Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Chinesische Online-Plattform
Brüssel versucht es bei Tiktok auf die sanfte Tour

epa11299420 European Commissioner for Internal Market Thierry Breton before French President Emmanuel Macron's speech on Europe in the amphitheater of the Sorbonne University in Paris, France, 25 April 2024. Macron is to speak about the future of the European Union nearly seven years after his previous speech and ahead of the European elections on 09 June.  EPA/CHRISTOPHE PETIT TESSON / POOL
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Was ist der richtige Umgang mit Tiktok? Fast scheint es, als hätten die USA mit dem rabiaten Vorgehen gegen die chinesische Plattform die Europäer in Zugzwang gebracht. Ob die EU auch ein Verbot von Tiktok plane, wurde der Sprecher von Ursula von der Leyen diese Woche gefragt. Dies sei eine hypothetische Frage, so die ausweichende Antwort. Für die USA ist Tiktok vor allem eine Plattform, die von Peking aus gesteuert wird, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Entsprechend politisch rabiat ist das Vorgehen, das tatsächlich mit einem Verbot der Plattform in den USA enden könnte. Für die EU geht es hingegen um Jugendschutz, die psychische Gesundheit der Nutzerinnen und Nutzer.

Bonusprogramm soll süchtig machen

Und vor allem auch um den Test, ob die neuen Regeln für Internetplattformen funktionieren, die Brüssel erst vor wenigen Monaten in Kraft gesetzt hat. «Unsere Kinder sind keine Versuchskaninchen für die sozialen Medien», sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton diese Woche. Der Franzose ist der Architekt der neuen Regeln für soziale Medien in der EU. Diese Woche hat die EU-Kommission bereits das zweite Verfahren gegen die Plattform mit den Eigentümern in China eröffnet.

Im Fokus stehen diesmal Funktionen der neuen App-Version Tiktok Lite. Konkret ein Bonusprogramm, über das Nutzerinnen und Nutzer für jedes angesehene Video oder neuen Besucher der Plattform Punkte sammeln können. Viele Punkte gibt es auch, wenn man sich zehn Tage lang jeden Tag anmeldet. Die Punkte können genutzt werden, um auf Amazon einzukaufen oder auf dem Zahldienst Paypal Guthaben zu erwerben.

MIAMI, FLORIDA - APRIL 24: In this photo illustration, the TikTok app is displayed on an iPhone screen on April 24, 2024 in Miami, Florida. President Joe Biden signed a foreign aid package that includes a bill that would ban TikTok if China-based parent company ByteDance fails to sell the app to an American company within a year. (Photo illustration by Joe Raedle/Getty Images) (Photo by JOE RAEDLE / GETTY IMAGES NORTH AMERICA / Getty Images via AFP)

Das Belohnungsprogramm sei «toxisch und suchterregend», protestierte Thierry Breton. Nutzer verbringen laut Untersuchungen täglich jetzt schon 90 Minuten auf der Plattform, Tiktok hatte die neue Version vorerst nur in Frankreich und Spanien aufgeschaltet. Anders als in den neuen Regeln vorgesehen habe das Unternehmen zuvor keine Risikoeinschätzung für die App vorgenommen, so der Vorwurf aus Brüssel.

Die EU-Kommission hatte der Plattform 48 Stunden Zeit gegeben, um nachzuliefern. Danach hätte die EU-Kommission Tiktok anweisen können, das Benutzerprogramm aus dem Angebot zu nehmen. Am Mittwoch machte Tiktok dann selber einen Rückzieher: «Ich nehme die Entscheidung von Tiktok zur Kenntnis, das Lite-Belohnungsprogramm in der EU auszusetzen», reagierte der EU-Kommissar. Breton kündigte gleichzeitig an, dass das Verfahren wegen der möglichen Suchtgefahr der Plattform weitergeführt werde.

So könnte es in Zukunft öfter ablaufen. Tiktok und Co. gehen bis an die Grenze und machen dann einen Rückzieher im letzten Moment. Bereits im Februar hatte die EU-Kommission ein erstes Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob der Onlineriese genug gegen die Verbreitung illegaler Inhalte tut und ob er etwa beim Jugendschutz oder bei der Werbetransparenz gegen EU-Regeln verstösst.

Schutzmassnahmen für Minderjährige wie Altersüberprüfungen zum Jugendschutz seien möglicherweise nicht wirksam. Brüssel untersucht zudem, ob Tiktok genug unternimmt, um die Privatsphäre für Nutzerinnen und Nutzer ausreichend zu schützen. Die Standardeinstellungen beim Datenschutz seien womöglich für Minderjährige nicht angemessen.

Fokus auf US-Konzerne

Tiktok hat rund eine Milliarden aktiver Nutzer, davon rund 170 Millionen in den USA und gegen 150 Millionen in Europa. Dass es auch in der EU mit Blick auf ausländische Einflussnahme Bedenken gibt, zeigt die Tatsache, dass Regierungen in verschiedenen Mitgliedsstaaten ihren Beamten untersagt haben, die App der chinesischen Plattform auf Diensthandys zu installieren.

Aber in Brüssel geht es weniger um Politik und Skepsis gegenüber China. Im Fokus der neuen Regeln sind alle Plattformen mit mehr als 45 Millionen Nutzerinnen und Nutzern, und die sind in der Regel im Besitz von US-Konzernen, also etwa der Facebook-Mutterkonzern Meta, der Kurznachrichtendienst X oder Amazon und das Hotelreservationssystem Booking.

Hohe Busse möglich

Auch bei Instagram sind die Algorithmen darauf angelegt, gerade jugendliche Nutzer möglichst lange auf der Plattform zu halten. Suchtgefährdend sind also nicht nur chinesische Plattformen. Ein Verfahren hat die EU-Kommission gegen die Newsplattform X (vormals Twitter) eröffnet, bei dem es um Hinweise auf illegale und irreführende Beiträge zum Nahostkonflikt ging. Das Gesetz über digitale Dienste (DSA) verpflichtet die Konzerne, strikt gegen illegale Inhalte wie Hassrede und Hetze im Netz vorzugehen. Den Stecker ziehen kann Brüssel einer Plattform nur in letzter Instanz, wenn Bussen in der Höhe von bis zu 6 Prozent des weltweiten Umsatzes einen Internetkonzern nicht zum Einlenken bewegen.