Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Neuer Vorschlag zum Rettungsschirm
Ständeräte wollen Stromkonzerne zerschlagen

Ständeräte möchten Stromunternehmen nur dann retten, wenn sie Beteiligungen verkaufen. Kritiker befürchten eine Verscherbelung an ausländische Investoren. Staumauer Muttsee in Linthal während einer Eröffnungszeremonie. (Archivbild)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Am Donnerstag entscheidet der Ständerat über den Rettungsschirm für Stromkonzerne. Der Schirm soll gewährleisten, dass die Stromversorgung in der Schweiz auch dann funktioniert, wenn ein systemkritisches Unternehmen in einen Liquiditätsengpass gerät und keinen Strom liefern kann. Dazu kam es vor einigen Monaten: Die Alpiq ersuchte den Bund kurz vor Weihnachten wegen der Folgen explodierender Strompreise um eine Finanzhilfe von über einer Milliarde Franken. Am Ende ging es ohne staatliche Hilfe. Doch mit dem Krieg in der Ukraine haben die Risiken zugenommen.

Der Bundesrat will nun vorsorgen, um im Notfall systemkritische Stromunternehmen – Alpiq, Axpo und BKW – mit Darlehen unterstützen zu können. Die Unternehmen müssten sich mit einer jährlichen Pauschale an den Kosten dieser «Versicherung» beteiligen und Transparenzvorschriften einhalten. Nach der Vernehmlassung hat der Bundesrat die Vorschriften etwas gelockert und die Möglichkeiten seiner Einflussnahme eingeschränkt. Doch die Vorlage ist weiterhin umstritten.

Die Kantone sowie die betroffenen Stromkonzerne mit Ausnahme der BKW stehen nun zwar dahinter. Den Unternehmen wäre es im Grunde aber lieber, sie würden – wie dies bürgerliche Ständeräte vorgeschlagen haben – im Bedarfsfall per Notrecht gerettet, ohne sich an den Kosten der Staatsversicherung beteiligen zu müssen.

Bundesrat soll über die Bücher

Nun beantragt eine Gruppe bürgerlicher Ständeräte die Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat mit dem Auftrag, eine neue zu erarbeiten. Im Antrag ist jedoch nicht von Rettung ohne Bedingungen die Rede. Im Gegenteil: Gefordert werden strengere Bedingungen. Der Bund soll Stromunternehmen nur dann unterstützen können, wenn diese alle möglichen Sanierungsmassnahmen ausgeschöpft haben. Explizit genannt werden Eigenkapitalerhöhungen sowie Veräusserungen von Beteiligungen und Vermögensgegenständen (Devestitionen).

Um Geld vom Staat zu erhalten, müssten die Unternehmen – die heute zu grossen Teilen im Besitz von Kantonen und Gemeinden sind – also Beteiligungen und Produktionsanlagen abstossen. Dabei könnten auch ausländische Investoren zum Zug kommen. Sobald ein Unternehmen staatliche Unterstützung erhält, soll ein Nachlassverfahren eröffnet werden. Dann übernimmt der Bund das Zepter, Eingriffe in die Geschäftstätigkeit wären zulässig. Die betroffenen Firmen würden also regelrecht zerschlagen.

Doch sollen die Stromkonzerne bereits jetzt – vorbeugend – Beteiligungen und Produktionsanlagen verkaufen? Oder erst dann, wenn ein Liquiditätsproblem vorhanden ist? Die erste Variante bezeichnen Kritiker als unsinnig. Es handle sich um gesunde Unternehmen, sagt der Thurgauer SVP-Ständerat und Axpo-Verwaltungsrat Jakob Stark. Der Vorschlag sei ordnungspolitisch bedenklich. Die Bedingungen für Staatshilfe müssten zwar «angemessen unattraktiv» sein. Doch mit dem Vorschlag gemäss dem Rückweisungsantrag würde sich der Staat zu stark einmischen.

Die zweite Variante ist aus Sicht der Kritiker unrealistisch. Gemäss Fachleuten kann eine Milliardenspritze innerhalb von 24 bis 48 Stunden nötig sein. Das Abstossen von Beteiligungen würde viel zu lange dauern, sagt der Solothurner SP-Ständerat Roberto Zanetti. Da könne man auch gleich auf eine gesetzliche Regelung verzichten. «Im Übrigen wäre die Pflicht zur Devestition und Veräusserung von Beteiligungen ein erster Schritt zur Zerschlagung unserer Stromunternehmen. Verbunden mit der Gefahr einer Verscherbelung wichtiger Infrastrukturen an ausländische Investoren oder Staatsfonds.»

Existenzrecht als Unternehmen verwirkt?

Der Graubündner FDP-Ständerat Martin Schmid will seinen von Mitte- und SVP-Ständeräten mitunterzeichneten Antrag nicht so verstanden wissen. Er wolle lediglich sicherstellen, dass die Unternehmen und ihre Eigentümer mit Blick auf ein drohendes Nachlassverfahren jetzt alles dafür täten, zukünftige Liquiditätsengpässe zu verhindern, sagt Schmid. Er selber sitzt im Verwaltungsrat der vom Rettungsschirm nicht betroffenen Engadiner Kraftwerke.

In einem marktwirtschaftlichen System könne das auch bedeuten, Beteiligungen abzustossen, Eigenkapital zuzuführen, bei Banken Darlehen aufzunehmen oder die Absicherungsgeschäfte zu reduzieren. Die Risiken seien seit dem Alpiq-Fall bekannt. Komme es trotzdem zu einem für die Unternehmen nicht lösbaren Liquiditätsproblem, sei dies ein Zeichen dafür, dass das Geschäftsmodell nicht funktioniere. Ein Unternehmen, das auf Staatshilfe angewiesen sei, müsse sich «grundlegend verändern».

Fest steht: Stimmt der Rat für Rückweisung, führt dies zu einer weiteren Verzögerung. Eine erste entstand dadurch, dass das Geschäft in der Sommersession nur im Ständerat traktandiert wurde. Energieministerin Simonetta Sommaruga hätte es von beiden Räten behandeln lassen wollen, damit der Rettungsschirm möglichst rasch bereitsteht.