Wirtschaft und GlückWie zufrieden macht Teilzeitarbeit?
Japan will mit einer 4-Tage-Woche den Kindermangel bekämpfen. Ein zusätzlicher freier Tag hätte auch für Schweizer Firmen und Angestellte Vorteile.
Beim Thema ungeschützter Sex denkt man wohl nicht als Allererstes an die Stadtverwaltung von Tokio. Aber ziemlich genau das, also das Babymachen, hatte die Gouverneurin Yuriko Koike im Sinn, als sie kürzlich eine Neuerung ankündigte. Ab April dürfen Mitarbeitende der Stadtverwaltung auf Wunsch 80 Prozent statt Vollzeit arbeiten.
Am fünften Tag sollen sie nicht ruhen und auch nicht im Büro sitzen, sondern sich um die Familienplanung beziehungsweise um die Kinder kümmern. Es gehe darum, «dass niemand seine Karriere aufgrund von Lebensereignissen wie einer Geburt oder der Kinderbetreuung aufgeben muss».
Väter arbeiten noch lieber Vollzeit
Eine ähnliche Initiative lancierte die japanische Regierung schon 2021 – auch um den Arbeitskräftemangel zu beheben, Überstunden abzubauen sowie die Zahl jener zu verringern, die wegen Überarbeitung krank werden oder gar sterben. Bisher konnten sich die Japanerinnen und Japaner aber nicht so recht für die Teilzeitarbeit begeistern.
Möglicherweise schreckt den einen oder anderen die unbezahlte Kinderbetreuung ab, ähnlich wie bei uns. Darauf deutete 2018 eine Auswertung des Soziologen Martin Schröder hin. Demnach arbeiteten die meisten Schweizer Väter gern viel – obwohl oder gerade weil sie Kinder haben. Jene mit Vollzeitpensum waren sogar zufriedener als kinderlose Männer, die 100 Prozent arbeiteten.
Doch die Zeiten ändern sich, Väter verbringen zunehmend und gern mehr Zeit mit der Familie. Ein zusätzlicher arbeitsfreier Tag hat aber noch weitere Vorteile, wie verschiedene Untersuchungen nahelegen.
Eine britische Pilotstudie mit über 60 Unternehmen kam 2023 zum Schluss, dass Arbeitnehmende mit einer 4-Tage-Woche ausgeruhter und motivierter sind sowie seltener ausfallen oder kündigen. Gleichzeitig konnten die meisten teilnehmenden Firmen ihre Produktivität steigern oder zumindest halten.
Ein ähnliches Fazit zog kürzlich eine Studie der Universität Münster, die 45 Unternehmen während sechs Monaten begleitete – die Angestellten arbeiten zum Beispiel 36 statt 40 Stunden verteilt auf 4 Tage, und das bei gleichem Lohn. Umsätze und Gewinne blieben im Schnitt stabil, das Stresslevel sank. Allerdings funktionierte das Experiment nicht bei allen. So führt etwa eins der teilnehmenden Reisebüros wieder die 5-Tage-Woche ein, weil die Angestellten nach den verlängerten Wochenenden – ausgerechnet dann buchen viele Kunden ihre Reisen – vor einem Berg Arbeit und damit mehr Stress standen.
Ganz anders tönt es bei mehreren deutschen Banken, die Anfang 2024 die 4-Tage-Woche eingeführt haben. Nicht nur die Krankheitstage hätten sich reduziert, es habe auch keine einzige Person gekündigt, sagte einer der Verantwortlichen in einem Beitrag bei «Bloomberg». Zudem erhalte man fünfmal mehr Bewerbungen als zuvor. In Zeiten von Fachkräftemangel kann die 4-Tage-Woche also ein entscheidender Pluspunkt sein.
Und in der Schweiz? Prüft aktuell eine Pilotstudie, ob die Einführung der 4-Tage-Woche realisierbar ist. Das Interesse scheint schon mal vorhanden zu sein: In der Sotomo-Teilzeitstudie 2023 fanden 68 Prozent der Befragten, dass wir zu viel arbeiten. Das wiederum führt zu mehr Stress und nachweislich zu weniger Sex. Da hat die japanische Gouverneurin ihre Rechnung schon richtig gemacht.
In dieser Kolumne denken unsere Autorinnen und Autoren jede Woche über das gute Leben nach.
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