Lieferung aus USA und EuropaAtacms, Taurus, Storm Shadow und Scalp: Um diese Waffen geht es jetzt
Die ukrainische Armee darf neuerdings mit weitreichenden Waffen nach Russland schiessen. Was unterscheidet die Systeme?
Ein erster Einsatz mit Atacms ist bereits erfolgt: Im russischen Brjansk traf offenbar eine von mehreren US-Raketen ein Munitionsdepot, abgeschossen aus der Ukraine. Der Angriff in der Nacht auf Dienstag war der erste dieser Art, seit die USA Kiew am Sonntag eine entsprechende Erlaubnis gegeben haben. Was aber ist das Atacms-Waffensystem genau? Und worin unterscheidet es sich vom viel diskutierten deutschen Taurus und dem französisch-britischen Scalp/Storm-Shadow? Ein Überblick.
Atacms – Rakete mit dreifacher Schallgeschwindigkeit
Sie gilt als entscheidender Waffentyp im Krieg in der Ukraine: Die Atacms-Rakete aus den USA. Diese Kurzstreckenrakete wird von mobilen Mehrfachraketenwerfern wie Himars abgefeuert und kann Ziele in bis zu 300 Kilometern Entfernung erreichen. Anders als Marschflugkörper folgen Atacms einer ballistischen Flugbahn. Sie werden nach dem Start beschleunigt und folgen dann einer parabelförmigen Linie. Ihre Flugbahn ist weniger flexibel als die eines Marschflugkörpers, der aktiv gesteuert wird.
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Das macht sie zwar weniger präzise, ermöglicht aber hohe dreifache Schallgeschwindigkeiten von bis zu 3700 Kilometer pro Stunde. Atacms-Raketen können so ihr Ziel binnen weniger Minuten erreichen, sehr viel schneller als Marschflugkörper. Die hohen Geschwindigkeiten machen sie schwer abfangbar.
Die Ukraine nutzt vor allem eine Version mit Streumunition, die für grossflächige Zerstörung ausgelegt ist. Ihr Einsatz zielt auf Munitionslager, Kommandozentralen oder Flugplätze, von der Kampfjets starten, die mit Gleitbomben bestückt sind. Sie sind ein zentrales Mittel in der ukrainischen Kriegsführung.
In der Nacht auf Dienstag flogen bereits erstmals Atacms aus der Ukraine auf russisches Gebiet. Das ukrainische Militär traf ein Munitionslager in Brjansk, berichtete die ukrainische Nachrichtenagentur RBK-Ukraina unter Berufung auf eine anonyme Quelle im Militär, später kam eine Bestätigung aus US-Kreisen. Das russische Verteidigungsministerium berichtete ebenfalls von einem Angriff und erklärte, die Luftabwehrsysteme hätten fünf von sechs Atacms-Raketen über der Region abgeschossen. Offiziell bestätigte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski den Einsatz mit Atacms jedoch bislang nicht. Brjansk liegt etwa 115 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt – nördlich von Kursk. Die Region Kursk halten ukrainische Streitkräfte in Teilen besetzt.
Taurus – der Bunkerbrecher
Der Taurus zählt zu den Marschflugkörpern, auch cruise missile genannt. Dieser Flugkörper steuert, einmal mit Sprengstoff beladen und von einem Kampfflugzeug abgeworfen, selbstständig auf einer vorgeplanten Route zum Ziel. Sensoren halten ihn dabei auf Kurs. Der Taurus ist mit bis zu 1100 Stundenkilometern Geschwindigkeit unterwegs und kann bis zu 500 Kilometer Strecke zurücklegen. Die hohe Reichweite bietet Pilotinnen und Piloten den Vorteil, dass sie für das Abfeuern nicht in den feindlichen Luftraum eindringen müssen.
Wegen seiner enormen Durchschlagskraft kann der Taurus Bunker und andere gut gesicherte Anlagen, etwa Munitionsdepots, zerstören. Die deutsche Bundeswehr bezeichnet den in Deutschland hergestellten Taurus daher als einen «der modernsten Flugkörper der Luftwaffe». Trifft der Taurus auf ein Ziel, etwa eine Bunkerwand oder -decke, entlädt sich zum Durchbruch eine erste Sprengladung. Im Bunker dann explodiert ein ganzes Sprengkopfsystem, das allein 400 bis 500 Kilogramm schwer ist.
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Der Taurus ist etwa fünf Meter lang, wiegt fast 1400 Kilogramm und fliegt mit eigenem Triebwerk. Da er vier voneinander unabhängige Navigationssysteme trägt, ist er in seiner Flugbahn weitgehend unempfindlich gegen Störsignale. Deutschland soll Medienberichten zufolge 2005 insgesamt 600 Taurus bestellt haben, damals für 1 Million Euro pro Stück. Derzeit sollen nur 150 einsatzbereit sein.
Die Ukraine könnte den Taurus ähnlich den Atacms-Raketen nach Russland schiessen oder damit in den besetzten Gebieten Ziele angreifen, etwa auch auf der Krim. Dort ist die Kertsch-Brücke eine für das russische Militär wichtige Versorgungsverbindung von russischem Festland. Eine Zerstörung der knapp 20 Kilometer langen Brücke könnte Russlands Armee einen erheblichen Schaden zufügen. Bislang weigert sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, der Ukraine den Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen, weil er in der Folge eine Eskalation des Ukraine-Kriegs fürchtet.
Storm Shadow/Scalp – Die Präzisionswaffe
Seit Monaten setzt die Ukraine erfolgreich auf die britischen Storm-Shadow-Marschflugkörper, die baugleich mit den französischen Scalp-Systemen sind. Diese Langstreckenwaffen werden speziell für präzise Angriffe auf schwer zugängliche oder stark befestigte Ziele wie Bunker und kritische Infrastrukturen eingesetzt. Mit einer Reichweite von über 250 Kilometern und einem Gewicht von rund 1300 Kilogramm werden die Marschflugkörper von Kampfflugzeugen wie Eurofighter, Tornado oder Rafale abgefeuert. Weil Storm Shadow und Scalp aus sicherer Entfernung gezielt treffen, ist die Waffe zentral im ukrainischen Arsenal.
In den letzten Monaten hat die ukrainische Armee mehrfach ihre Effektivität genutzt. So Mitte Oktober bei einem Schlag gegen mehrere Kommandoposten russischer Einheiten, wie der Generalstab in Kiew berichtete. Kurz nachdem die USA den Einsatz von Atacms in Russland erlaubt haben, sind Frankreich und Grossbritannien nachgezogen, Kiew darf mit Storm Shadow und Scalp nun ebenfalls nach Russland schiessen. Am Mittwoch wurde schliesslich ein erster solcher Einsatz gemeldet. Gemäss ersten, noch unbestätigten Berichten, sei ein Angriff in der russischen Region Kursk erfolgt.
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