Krach unter WirtschaftsverbändenRühl bezeichnet Bigler als «Hypothek»
Economiesuisse-Chefin Monika Rühl und Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler greifen einander frontal an. Entzündet hat sich der Streit an Biglers Äusserungen zur Konzerninitiative.
Eigentlich wären sie Verbündete – doch jetzt liefern sie sich einen Schlagabtausch, wie er selbst zwischen Gegnern nicht alle Tage vorkommt. «Warten auf Bigler – oder: Eine Hypothek fürs Gewerbe», so betitelt Monika Rühl, Direktorin von Economiesuisse, ihren am Dienstag publizierten Blog. Objekt ihres Zorns ist Hans-Ulrich Bigler, Zürcher FDP-Politiker und Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands.
Bigler hatte sich letzte Woche in Medienbeiträgen kritisch über Grosskonzerne geäussert. Und er liess Sympathien für die sogenannte Konzernverantwortungsinitiative durchblicken, die Unternehmen für verletzte Menschenrechte weltweit haftbar machen will. Economiesuisse, der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, bekämpft die im November zur Abstimmung gelangende Initiative vehement – und Direktorin Rühl feuert nun ihrerseits in ungewohnter Schärfe auf Gewerbechef Bigler.
«Bei der Konzerninitiative haben sie mit Druck und Drohungen versucht, uns zu einer Stellungnahme zu zwingen. Das ist inakzeptabel.»
Bigler missachte «Fakten und Wahrheit, Respekt und Anstand», schreibt Rühl. Maliziös betitelt sie den FDP-Politiker, der 2019 die Wiederwahl ins Parlament verpasste, als «abgewählten Nationalrat», der vom «Wunsch nach Medienaufmerksamkeit» getrieben sei: Er setze auf «Konfrontation statt Kooperation, Konflikt statt Konsens». Konkret stört sich Rühl unter anderem an Biglers Aussage, wonach Grossfirmen und Economiesuisse oft strengere Regulierungen zulasten des Kleingewerbes fordern würden. Dies sei «grober Unfug und reine Polemik», so Rühl.
Dass Bigler ein Ja zur Konzerninitiative nicht ausschliesst, lässt Rühl nachgerade fassungslos zurück: «Wie bitte?», schreibt sie im Blog. Sie kritisiert die Feststellung des Gewerblers, wonach Klein- und Mittelunternehmen (KMU) von der Initiative nur wenig betroffen wären. Die Initiative sehe für KMU keinerlei Ausnahmen im Haftungsbereich vor, so Rühl. Die Economiesuisse-Chefin zeigt sich aber zuversichtlich, dass die Mitglieder des Gewerbeverbands vernünftiger Position beziehen würden als ihr «launischer Direktor».
«Dermassen tiefes Niveau»
Bigler seinerseits gibt in einer ersten Reaktion nicht weniger heftig zurück. «Das ist ein dermassen tiefes Niveau einer ehemaligen Bundesbeamtin, dass ich das nicht kommentiere», erklärt er auf Anfrage dieser Zeitung. An seiner Bemerkung, dass Economiesuisse den KMU oft die Unterstützung versage, hält Bigler fest. Er nennt als Beispiele nachteilige Regulierungen im Aktienrecht und im Finanzdienstleistungsgesetz. «Umgekehrt wird erwartet, dass wir uns voll für ihre Anliegen einsetzen.»
Gewisse inhaltliche Differenzen habe es zwar schon immer gegeben, so Bigler. «Bei der Konzerninitiative haben sie jetzt aber mit Druck und Drohungen versucht, uns zu einer Stellungnahme zu zwingen. Das ist inakzeptabel.»
Die Stimmung zwischen den beiden Verbänden ist damit so schlecht wie noch kaum je zuvor. Gelitten hat sie schon während des Lockdown. Damals sahen sich viele kleine Gewerbebetriebe von den Grossisten übervorteilt, wobei der Missmut auch auf die politische Ebene und die Verbände übergriff. In der Vergangenheit hatte man noch oft für die gleichen Anliegen gekämpft – und zuweilen auch gemeinsam in der Kritik gestanden, etwa Anfang 2017 nach der verlorenen Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III. Wie man jetzt indes wieder in eine wirtschaftspolitische Phalanx zurückfinden will, scheint angesichts des atmosphärischen Tiefs ziemlich offen.
Den politischen Gegner freuts. «GROSS!», so kommentiert SP-Nationalrat Fabian Molina den Streit auf Twitter. «Die Konzern-Lobby um Economiesuisse schäumt vor Wut!»
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