Fakten zum SchweissWas Sie übers Schwitzen wissen sollten
Warum gut Trainierte früher schwitzen und Botoxinjektionen die Schweissproduktion senken – die wichtigsten Antworten zum Körperschweiss.
Warum schwitzen Menschen unterschiedlich stark?
«Sofern Schweiss verdunsten kann, dient Schwitzen besonders der Thermoregulation», sagt Michael Gekle, ein deutscher Professor für Physiologie. «Die Körperkerntemperatur soll konstant gehalten werden.» Zum Körperkern gehören Gehirn und Rumpfinneres. Wärme entsteht im Stoffwechsel der Zellen; die stoffwechselaktivsten Organe sind Muskulatur und Leber. «Menschen mit viel Muskelmasse produzieren mehr Wärme und müssen auch mehr Wärme abgeben», sagt Stefan Gründer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Physiologie. «Fettgewebe hingegen produziert weniger Wärme als Muskeln.»
Menschen schwitzen stärker bei höherem Gewicht und Grundumsatz sowie bei psychischer Erregung. «Dies regelt der Körper durch Aktivierung des sympathischen Nervensystems», so Michael Fischer, ebenfalls Professor für Physiologie. «Deshalb kommt man in Stress- oder Angstsituationen auch ins Schwitzen.» Zudem ist die Wärmeproduktion von Ernährung, Alter, Geschlecht und Aktivität abhängig. Die Regulation der Schweissbildung im Hypothalamus ist variabel. «Die Regler sind unterschiedlich empfindlich und können früher oder später ‹anspringen›, wobei früher besser ist, dann sind die Temperaturabweichungen geringer», sagt Gekle. «Gut Trainierte schwitzen deshalb früher.»
Warum schwitzen Männer meist mehr als Frauen?
Männer haben in der Regel mehr Muskelmasse. Deshalb ist ihr Energieumsatz im Durchschnitt grösser und damit auch die Wärmebildung, wie der Physiologe Gekle sagt. «Ausserdem muss ein schwerer Mann mehr den Berg hochtragen als eine leichte Frau.» Zudem gibt es einen anderen «Set-Point» im Zwischenhirn. «Bei gleicher Temperatur frieren mehr Frauen und schwitzen mehr Männer», sagt Michael Fischer. Unterschiedliche Mechanismen der Wärmeabgabe lassen sich etwa in der Sauna beobachten. «Während Männer stark schwitzen, bekommen Frauen eher eine hochrote Haut», sagt Physiologe Pontus Persson.
«Adrenalin und Cortisol, die in Stresssituationen freigesetzt werden, erhöhen auch den Grundumsatz und damit die Schweissproduktion», sagt der deutsche Physiologe Stefan Gründer. «Da Frauen oft anders auf Stress reagieren, kann dies zu ihrer verringerten Schweissproduktion beitragen.»
Zudem senken im ersten Teil des Zyklus Östrogene den Grundumsatz und damit die Körpertemperatur, während das Progesteron in der zweiten Phase des Zyklus den Grundumsatz und damit die Basaltemperatur erhöht. Vermehrtes Schwitzen ist die Folge. In den Wechseljahren führt der Rückgang der Östrogene zu Schwankungen der Körpertemperatur und zu Hitzewallungen.
Warum schwitzen viele Menschen beim Essen?
«Bei Verdauung, Resorption und Speicherung der Nahrung entsteht Wärme, die rausmuss», sagt Physiologe Gekle. «Von der Energie eines Schnitzels gehen beispielsweise 25 Prozent als Wärme verloren, wenn das Eiweiss aus der Nahrung als Kohlenhydrate gespeichert wird.» Zudem stimuliert heisses Essen Wärmerezeptoren im Magen. «Somit ‹denkt› der Körper, dass er überhitzt, obgleich eine heisse Tasse Tee oder ein Teller Suppe an der Temperatur des Körpers natürlich so gut wie nichts ändert», sagt Ralf Brandes, Chef des Instituts für kardiovaskuläre Physiologie der Uni Frankfurt.
Scharfes Essen stimuliert ebenfalls die Wärmerezeptoren, sodass «scharf» vom Körper als «heiss» wahrgenommen wird und der Mensch anfängt zu schwitzen. Das in vielen scharfen Gewürzen enthaltene Capsaicin aktiviert die Wärmesensoren und wird als zunehmende Wärme interpretiert.
In vielen Regionen ist die Nahrung an die Temperaturen angepasst. In warmen Gegenden werden deshalb heisse Getränke getrunken. Durch das Schwitzen sinkt die Körperkerntemperatur, und die Menschen können länger einer körperlichen Tätigkeit nachgehen, ohne zu überwärmen.
Kann man trainieren, weniger zu schwitzen?
Schwitzen verhindern zu wollen, kann kein Ziel sein, es wäre sogar kontraproduktiv, weil mit diesem lebensnotwendigen Mechanismus die Körpertemperatur reguliert wird.
«Die maximale Schweissproduktion eines Erwachsenen liegt bei etwa zwei Litern pro Stunde», sagt Physiologe Gründer. «Je höher die Luftfeuchtigkeit, desto schwieriger wird es jedoch, mittels Verdunstung Wärme abzugeben.» Bei besserem Trainingszustand führe man sportliche Aufgaben effektiver aus und produziere weniger Abwärme, erklärt Ralf Brandes. Man schwitzt nicht so stark. «Gleichzeitig trainiert man bei regelmässigem Sport auch die Schweissproduktion, sodass Ausdauertrainierte bei maximaler Belastung mehr schwitzen als Untrainierte.» Wer oft in die Sauna geht, wird ebenfalls mehr und bei niedrigerer Körpertemperatur schwitzen. «Die Schwelle für das Schwitzen sinkt», sagt Pontus Persson.
Was «hilft» sonst gegen Schwitzen?
Um weniger zu schwitzen, ist es hilfreich, die Nähe zu kühlen Wänden und Wasser zu suchen, um die Wärmeabgabe durch Strahlung zu fördern. Zudem produziert der Körper weniger Wärme, wenn man weniger aktiv ist, sich zur Siesta zurückzieht und den Schatten aufsucht.
«Natürlich helfen auch luftige Kleidung und Luftzug, damit Schweiss schnell verdunstet», sagt Ralf Brandes. «In trockener Luft geht das besser als in feuchter.» Leidet jemand unter starkem Schwitzen, kann die Schweissproduktion mit Botoxinjektionen für Wochen gesenkt werden. Ins Gesicht gespritzt, lähmt das Gift die Nervenversorgung der Muskeln und lässt diese erschlaffen. Unter die Achseln gespritzt, hemmt es Innervation und Aktivierung der Schweissdrüsen.
Warum schwitzt man nach dem Sport mehrere Minuten nach?
«Man schwitzt nicht Minuten, sondern Stunden nach», korrigiert Physiologe Persson. Bei sportlicher Aktivität steige die Körpertemperatur zunächst auf hohe Werte, bevor die Thermoregulation priorisiert werde. «Ein Marathonläufer kann eine Körperkerntemperatur von 41 Grad Celsius haben, wenn er durchs Ziel läuft.» Bis die Temperatur wieder im Sollbereich von etwa 36,7 Grad ist, kann es dauern. So lange schwitzt man. «Nachdem der Körper beim Sport Wärme gespeichert hat – er erwärmt sich schliesslich –, braucht er Zeit, bis die gespeicherte Wärme wieder draussen ist», sagt Physiologe Gekle.
Auf einen weiteren Aspekt weist Ralf Brandes hin: «Das System ist recht langsam, da wir an der Oberfläche schwitzen, die Wärme aber im Inneren entsteht», so der Physiologe. «Umgekehrt dauert es ja auch ein paar Minuten zu Beginn des Sports, bis man schwitzt.»
Wenn man erhitzt ist und dann duscht, schwitzt man nach einer kalten oder nach einer warmen Dusche stärker?
«Objektiv schwitzt man nach einer kalten Dusche mehr», sagt Physiologe Gekle. «Subjektiv kann leichtes Nachschwitzen jedoch nach einer warmen Dusche verstärkt wahrgenommen werden.» Der Grund dafür, dass man nach einer kalten Dusche stärker schwitzt, hat mit den Blutgefässen in der Haut zu tun. «Bei einer kalten Dusche kontrahieren sich die oberflächlichen Arteriolen und reduzieren damit den weiteren Wärmeverlust», sagt Michael Fischer. «Einem wird schneller wieder warm, wenn einem vorher kühl war, Schwimmer machen dies häufig.» Wenn man erhitzt ist und abkühlen möchte, sollte die Wassertemperatur am Ende des Duschens daher nicht besonders kalt sein.
Warum verändert sich der Schweissgeruch mit den Jahren?
Mit dem Alter kann sich die Menge der Schweissbildung verändern, ebenso der Anteil apokriner «Duftdrüsen» im Verhältnis zu den ekkrinen Drüsen, den eigentlichen Schweissdrüsen. Apokrine Drüsen sind an Haarfollikel gebunden und finden sich besonders unter den Achseln und im Schambereich; sie bestimmen hauptsächlich die persönliche Duftnote. «Verantwortlich für den wahrnehmbaren Geruch ist aber das Mikrobiom der Haut», sagt Michael Gekle. «Hierbei spielen Hormonumstellungen und der Untergang von Schweissdrüsen eine Rolle.» Das ist der Grund, warum Babys geradezu duften, sogar an den Füssen.
Sich mit dem Alter verändernde Ess- und Sportgewohnheiten können den Schweissgeruch beeinflussen. Auch bei Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Typ 2, bei Leber- oder Nierenleiden sowie Schilddrüsenunterfunktion kann sich der Schweissgeruch verändern. «Diese Krankheiten nehmen im Alter zu, und dies könnte den veränderten Schweissgeruch bei älteren Menschen erklären», sagt Stefan Gründer. «Ursache ist aber nicht das Alter an sich.»
Riecht Angstschweiss anders als «normaler» Schweiss?
«Angstschweiss ist etwas anders zusammengesetzt als Thermoschweiss», sagt Physiologe Gekle. «Der psychogen induzierte Schweiss wird mehr von apokrinen Drüsen getragen, der thermoregulatorische mehr von ekkrinen Drüsen.» Der jeweils gebildete Schweiss unterscheidet sich zudem abhängig davon, welche flüchtigen – und riechenden – Komponenten das Mikrobiom beisteuert. Da sich die Psyche längerfristig auf die Haut und deren natürliche Bakterienbesiedlung auswirkt, kann die Stimmung auch die individuelle Duftmarke prägen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.