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Neuer Milliardenplan
Der Rettungsschirm des Bundesrats für Stromkonzerne steht

Strom ist zentral für das Funktionieren unseres Alltags. Entsprechend wäre ein grossflächiger Stromausfall wegen eines Liquiditätsengpasses bei einem der grossen Stromproduzenten ein Problem. 
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Am 22. Dezember kam Alpiq gehörig ins Schleudern. So stark, dass das Unternehmen den Staat um eine Liquiditätsspritze von über einer Milliarde Franken ersuchte. Zwar war diese am Ende nicht nötig. Doch der Schrecken sass tief im Bundesrat. Darum will er nun einen Rettungsschirm. Das sind die wichtigsten Punkte. 

Warum braucht es einen Rettungsschirm?

Die Strompreise schwanken derzeit so stark wie noch nie, auch wegen des Ukraine-Krieges. Das kann zu Liquiditätsproblemen, Produktionsausfällen und im schlimmsten Fall zu einem Systemkollaps führen. Dazu könnte es kommen, wenn einer der grossen Stromproduzenten in der Schweiz – Axpo, BKW und Alpiq – kein Geld mehr hätte, um am Handel teilzunehmen, und deshalb, so die Befürchtung, die Produktion ins Wanken geriete. Dieses Szenario ist wohl nicht sehr wahrscheinlich, doch der Bundesrat will auf einen solchen Ausfall vorbereitet sein. Der Rettungsschirm soll die Schweiz vor einem Versorgungsproblem mit fatalen Konsequenzen bewahren. Der Bundesrat wolle rechtzeitig vorkehren und einen Flächenbrand verhindern, sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga vor den Medien. 

Warum können steigende Preise Stromkonzernen Probleme bereiten?

Wenn die Stromproduzenten ihren Strom zu hohen Preisen verkaufen können, ist das für sie positiv. Doch bei steigenden Preisen steigt auch der Liquiditätsbedarf. Im Stromhandel müssen Sicherheiten hinterlegt werden. Die Idee dahinter: Falls ein Stromproduzent nicht die gewünschte Menge an Strom liefern kann, müsste der Käufer kurzfristig den Strom an einem anderen Ort einkaufen. Steigen die Preise, müssen höhere Sicherheiten hinterlegt werden. Im Fall eines starken Preisanstiegs, wie er etwa durch einen russischen Lieferstopp für Gas entstehen könnte, kann sich der Liquiditätsbedarf der Stromunternehmen innerhalb von Stunden so stark erhöhen, dass sie nicht rechtzeitig genug Sicherheiten hinterlegen können, um weiterhin mit Strom zu handeln.

Was plant der Bundesrat nun konkret?

Der Bundesrat will 10 Milliarden Franken bereitstellen, um im Notfall systemkritische Stromunternehmen mit Darlehen unterstützen zu können. Dafür braucht es gesetzliche Grundlagen, in welchen die Bedingungen für Notkredite verankert sind. Dazu gehören Transparenzvorschriften für die Firmen. Benötigen die Unternehmen ein Darlehen, dürfen sie keine Dividenden ausschütten.

Um die Kosten, die dem Bund entstehen, teilweise zu decken, sollen die Unternehmen eine jährliche Pauschale von 10 bis 20 Millionen Franken bezahlen. Finanzminister Ueli Maurer verglich das mit einer Versicherungsprämie. Die Darlehen werden marktgerecht verzinst. Der Bund erhebt zudem einen Risikozuschlag auf diese Kredite. Das Ziel dieser strengen Bedingungen: den Rettungsschirm so gestalten, dass er wirklich nur als letzte Möglichkeit zum Zuge kommt.

Die Kantone erstatten dem Bund die Hälfte allfälliger Verluste auf Darlehen. Dafür werden sie zu 50 Prozent an den Einnahmen aus dem Risikozuschlag beteiligt. Das Gesetz ist auf Ende 2026 befristet; danach sollen neue Massnahmen greifen.

Wie hat der Bundesrat auf Kritik an den Plänen reagiert?

Vor allem die betroffenen Stromfirmen übten in der Vernehmlassung Kritik. Die BKW lehnte den Rettungsschirm ab, Axpo und Alpiq kritisierten die Bedingungen. Der Bundesrat hat die Kritik teilweise berücksichtigt. Die Stromunternehmen sollen nun doch nicht verpflichtet werden, vorab einen Vertrag mit dem Bund auszuhandeln. Darlehen würden gegebenenfalls mittels Verfügung gesprochen.

Dem geplanten Gesetz sind die systemkritischen Unternehmen aber unterstellt, sofern sie nicht auf eine gleichwertige kantonale Liquiditätsunterstützung zählen können. Weiter hat der Bundesrat die Transparenzpflichten für die betroffenen Unternehmen etwas gelockert, die Möglichkeiten seiner Einflussnahme eingeschränkt und den Risikozuschlag gesenkt. 

Was sagen die betroffenen Firmen?

Axpo begrüsst die Anpassungen, die der Bundesrat vorgenommen hat, wünscht aber weitere Änderungen. Die Konditionen seien nach wie vor unverhältnismässig, schreibt der Konzern. Unter anderem fordert Axpo, dass die Unterstellung unter den Rettungsschirm freiwillig erfolgt. Auch gehen Axpo die Transparenzvorschriften noch immer zu weit.

Alpiq zeigt sich in einer ersten Stellungnahme zufrieden damit, dass der Bundesrat die Vorlage angepasst hat. «Mit der Vorlage für einen Schutzschirm ist Alpiq im Grundsatz einverstanden», heisst es vonseiten des Konzerns. Die Botschaft sei deutlich ausgewogener als der Vorschlag, der in die Vernehmlassung geschickt wurde. Aber ganz zufrieden ist man beim Stromkonzern nicht. In Detailfragen bestehe sicherlich noch Diskussionsbedarf. 

Ganz anders die BKW, sie lehnt den Rettungsschirm weiterhin ab. «Aufgrund ihrer Bilanz- und Finanzierungssituation sieht die BKW auch in der aktuell herausfordernden Lage auf den Energiemärkten keine Risiken auf sich zukommen, die sie nicht aus eigener Kraft stemmen könnte», so ein Sprecher. Die BKW erachte den Rettungsschirm nach wie vor als unzulässigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit. 

Gibt es im Ausland vergleichbare Pläne?

Auch andere Länder bereiten sich vor. Deutschland hat beschlossen, 100 Milliarden Euro bereitzustellen. Ausserdem hat der deutsche Bundestag eine Gesetzesänderung beschlossen, die die Möglichkeit einer Treuhandverwaltung oder einer Enteignung von Unternehmen mit kritischen Infrastrukturen vorsieht. Bereits mussten Unternehmen Staatshilfe beanspruchen: Frankreich versorgte im März die staatliche Electricité de France mit zusätzlichem Kapital, in Deutschland musste sich die Firma Uniper im Januar 12 Milliarden Euro organisieren. 

Wie geht es weiter?

Das Geschäft geht nun ins Parlament. Bundesrätin Simonetta Sommaruga wollte den Rettungsschirm möglichst schnell durchs Parlament bringen, per dringlichem Verfahren. Beide Räte sollten das Geschäft in der Sommersession behandeln. Doch die Ratsbüros sträuben sich dagegen. Im Nationalrat ist das Geschäft nun nicht traktandiert. Vorgesehen ist eine Beratung im Ständerat. Die Ständeratskommission befasst sich kommenden Montag mit dem Geschäft. Damit kommt der Rettungsschirm frühestens in der Herbstsession unter Dach und Fach. Falls bis dahin ein Notfall eintritt, würde der Bundesrat laut Sommaruga mit Notrecht reagieren.