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Festnahme von Telegram-Gründer
Pawel Durow – seine App ist umstritten, sein Geschäftsmodell unklar

FILE - Telegram co-founder Pavel Durov, center, smiles following his meeting with Indonesian Communication and Information Minister Rudiantara in Jakarta, Indonesia on Aug. 1, 2017. (AP Photo/Tatan Syuflana, File)
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Pawel Durow provoziert gern. Der am Samstag in Paris verhaftete Gründer der Plattform Telegram liess etwa im Zentrum seiner Heimatstadt St. Petersburg Papierflieger aus 5000-Rubel-Scheinen aus dem Fenster auf Passantinnen und Passanten regnen.

Zwischen 4000 und 5000 Dollar habe ihn die Aktion gekostet, sagte Durow später. Seine persönlichen Finanzen können dies verkraften. Auf 15,5 Milliarden Dollar schätzt «Forbes» das Vermögen des 39-jährigen Unternehmers.

Der Grundstock für sein Vermögen legte er mit dem sozialen Netzwerk Vkontakte, einem Facebook-Klon, das er gemeinsam mit seinem Bruder Nikolai 2006 in St. Petersburg gründete. 2014 verkaufte er seinen Anteil an Vkontakte unter nicht ganz geklärten Umständen an einen Geschäftsmann mit Verbindungen zum Oligarchen Alischer Usmanow. Anschliessend verliess er Russland.

Laut dem Techunternehmer tat er das, weil er die Privatsphäre seiner Nutzerinnen und Nutzer vor den russischen Behörden schützen wollte. Wie stark Telegram dies jedoch tatsächlich macht, ist umstritten. Anders als Messenger wie Threema oder Signal verschlüsselt Telegram etwa verschickte Nachrichten nämlich nicht standardmässig.

Telegram ist Sammelbecken für Kriminelle aller Art

Durow, der mittlerweile in Dubai ansässig ist, gibt sich gern ultra-libertär und positioniert seinen 2013 gegründeten Dienst Telegram als Bastion einer uneingeschränkten freien Meinungsäusserung. So nutzen etwa Oppositionelle den Dienst, um sich zu organisieren, wie etwa bei den Protesten in Hongkong oder nach den Wahlen in Belarus 2020.

Doch Inhalte auf Telegram werden nicht moderiert. Mit dem Effekt, dass die Plattform ein Sammelbecken für Rechtsradikale, Kriminelle und Verschwörungstheoretiker geworden ist. In der Schweiz wird Telegram als Kommunikationskanal für diverse Phänomene verwendet, wie das Bundesamt für Cybersicherheit auf Anfrage schreibt. Dazu zählen gefälschte Jobangebote, Erpressungsversuche mit Nacktbildern, sogenannte Sextortion, und Anlagebetrügereien. Zudem nutzen immer wieder Jihadisten Telegram als Rekrutierungstool. Einen laxen Umgang mit solchen Inhalten werfen ihm auch die französischen Behörden vor.

Im Juni zählte Telegram laut eigenen Angaben weltweit rund 950 Millionen Nutzerinnen und Nutzer und gehört damit zu den fünf meistgenutzten Apps weltweit. Wie viel Geld die Plattform damit verdient, ist unklar. Geschäftszahlen gibt Durow, der die alleinige Kontrolle über Telegram hat, keine bekannt. In den ersten Jahren seines Bestehens hat er den Messenger-Dienst mehr oder weniger aus seinem eigenen Vermögen finanziert. Gearbeitet wird immer noch wie bei einem Start-up. Das Unternehmen beschäftigt nur rund 50 Vollzeitmitarbeitende.

Durow glaubte an Börsengang von Telegram

In einem seiner seltenen Interviews sagte Durow der «Financial Times» im Frühling, dass der Messenger-Dienst spätestens 2025 profitabel sein werde und Umsätze in der Höhe von mehreren Hundert Millionen Dollar erziele, seit Telegram vor zwei Jahren für öffentliche Kanäle Werbung und bezahlte Premium-Services eingeführt habe. Er stellte für die Zukunft sogar einen Börsengang von Telegram in Aussicht.

Bewertet wird die App laut Durow mit rund 30 Milliarden Dollar. Damit liegt Telegram weit hinter Meta, zu dem Facebook, Instagram und Whatsapp gehören. Der Börsenwert des Techkonzerns liegt bei rund 1,34 Billionen Dollar.

Wie sich die Nutzer auf die einzelnen Länder verteilen, ist nicht bekannt. Gemessen an Downloads aus den App Stores von Google und Apple liegt Indien mit 83,9 Millionen auf dem ersten Platz, vor Russland mit 35 Millionen und den USA mit 29,9 Millionen Nutzerinnen und Nutzern.

Für Schweizer Werbetreibende wenig relevant

In der Schweiz ist der Anteil der Nutzerinnen und Nutzer gering. Befragt nach ihrer Nutzung von Messenger-Diensten, geben rund 1,26 Millionen Personen im Alter zwischen 15 und 75 an, Telegram zumindest gelegentlich zu nutzen, ein Anteil von rund 20 Prozent. Das geht aus dem Digimonitor 2024 der Interessengemeinschaft Elektronische Medien Schweiz (Igem) hervor. Er wird in der kommenden Woche veröffentlicht.

Unangefochtener Spitzenreiter bei den Messenger-Diensten ist nach wie vor Whatsapp. Rund 6,1 Millionen Menschen kommunizieren damit in der Schweiz. Telegram liegt mit anderen alternativen Diensten wie Signal und Threema in etwa gleich auf.

«2021 ist die Nutzung von Telegram und Threema sprunghaft angestiegen», sagt Siri Fischer, Geschäftsführerin der Igem. Seit damals habe sich das Wachstum jedoch wieder normalisiert. Laut der Befragung der Igem hat Telegram von allen Messenger-Diensten die jüngsten Nutzer. Zudem wird der Dienst laut Fischer, ähnlich wie Threema, von mehr Männern als von Frauen genutzt.

Für Schweizer Werbekunden ist Telegram bislang wenig relevant. Neben der vergleichsweise geringen Nutzung hat das auch mit Reputationsrisiken zu tun. «Viele Werbekunden versuchen ein solches Umfeld zu vermeiden», sagt Fischer. Diese Risiken sind mit der Festnahme von Durow nicht kleiner geworden.