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«Greenwashing»-Kritik
Gucci will nicht mehr «klimaneutral» sein  – nach Ärger wegen Zürcher Firma 

Gucci verfolgt nun lieber einen «naturfreundlichen Ansatz», statt sich klimaneutral zu nennen. Der Meinungsumschwung hat mit umstrittenen Klimazertifikaten zu tun. 
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«Klimaneutrale» Shampoos oder Schokoriegel kommen zunehmend in Verruf. Zuletzt haben mehrere Zertifizierer in dieser Zeitung angekündigt, den Begriff «CO₂-neutral» zu verbannen und neue Labels einzuführen. Damit können sich Unternehmen künftig nicht mehr als «klimaneutral» vermarkten. Damit reagiert die Branche nicht nur auf «Greenwashing»-Vorwürfe. Sondern auch auf die zunehmende Skepsis an den Klimaschutzprojekten, die das Kompensieren erst möglich machen. (Mehr dazu: Bei Kaffee, Ovo und Shampoo muss der «Klimaneutral»-Aufdruck weg)

Ein solches Projekt hat die Kritik in den letzten Monaten befeuert: «Kariba» in Zimbabwe. Das Waldschutz-Projekt wird von South Pole betrieben, dem Weltmarktführer für CO₂-Kompensation mit Sitz in Zürich. Eine internationale Recherche enthüllte jüngst, dass das Projekt überschätzt war. Viele der angeblich eingesparten Tonnen CO₂, die South Pole mittels Zertifikate verkauft hatte, wurden gar nicht eingespart (lesen Sie hier, wie sich South Pole rechtfertigt).

Nun folgen weitere Rückschläge für South Pole, die Auswirkungen auf die ganze Branche haben könnten.

Gucci beerdigt Klimaneutralität

Der italienische Luxuskonzern Gucci verkündete vergangene Woche gegenüber der britischen Zeitung «Guardian», die Zusammenarbeit mit South Pole beendet zu haben. Seit 2019 nannte sich der Modemulti unter anderem wegen Investitionen in das umstrittene Waldschutzprojekt «vollständig klimaneutral». Das Versprechen hat Gucci bereits von der Website gelöscht.

Den radikalen Schritt begründet Gucci gegenüber der Zeitung damit, dass man regelmässig die Aussagen zur Umweltbelastung überprüfe, «um die besten wissenschaftlich fundierten Standards einzuhalten und uns an den globalen Regulierungsrahmen anzupassen». Die Strategie umfasse nun einen «naturfreundlichen Ansatz». Dazu gehörten die Wiederherstellung der Biodiversität, Investitionen in eine regenerative Landwirtschaft und die Unterstützung lokaler Gemeinschaften.

Das «Kariba»-Projekt war eines der weltweit ersten gross angelegten Klimaschutzprojekte zur Vermeidung von Abholzung.

Ob das Aus für die Zusammenarbeit mit der jüngsten Kritik zu tun hat, bleibt offen. Gucci reagierte am Dienstag nicht auf eine Anfrage dieser Zeitung.

South Pole kommentiert den Entscheid nicht, sagt auf Anfrage aber, dass man ebenfalls von klima- oder kohlenstoffneutralen Versprechen wegkommen möchte. «Wir stellen fest, dass Behauptungen zur Klimaneutralität manchmal missverstanden oder von Unternehmen missbraucht werden, sodass sie manchmal mit Greenwashing-Praktiken in Verbindung gebracht werden», sagt eine Sprecherin.

Neben Gucci distanzieren sich auch andere Unternehmen vom umstrittenen Waldschutzprojekt «Kariba». Wie SRF am Dienstag berichtete, sind auch auf den Webseiten von Nespresso, Lavazza oder Booking.com Hinweise auf das Projekt verschwunden. Das Filmfestival in Cannes, das derzeit läuft, überprüfe ebenfalls, ob es weiterhin über «Kariba» Emissionen kompensieren wolle. 

Projektländer wollen mitverdienen

Ein weiterer Rückschlag für das Prestigeprojekt von South Pole ist zudem eine Ankündigung in Zimbabwe selber. Die Regierung meldete vor wenigen Tagen, die Kontrolle über die Emissionsgutschriften übernehmen zu wollen. Die Hälfte der Einnahmen aus Projekten wie «Kariba» soll dem Land selber zustehen. Alle früheren Vereinbarungen mit internationalen Agenturen und Organisationen wolle man für «null und nichtig» erklären.

South Pole prüft zurzeit, welche Auswirkungen dies auf das Projekt hat, das gemäss dem Zertifizierer in den letzten 12 Jahren über 750’000 Hektaren Wald geschützt haben soll. Eine Sprecherin betont aber, dass es sich um eine Ankündigung handle und nicht um ein Gesetz. «Wir werden keine weiteren Kommentare abgeben, bis die Dinge zwischen dem Projektträger und der Regierung von Zimbabwe geklärt sind.»

«Gut möglich, dass nun andere Projektländer nachziehen.»

Kathrin Dellantonio, Geschäftsführerin Myclimate Schweiz

Klar ist: Mit der Ankündigung macht sich Zimbabwe nicht beliebt. «Gut möglich, dass nun andere Projektländer nachziehen», sagt Kathrin Dellantonio, Geschäftsführerin von Myclimate Schweiz. Die Stiftung spürt ebenfalls, wie immer mehr Teilnehmer vom wachsenden freiwilligen Kompensationsmarkt profitieren wollen.

«Es könnte sich herausstellen, dass dies zu kurzfristig gedacht ist, schliesslich können Anbieter von Klimaschutzprojekten bei zu hohen Hürden in ein anderes Land ausweichen.»

Doch hat ein Land wie Zimbabwe nicht das Anrecht, daran zu verdienen, wenn Schweizer Unternehmen für ihre ausgestossenen CO₂-Emissionen dort ein Klimaschutzprojekt mitfinanzieren? «Das tun Projektländer bereits, wenn auch nicht unmittelbar finanziell», kontert Dellantonio. «Die Projekte leisten wichtige Beiträge zur Entwicklung dieser Länder, indem sie dort Emissionen reduzieren und beispielsweise Zugang zu erneuerbaren Energien, zu sauberem Trinkwasser oder Bildung ermöglichen und Arbeitsplätze schaffen.»