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Interview zur Energiewende
«Alle müssen Kompromisse eingehen, auch die Naturschützer»

«Das Parlament muss nun wirklich Gas geben», sagt Axpo-Verwaltungsratspräsident Thomas Sieber.
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Die Axpo hat im ersten Halbjahr 500 Millionen Franken Gewinn gemacht – trotz oder wegen der Verwerfungen am Energiemarkt?

Es ist uns gelungen, trotz dieser beispiellosen Verwerfungen ein gutes Ergebnis zu erzielen. Geholfen hat uns die Diversifikation unseres Geschäftes, namentlich das internationale Handelsgeschäft hat einmal mehr ein ausgezeichnetes Ergebnis erzielt. Von den hohen Strompreisen haben wir noch wenig profitiert, da wir den Strom auf drei Jahre im Voraus verkaufen.

Dann braucht es den Rettungsschirm, mit dem der Bundesrat Stromkonzernen bis zu 10 Milliarden Franken an Darlehen gewähren will, also gar nicht?

Doch. Wir müssen zwei Bereiche trennen: Profitabilität und Liquidität. Wir haben im ersten Halbjahr profitabel gewirtschaftet. Allerdings haben die finanziellen Sicherheitsleistungen, die Unternehmen wie wir an der Strombörse hinterlegen müssen, aufgrund der Preissteigerungen massiv zugenommen. Dank eines guten Liquiditätsmanagements konnten wir diese Aufgabe bis jetzt gut meistern. Trotzdem: Es besteht nach wie vor ein systemisches Restrisiko von Liquiditätsengpässen in ganz Europa.

Die Axpo sagt jedoch nur «Ja, aber» zum Rettungsschirm, über den der Ständerat am Donnerstag befindet.

Die Vorlage des Bundesrats geht uns punktuell zu weit. Der Rettungsschirm soll für alle offen stehen, nicht nur für einen letztlich willkürlich definierten Kreis von Stromunternehmen. Zudem wollen wir unsere Bücher nicht präventiv offenlegen müssen, sondern nur, falls wir den Rettungsschirm tatsächlich in Anspruch nehmen müssen.

Befürchten Sie, dass der Staat zu viel über die Axpo-Geschäfte erfährt?

Wir haben kein Interesse, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben, wir stehen im Wettbewerb, auch international. Unser Anliegen ist daher legitim.

Mit dem guten Halbjahresergebnis steigen die Chancen, dass die Axpo eine Dividende ausschütten kann. In den letzten beiden Jahren waren es je 80 Millionen Franken. Wie viel erwarten Sie heuer?

Das lässt sich noch nicht abschätzen.

Die Axpo-Eigner, also die Nordostschweizer Kantone, haben in Aussicht gestellt, heuer auf eine mögliche Dividende zu verzichten. Was tut die Axpo mit dem Geld?

Es ist denkbar, dass wir einen Teil eines etwaigen Verzichts in den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz investieren. Den Rest würden wir gerne für die Entschuldung der Axpo einsetzen. Die enormen Liquiditätsabflüsse haben unter dem Strich die Verschuldung erhöht.

Die Axpo steht seit Jahren in der Kritik, vor allem im Ausland zu investieren statt in der Schweiz.

Es braucht beide Engagements. Seit 2013 hat die Axpo 70 Prozent aller Investitionen in der Schweiz getätigt, sei das in die Sicherheit der Kernenergie, in die Wasserkraft, in Biomasse, Netze oder Solarenergie. Diese Kritik blendet zudem aus, dass die Auslandaktivitäten geholfen haben, das inländische Geschäft über Wasser zu halten, etwa 2015 und 2016, als die Strompreise sehr tief waren.

Viel Geld floss davon allein in die Sicherheit von Beznau, etwa 2,5 Milliarden Franken. Welche Folgen haben die hohen Strompreise für den Weiterbetrieb von Beznau?

Die hohen Strompreise helfen uns tendenziell, Beznau weiterhin wirtschaftlich betreiben zu können.

«Die Kernenergie spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Energiewende.»

Trotzdem: Ist 2030 nach 60 Jahren Laufzeit definitiv Schluss?

Es gibt kein Abschaltdatum. Beznau läuft so lange, wie es die Atomaufsichtsbehörde Ensi als sicher einstuft. Zudem muss der Betrieb wirtschaftlich sein. Wir sind daher darauf angewiesen, dass die Rahmenbedingungen vernünftig bleiben. Damit meine ich vor allem die Beiträge, die wir in den Stilllegungs- und Entsorgungsfonds einzahlen müssen. Kommen dort neue Begehrlichkeiten in Milliarden- oder dreistelliger Millionenhöhe, ist die Wirtschaftlichkeit des Werks gefährdet.

Die Beiträge steigen, weil man immer genauer weiss, was Stilllegung und Entsorgung kosten werden.

Die nachträglichen Anpassungen an den Kostenanalysen sind für uns nicht immer nachvollziehbar, es darf keine übertriebenen Sicherheitszuschläge geben. Die Politik darf hier nicht willkürlich reinreden. Wir dürfen nicht vergessen: Die Kernenergie spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Energiewende. Sie verschafft uns die nötige Zeit, den Umbau des Energiesystems zu schaffen.

Sie kritisieren Sommarugas Departement Uvek, das die voraussichtlichen Kosten festlegt?

Es geht nicht um einzelne Akteure. Ich möchte einfach darauf hinweisen, dass wir gute Rahmenbedingungen brauchen, um Beznau wirtschaftlich weiterbetreiben zu können.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist das Stromabkommen mit der EU, das nach dem Aus für das Rahmenabkommen in weite Ferne gerückt ist. Müsste es der Bundesrat separat verhandeln?

Ein Stromabkommen ist wünschenswert. Es würde uns besser in den europäischen Markt integrieren und den Stromimport garantieren. Wir müssen uns aber darauf einrichten, dass wir mittelfristig ohne Abkommen auskommen müssen und trotzdem lukrativ Stromhandel betreiben können. Es braucht deshalb in erster Linie die technischen Einzelabkommen über grenzüberschreitende Kapazitäten zwischen Swissgrid und den benachbarten Versorgern. Also eine Art Stromabkommen light, das nicht ans Rahmenabkommen gekoppelt ist.

Gehen wir ins Inland: Die Axpo rechnet in ihren Szenarien mit einem massiven Zubau des Solarstroms. Wie will die Axpo diesen Zubau beschleunigen?

Unsere Tochterfirma CKW investiert in den nächsten Jahren massiv in die Fotovoltaik. Bereits heute gehen täglich zwei PV-Anlagen ans Netz. Das ist eine gute Dynamik. CKW wird bis 2030 bis zu einer Milliarde in neue Projekte verschiedener Technologien investieren.

Das reicht für rund 165’000 Haushalte, das ist nicht viel.

Es ist klar, mit kleinteiligen Fotovoltaikanlagen allein kommen wir nicht ans Ziel. Es braucht dringend Grossprojekte. Aber da fehlt es in der Schweiz nach wie vor an schlanken Bewilligungsverfahren, es fehlt aber auch an den entsprechenden Förderinstrumenten, damit solche Anlagen über Jahrzehnte wirtschaftlich betrieben werden können.

«Die Preise werden nicht so hoch bleiben, sie werden sich wieder normalisieren.»

Die Axpo hat eben in eine grosse Solar-Parkplatzüberdachung in Paris investiert. Das wäre auch in der Schweiz möglich. Verfolgen Sie solche Projekte?

Ja, spruchreif ist aber noch nichts. Der Bundesrat will ja Grossprojekte ausschreiben und in Form einer Auktion vergeben. Das Parlament muss nun wirklich Gas geben: Es sollte den Mantelerlass schnellstmöglich vorantreiben. In der Energiewirtschaft ist 2030 morgen und 2050 übermorgen.

Bundesrätin Sommaruga plant, das Bewilligungsverfahren bei Wind- und Wasserkraftprojekten zu beschleunigen. Reicht das, um in der Schweiz schon bald in grossem Stil zu investieren?

Nein. Die Vorlage berücksichtigt grosse Fotovoltaikanlagen nicht, das muss überarbeitet werden. Es gibt zudem noch keinen Konsens, wie Energieprojekte gegenüber Natur- und Landschaftsschutz gewichtet werden sollen. Alle müssen Kompromisse eingehen, auch die Naturschützer.

Die Linth-Limmern-Fotovoltaikanlage ist ein Musterbeispiel für eine Grossanlage im alpinen Raum. Doch das Vorzeigeprojekt rentiert nicht. Plant Axpo also keine weiteren Grossanlagen?

Wir haben durchaus Ideen. Priorität hat jetzt aber für uns, mit der Politik Rahmenbedingungen zu erarbeiten, um Fotovoltaikgrossanlagen wirtschaftlich zu realisieren. Die erwähnten Auktionen sind eine Option. Das ist aber nicht nur ein Axpo-Thema. Alle Investoren, auch Pensionskassen, müssten sich eigentlich für diese Auktionen starkmachen. Wie das bei der Auktionsbörse in Paris der Fall ist. Da wollen alle mitmachen, Energieprojekte sind attraktiv, auch unsere.

Blenden wir die politischen Hürden für einen Moment aus: Sind Sie der Meinung, die derzeit hohen Energiepreise sind gut für die Energiewende?

Das ist nicht abschätzbar. Die hohen Preise sind vor allem durch politische Entscheide begründet, und natürlich hat der Ukraine-Krieg einen Einfluss auf die hohen Gaspreise. Aber die Preise werden nicht so hoch bleiben, sie werden sich wieder normalisieren; davon gehen wir aus. Für langfristige Projekte wie Linth-Limmern, die für die nächsten 60 bis 80 Jahre gebaut werden, können wir uns nicht an den aktuellen Energiepreisen orientieren.