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Hilferuf mit Folgen
Alpiq-Gesuch um Staatshilfe: Es ging um über eine Milliarde

Der Stromkonzern Alpiq, der auch am AKW Leibstadt beteiligt ist, bat den Bund um Finanzhilfe. Nun reagiert die Politik. 
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Der Stromkonzern Alpiq spielt die Liquiditätsprobleme herunter, die ihn vor Weihnachten veranlassten, den Bund um Finanzhilfe zu bitten. Man habe das Gesuch um Unterstützung «vorsorglich» eingereicht, schrieb der Konzern. In Geldnot geraten war Alpiq wegen des starken Anstiegs der Energiepreise – mit Folgen für die nötige Absicherung von Risiken. Einen Betrag wollte das Unternehmen vergangene Woche nicht nennen. Laut gut informierten Kreisen ging es um über eine Milliarde Franken.

Weil sich Anfang Januar die Marktsituation etwas entspannte, zog Alpiq das Gesuch zurück. Expertinnen und Experten gehen aber davon aus, dass die Energiepreise volatil bleiben. Die weitere Entwicklung sei ungewiss, sagt Nadine Brauchli vom Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE). Markus Flatt vom Beratungsunternehmen EVU Partners sagt: «Die Situation ist etwas entschärft, da Kraftwerke wie Leibstadt wieder in Betrieb sind. Das Marktpreisrisiko ist aber nicht vom Tisch.»

Versorgungssicherheit in Gefahr?

Für Politikerinnen und Politiker stellt sich deshalb die Frage: Müsste der Bund einen Stromkonzern retten, wenn es nötig werden sollte? Um die Frage zu beantworten, müsste man wissen, was im Fall eines Konkurses passieren könnte, sagt SVP-Nationalrat Christian Imark. Vor allem gelte es zu klären, ob Liquiditätsprobleme die Versorgungssicherheit gefährdeten.

Imark will in der nationalrätlichen Energiekommission anregen, mittels eines Vorstosses Antworten des Bundesrates auf diese Fragen zu erhalten. Für ihn ist klar: Wenn die Versorgungssicherheit gefährdet wäre, müsste der Bund handeln – mit einem Darlehen oder einer ähnlichen Vorgehensweise wie damals bei der Rettung der UBS.

SP-Nationalrat Eric Nussbaumer stellt fest, Alpiq sei entweder ein Fehler unterlaufen, oder der Konzern habe spekuliert und sich verzockt, indem er zwecks grösserer Gewinne bei den Termingeschäften die Risiken ungenügend abgesichert habe. Ein Überbrückungsdarlehen des Bundes könnte er sich vorstellen, eine Rettung nur dann, wenn tatsächlich öffentliche Interessen im Spiel seien. Das sei fraglich, denn die Kraftwerke des Konzerns würden im Fall eines Konkurses gekauft und weiterbetrieben.

Mit Blick auf die Versorgungssicherheit hält Nussbaumer vor allem die im Stromversorgungsgesetz vorgesehene strategische Reserve für wichtig, die Energieversorger künftig halten sollen. Die Pflicht zu Reserven könnte auch verhindern, dass ein Stromkonzern bei Liquiditätsproblemen die Stauseen frühzeitig leert, um zusätzlichen Strom verkaufen zu können.

«Wir müssen das fundamental anders regeln. Der Bund muss eine viel stärkere Rolle erhalten.»

FDP-Ständerat Martin Schmid, VR-Präsident der Engadiner Kraftwerke

Über das Stromversorgungsgesetz wird sich Ende Januar die Energiekommission des Ständerates beugen. Für FDP-Ständerat Martin Schmid, Verwaltungsratspräsident der Engadiner Kraftwerke, steht fest: «Wir müssen bei diesem Gesetz nachbessern.» Seit der teilweisen Marktöffnung sei nicht mehr klar, wer überhaupt die Verantwortung für die Versorgungssicherheit trage.

Heute trügen alle ein wenig Verantwortung – die Energieversorger, die Elektrizitätskommission, die Kantone, der Bund – «niemand ist richtig verantwortlich». Gemäss dem geltenden Gesetz sind in erster Linie die Energieversorger zuständig. In einem teilweise freien Markt könne das aber nicht ihre Rolle sein, sagt Schmid. «Wir müssen das fundamental anders regeln. Der Bund muss eine viel stärkere Rolle erhalten.»

Neue Regeln könnten auch auf anderer Ebene nötig werden. Aus Sicht von Energieexperten muss sich der gesamte europäische Markt auf eine veränderte Situation einstellen. Dass die Preise um das Zehnfache gestiegen seien, habe bei allen Energieversorgern zu einem enormen Liquiditätsbedarf zur Absicherung ihrer Gegenparteirisiken geführt, sagt Markus Flatt vom Beratungsunternehmen EVU Partners. Im Falle von Konkursen drohe eine Kettenreaktion. «Alle Akteure werden ihr Risikomanagement auf diese neue Situation einstellen müssen», sagt Flatt.

Braucht es für Stromkonzerne strengere Eigenmittelvorschriften, wie sie nach der Bankenkrise beschlossen wurden? Der emeritierte Bankenprofessor und «Too big to fail»-Experte Urs Birchler sieht mehr Unterschiede als Parallelen. Bei Bankenkonkursen drohe ein Zusammenbruch des Zahlungsverkehrs, gibt er zu bedenken. Bei Stromkonzernen sehe er kein vergleichbares Problem. Es sei an den Aktionären, dafür zu sorgen, dass genügend Kapital vorhanden sei, sagt Birchler. «Nur weil ein Unternehmen etwas Systemrelevantes produziert, ist noch lange nicht der Bund für Pannenhilfe zuständig.» Im Grunde müsse der Bund erst dann eingreifen, wenn die normalen Mechanismen der Insolvenzbewältigung nicht funktionierten.

Dass Alpiq um Staatshilfe ersucht hat, erstaunt Birchler. Und er sieht es als Anzeichen dafür, dass es sich nicht bloss um ein kurzfristiges Liquiditätsproblem handelte. «Warum konnte sich der Konzern nicht am Markt oder bei den Banken Geld beschaffen? Warum hat er nicht mit den Eigentümern eine Lösung gefunden?», fragt der Experte. Hinzu kommt, dass hinter den Alpiq-Aktionären schweizerische Versorger und damit mehrheitlich staatliche Akteure stehen: Kantone und Städte. Das Gesuch um Bundeshilfe wirft also auch föderalistische Fragen auf.

Der Bund geht nach dem Alpiq-Gesuch jedenfalls nicht zur Tagesordnung über. Abklärungen sind bereits eingeleitet, wie das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) auf Anfrage schreibt: «Der Bund prüft kurzfristige Massnahmen innerhalb des geltenden Rechts, um bei einer Wiederholung rasch reagieren zu können, sowie langfristig, ob es neue Regeln oder Vorgaben in diesem Bereich braucht, um solche Situationen in Zukunft möglichst zu verhindern.»