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Ukraine-Blog
Die russische Frühjahrs­offensive wird bald beginnen

TOPSHOT - Ukrainian rescuers work in the courtyard of a residential building damaged as a result of a missile attack in Dnipro on April 19, 2024, amid the Russian invasion of Ukraine. Russian strikes against Ukraine on April 19, 2024 killed at least eight people, including two children, as Kyiv said it shot down a Russian strategic bomber for the first time. (Photo by Anatolii Stepanov / AFP)
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Seit mehreren Wochen fliegt Russland deutlich stärkere Angriffe auf die Ukraine. Zahlreiche Städte stehen unter dauerhaftem Beschuss. In der Grossstadt Tschernihiw im Norden der Ukraine sind bei einem russischen Raketenangriff am Mittwoch 17 Menschen getötet worden, 60 weitere wurden verletzt.

Auch in der östlichen Stadt Dnipro kam es in der Nacht auf Freitag zu Angriffen. Bei einer Attacke auf ein Wohnhaus und auf Infrastruktureinrichtungen der ukrainischen Eisenbahngesellschaft Ukrzaliznytsia wurden mindestens 2 Menschen getötet und 15 verletzt, wie Gouverneur Serhij Lyssak auf Telegram mitteilte.

In der strategisch wichtigen Stadt Tschassiw Jar toben derzeit ebenfalls erbitterte Kämpfe. Vor ein paar Tagen warnte der ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Sirski, die Lage an der Front habe sich «bedeutend verschlechtert», an vielen Orten im Osten der Ukraine würden wieder gepanzerte russische Verbände vorstossen.

«Ganz Donezk und Luhansk» einnehmen

Seit längerem warnen ukrainische Beamte vor einer bald anstehenden russischen Frühjahrsoffensive. Die aktuellen Angriffe sollen jedoch noch nicht Teil davon sein. In einem Interview mit der «Washington Post» erklärte der Militärgeheimdienstchef Kyrylo Budanow, dass Russland erst im Juni 2024 die «grosse Offensive» starten wird. Das Ziel dieser Offensive sei für die russischen Streitkräfte, «ganz Donezk und Luhansk» einzunehmen, sagte Budanow.

Budanow erklärte auch, dass die russischen Streitkräfte im Jahr 2024 versuchen werden, die Entscheidungsfindungen im Westen zu beeinflussen – insbesondere mit Blick auf die US-Präsidentschaftswahlen im November 2024. «Bis zum Amtsantritt (des amerikanischen) Präsidenten werden sie versuchen, so viel wie möglich von den Gebieten von Donezk und Luhansk zu bekommen», so der Militärgeheimdienstchef.

Wo wird die Offensive starten?

Es gibt verschiedene Orte, in denen die russische Offensive beginnen könnte. «Eine der Herausforderungen für die Ukrainer besteht darin, dass die Russen wählen können, wo sie ihre Kräfte einsetzen», sagte Jack Watling, Forscher beim britischen Thinktank Royal United Services Institute (Rusi), kürzlich dem britischen Fernsehsender BBC. Die Frontlinie sei sehr lang, und die Ukrainer müssten in der Lage sein, alle Abschnitte verteidigen zu können, so Watling. Angesichts des Munitions- und Materialmangels ist dies jedoch unmöglich. «Das ukrainische Militär wird an Boden verlieren», sagte Watling.

Watling meint, dass das erste Ziel der russischen Frühjahrsoffensive ein «Ausbruch aus dem Donbass» sei: «Sie werden ein Auge auf Charkiw haben, das 29 km von der russischen Grenze entfernt liegt, ein grosser Preis.» Die zweitgrösste Stadt der Ukraine wird seit mehreren Wochen ununterbrochen beschossen. Seit Ende März werden auch verstärkt Gleitbomben mit gewaltiger Zerstörungskraft eingesetzt. (Lesen Sie hier mehr über die Zerstörungskraft dieser Gleitbomben.)

Nachdem Russland kurz nach Kriegsbeginn die Einnahme von Charkiw verkündet hatte, gelang es den Ukrainern, die Stadt im September 2022 zurückzuerobern. Eine abermalige Eroberung der Millionenstadt wäre ein grosser Triumph für Russland.

300’000 neue Armeemitglieder

Die russische Offensive wird wohl wie bisher mit hohen Verlusten für die russische Armee einhergehen. Die Armeeführung Russlands versucht deswegen, schon vorab Wehrpflichtige dazu zu bringen, Verträge zum Kriegsdienst zu unterschreiben. Das berichten zwei Personen, die mit der Situation vertraut sind, gegenüber der US-Nachrichtenagentur Bloomberg. Eine zweite Mobilisierungswelle solle so vermieden werden. Verschiedenen ukrainischen wie russischen Berichten zufolge soll die russische Armee in diesem Jahr 300’000 neue Armeemitglieder rekrutieren.

TOPSHOT - A communal worker sits in a crater after missiles strike in Kharkiv, on April 6, 2024, amid Russian invasion in Ukraine. (Photo by SERGEY BOBOK / AFP)

Wie wird die Ukraine auf die Offensive reagieren? Geheimdienstchef Budanow erklärte in der «Washington Post», man plane, russischen Offensivoperationen mit weiteren Angriffen auf Militärziele innerhalb Russlands zu begegnen. Man habe eine Strategie ausgearbeitet, die «auf die Reduzierung des russischen Potenzials» abziele, so Budanow. «Sie umfasst viele Aspekte, wie die Militärindustrie, ihre Flugplätze, ihre Kommando- und Kontrollposten.» Daran sollen auch «russische Freiwillige» beteiligt sein, die hinter den Grenzen operieren, so Budanow.

Ohne Hilfe habe die Ukraine «keine Chance»

Doch diese Angriffe auf Ziele hinter den russischen Grenzen werden die Lage an der Front kaum beeinflussen. Damit sich die Ukraine gegen eine russische Offensive wehren kann, ist das Land auf Waffenlieferungen aus dem Westen angewiesen. Und diese werden derzeit auf verschiedenen Ebenen blockiert. Am Samstag steht dazu etwa im US-Repräsentantenhaus eine wichtige Entscheidung an.

Kyrylo Budanov erklärte vor wenigen Tagen, dass es ohne westliche Militärhilfe «katastrophal schwierig» sein werde, die russische Grossoffensive abzuwehren. Noch deutlichere Worte fand der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski kürzlich in einem TV-Interview in der US-Abendsendung «PBS News Hour»: «Ich kann ganz offen sagen, dass wir ohne diese Unterstützung keine Chance haben, zu gewinnen.»