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Umstrittene CO₂-Zertifikate
Schweizer Klimagigant zweifelt nun selber am Vorzeigeprojekt

Zurich (ZH), le 15 octobre 2013. Renato Heuberger, CEO de « South Pole Carbon ».     © Michele Limina
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Eigentlich will South Pole nur eines: das Klima schützen. Doch an der Mission des Zürcher Milliardenunternehmens kommen neue Zweifel auf.

Die in Washington ansässige Zertifizierungsstelle Verra hat eine Untersuchung gegen eines der grössten Klimaschutzprojekte von South Pole eingeleitet, das Waldschutzprojekt Kariba in Zimbabwe. Das Prestigeprojekt geriet zuletzt durch mehrere internationale Recherchen in Verruf, weil deutlich weniger CO₂ eingespart wurde, als ursprünglich berechnet.

Verra teilte Anfang Woche mit, sie habe das Projekt und alle weiteren Kreditvergaben auf Eis gelegt. Die Zertifizierungsstelle will den Vorwürfen nachgehen, die Anfang dieser Woche in einer aufwendigen Recherche des US-Magazins «The New Yorker» aufgerollt wurden. Darin geht es unter anderem um einen dubiosen Geschäftspartner in Zimbabwe, der zugibt, nichts von Waldschutz zu verstehen.

Im Zentrum steht der schon seit Monaten im Raum stehende Vorwurf: South Pole soll wissentlich wertlose CO₂-Zertifikate verkauft haben. Die Firma stritt dies bislang vehement ab. Das Geschäftsmodell von South Pole besteht darin, Klimaschutzprojekte zu starten und aus diesen CO₂-Zertifikate an Firmen wie Nestlé oder Holcim zu verkaufen.

Verra geriet selber ins Kreuzfeuer

Zertifikate im freiwilligen Kompensationsmarkt sind keinen internationalen Regeln unterworfen. So gibt es verschiedene Zertifizierungsmechanismen und damit unterschiedliche Standards, die Klimaschutzprojekte einhalten müssen.

Die Zertifizierungsfirma Verra ist Marktführerin und hat weltweit rund drei Viertel aller freiwilligen Gutschriften unter ihrer Kontrolle. Rund die Hälfte stammt aus Waldprojekten wie Kariba.

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Auch an Verras Standard kamen in den vergangenen Monaten Zweifel auf. Recherchen haben gezeigt, dass viele von Verra abgesegnete Regenwaldprojekte falsche Versprechen beinhalten. Und dass verkaufte Zertifikate wertlos waren, weil Millionen Tonnen an CO₂ gar nicht eingespart wurden.

Das Kernproblem sind die Berechnungsmethoden. Das kritisierte Axel Michaelowa schon im Februar gegenüber dieser Redaktion. «Verra muss seine Referenzfallstandards anpassen», sagte der Experte für internationale Klimapolitik an der Universität Zürich. Um Emissionsgutschriften zu berechnen, orientiert sich Verra an Referenzfällen. Und diese sind gemäss dem Experten nicht verlässlich. Verra kündigte an, die Methodik anzupassen.

Bastien Girod zweifelt plötzlich selber

South Pole versuchte in den vergangenen Monaten stets zu beschwichtigen, dass keine verkauften CO₂-Zertifikate wertlos seien. Jene Tonnen CO₂, die als eingespart verkauft, aber in Wahrheit noch nicht eingespart wurden, dürften gemäss Verra-Vorschrift in Zukunft nachgeholt werden. Sie können also mit Emissionen ausgeglichen werden, die in den nächsten Jahren im Kariba-Wald eingespart werden. Experten bezweifeln dies jedoch gegenüber dem «New Yorker», da in der Region nicht mehr viel zu holen sei.

Noch im Juli bestritt Grünen-Nationalrat Bastien Girod gegenüber dieser Redaktion, dass South Pole wertlose Zertifikate verkauft habe. Girod ist Chef des Europa-Geschäfts.

Wahlherbst Klima - Delegiertenversammlung Grüne, Bastien Girod spricht zu Delegierten, Jona, 31.8.19, Fabienne Andreoli / Tagesanzeiger

Angesprochen auf die nun von Verra gezogene Notbremse, sagt Girod, dass er nach wie vor bestreite, dass die Waldzertifikate wirkungslos seien. Denn es sei mehrfach bestätigt worden, «dass es gelungen ist, in Kariba den Wald zu schützen und Biodiversität zu fördern». Aber: Der Artikel im «New Yorker» habe Details des lokalen Projektbetreibers ans Licht gebracht, «welche die Integrität des Betreibers infrage stellen».

Deshalb findet es Girod richtig, dass Verra das Projekt nun untersuchen will. South Pole werde die Untersuchung unterstützen. «Auch wird South Pole weitere Konsequenzen ziehen und dazu noch ausführlicher kommunizieren», sagt Girod. Weiter ins Detail gehen will er nicht.

Der Tonfall überrascht – beteuerten Girod und auch South-Pole-Chef Renat Heuberger stets, das Projekt werde regelmässig kontrolliert und neu bewertet.

Es droht ein grosser Stellenabbau

Die Rückschläge haben offenbar auch wirtschaftliche Folgen. Wie Radio SRF berichtet, hat South Pole vergangene Woche intern verkündet, dass das Unternehmen ein Fünftel des Personals entlassen muss. Es habe Mitarbeitende per Mail aufgefordert, sich freiwillig für den Personalabbau zu melden. South Pole zählt rund 1200 Beschäftigte in über dreissig Ländern.

Girod will diese Zahl weder bestätigen noch dementieren. Er sagt lediglich, dass man aus der Kritik lerne und sich an das «deutlich veränderte Marktumfeld» anpassen müsse. South Pole biete zunehmend Lösungen für die Dekarbonisierung oder erneuerbare Energien an sowie Klimaschutzprojekte mit negativen Emissionen. Das bedinge einen Abbau «von gewissen Stellen».