches Fehlverhalten» gegen den heutigen stellvertretenden Direktor des Gewerbeverbands. Darauf liess der Verbandsvorstand ein Gutachten erstellen und betraute damit die Zürcher Titularprofessorin Isabelle Häner.
Sie bestätigte ein «serienmässiges Plagiieren» in den Werken von Henrique Schneider und stufte dies als Fehlverhalten und als eine Treuepflichtverletzung ein. Letztere sei aber nicht gravierend, da es sich beim Gewerbeverband nicht um einen wissenschaftlichen Betrieb handle. So zumindest informierte der Verbandsvorstand. Den Bericht selbst hat er nicht veröffentlicht.
Für ihn war aber klar, dass Schneider unter diesen Umständen nicht mehr Direktor werden kann. Die Glaubwürdigkeit sei das höchste Gut des Verbands, weshalb der Vorstand Schneiders Wahl widerrief. Damit waren aber freilich längst nicht alle im Verband einverstanden. Etliche Mitglieder der Gewerbekammer fühlten sich übergangen. Sie monierten, die Kompetenz zum Wählen und Abwählen des Direktors liege bei ihnen. Ein gutes Dutzend liess daher eine ausserordentliche Kammersitzung einberufen.
Heute Mittwochnachmittag fand diese statt. Dabei konnten sich Präsident Fabio Regazzi und der Vorstand durchsetzen. Der Entscheid legitimiere den Vorstand und stärke die Glaubwürdigkeit des Verbands, so Regazzi. Gestärkt wurde auch seine Position. Er wird nun wohl einen Direktor suchen, der weniger ruppig agiert als der bisherige Hans-Ulrich Bigler und der zurückgepfiffene Henrique Schneider. Die Suche hat Regazzi bereits gestartet.
Vorerst muss er entscheiden, wer den Verband in den nächsten Wochen und Monaten interimistisch leiten soll. Bigler kommt dafür nicht infrage. Zu vergiftet ist das Verhältnis zwischen ihm und dem Präsidenten. Das zeigt ein E-Mail, das Bigler diese Woche verschickt hat. Darin schreibt er: «Um wenigstens meinerseits Anstand und Respekt zu wahren, verabschiede ich mich heute an meinem letzten Arbeitstag von Ihnen als Direktor.» Dass der Präsident und der Vorstand «kein Wort des Dankes» für notwendig hielten, «befremdet mich offen gestanden, muss an dieser Stelle aber nicht weiter kommentiert werden», so Bigler.
Nun tritt er ab. Und Henrique Schneider mittelfristig wohl auch. Das Arbeitsverhältnis des stellvertretenden Direktors ist aber noch nicht gekündigt. Schneider mochte sich am Mittwoch nicht dazu äussern, ob er bleiben möchte. Möglicherweise wird er auch rechtliche Schritte gegen den Gewerbeverband einleiten, weil er sich ungerecht behandelt fühlt.
Bessere Zusammenarbeit mit Economiesuisse
Fabio Regazzi wird bei der Wahl des neuen Direktors oder der neuen Direktorin wohl darauf achten, dass der Gewerbeverband künftig besser mit Economiesuisse und dem Arbeitgeberverband harmoniert. Mit Bigler taten sich die beiden anderen Dachverbände der Wirtschaft öfter schwer. Entsprechend wird dort der Entscheid der Gewerbekammer wohl mit Freude zur Kenntnis genommen.
Regazzi hat dem scheidenden Direktor am Mittwochabend per Medienmitteilung doch noch gedankt – «für seinen unermüdlichen Einsatz für die Schweizer KMU und seine grossen Verdienste in den letzten 15 Jahren».
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