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Streit um Gewerbeverbands-Spitze
Showdown im grössten Schweizer Wirtschaftsverband

Hat Gewerbeverbandspräsident Fabio Regazzi seine Kompetenzen überschritten, als er mit dem Vorstand die Wahl des künftigen Direktors widerrief? Am Mittwoch kommt es zur ausserordentlichen Sitzung.
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Am Mittwochnachmittag entscheidet sich im Berner Hotel Schweizerhof die Zukunft des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Dieser vertritt über 230 Verbände mit mehr als 600’000 Unternehmen und bezeichnet sich stolz als «grössten Dachverband der Schweizer Wirtschaft».

Wer soll hier das Sagen haben? Präsident Fabio Regazzi und der Vorstand, welche die Wahl des neuen Direktors Henrique Schneider wegen Plagiatsvorwürfen widerrufen haben? Oder Schneider und seine Anhänger, die den Vorstandsentscheid für widerrechtlich halten und dafür sorgen wollen, dass der 45-Jährige doch noch Direktor wird?

Sondersitzung des Gewerbeparlaments

Am Mittwoch tagt die Gewerbekammer in dieser Sache. Das hundertköpfige Parlament des Verbands trifft sich eigens deswegen zu einer ausserordentlichen Versammlung. Selbst Insider wagen keine Prognose, wer den Machtkampf gewinnen wird.

Wie konnte es dazu kommen? Noch im Februar hatte die Gewerbekammer Henrique Schneider einstimmig zum neuen Direktor gewählt. Er ist heute stellvertretender Direktor und hätte am 1. Juli die Nachfolge von Hans-Ulrich Bigler antreten sollen, der seinerseits in Pension geht.

Doch im März erhob der Plagiatsforscher Stefan Weber in der «NZZ am Sonntag» den «begründeten Verdacht auf schweres wissenschaftliches Fehlverhalten» gegen Henrique Schneider. Der SGV-Vorstand beauftragte daraufhin die Anwaltskanzlei Bratschi, die Vorwürfe in einem unabhängigen Rechtsgutachten zu untersuchen.

Henrique Schneider soll «serienmässig» plagiiert haben. Aber wie gravierend ist das für den Gewerbeverband wirklich?

Das Gutachten erstellt hat die Bratschi-Anwältin und Zürcher Rechtsprofessorin Isabelle Häner. Publiziert wurde ihr Bericht nicht. Laut dem SGV-Vorstand bestätigt Häner aber «serienmässiges Plagiieren» in den Werken von Henrique Schneider. Das sei ein klares Fehlverhalten und eine Verletzung der Treuepflicht. Gravierend sei dies aber nicht, weil es sich beim Gewerbeverband nicht um einen wissenschaftlichen Betrieb handle.

Bleibt Hans-Ulrich Bigler doch noch?

Der Vorstand des Gewerbeverbands kam «nach eingehender Diskussion» zum Schluss, Schneider sei als künftiger Direktor des Gewerbeverbands nicht mehr tragbar. Denn die Glaubwürdigkeit sei für den SGV das höchste Gut. «Aufgrund der hohen zeitlichen Dringlichkeit» und der Tatsache, dass eine Abberufung in den Statuten nicht geregelt ist, tat dies der Vorstand gleich selbst und informierte die Gewerbekammer nur.

Doch etliche Gewerbeparlamentarier haben aufbegehrt und eine ausserordentliche Kammersitzung verlangt. Eine solche muss auf Antrag von mindestens zehn Mitgliedern einberufen werden. Angeführt wird die Gruppe von Robert E. Gubler, einem Zürcher Kommunikationsberater, wie die «Schweiz am Wochenende» zuerst berichtete. Er vertritt in der Gewerbekammer die Swiss China Investment Platform Association (Scipa).

Präsident Fabio Regazzi lässt offen, ob er nach einer Annahme des Antrags von Robert E. Gubler zurücktreten würde.

Gubler regt an, dass Hans-Ulrich Bigler den Verband interimistisch weiterführen soll – mindestens bis Ende Jahr. In dieser Zeit soll der Vorstand den Fall Schneider samt Gutachten «sauber aufarbeiten» und der Gewerbekammer «transparent darlegen». Schneiders Wahl wiederum soll nicht widerrufen werden, stattdessen möchte Gubler dessen Amtsantritt bis zum Ausscheiden von Bigler verschieben.

Für den Kommunikationsberater ist klar, dass der Widerruf einer Direktorenwahl ebenso in die Kompetenz der Gewerbekammer fällt wie die Wahl selbst. Der Vorstand hätte somit seine Kompetenzen überschritten. Auch viele weitere Gewerbeparlamentarier fühlen sich übergangen.

Gewerbler fürchten Scherbenhaufen 

Auf der anderen Seite befürchtet man einen «Scherbenhaufen», wenn der Vorstand von der Gewerbekammer desavouiert wird. Dann bleibe Präsident Regazzi (Mitte, TI) wohl nur der Rücktritt, sagen etliche, ohne namentlich zitiert werden zu wollen. 

Regazzi selbst lässt die Frage offen, ob er nach einer Annahme des Antrags von Robert E. Gubler zurücktreten würde. Er will sich vor Mittwoch auch nicht zu den Forderungen selbst äussern. Der Vorstand werde der Gewerbekammer aber beantragen, seinen Entscheid vom 9. Juni zu bestätigen. Damit würde auch die Gewerbekammer die Wahl von Henrique Schneider widerrufen. Die Suche nach einem neuen Direktor oder einer neuen Direktorin, so Regazzi, habe man bereits gestartet.