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Krise erreicht das Schweiz-Geschäft
Schweizer Kundschaft zieht mehr als ein Viertel ihrer Einlagen von der Credit Suisse ab  

Zu optimistische Aussagen von CS-Präsident Axel Lehmann zur Entwicklung der Kundengelder haben zwischenzeitlich die Finma auf den Plan gerufen. Die Bank muss dringend ein Mittel finden, um die Abflüsse zu stoppen. 
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Es war ein Rettungspaket mit gewaltigen Dimensionen: Rund 66 Milliarden Dollar liessen sich der Bundesrat und die Schweizerische Nationalbank im Jahr 2008 die Stützung der UBS kosten. Zum einen konnte die schlingernde Grossbank US-Ramschhypotheken im Wert von 60 Milliarden Dollar in eine Bad Bank auslagern. Zum anderen zeichnete der Bund eine Wandelanleihe der Bank im Wert von 6 Milliarden Franken.

Nach der Finanzkrise waren sich Politik und Wirtschaft einig. Eine solche Hauruckaktion des Staates wie bei der UBS sollte nie mehr passieren. Dazu wurde in den vergangenen Jahren viel Arbeit aufgewendet. Seit der Finanzkrise haben UBS und die Credit Suisse (CS) Milliarden in zusätzliches Kapital und den Umbau der Organisation gesteckt.

Geht eine systemrelevante Bank in Konkurs, sollen «Too big to fail»-Regeln dafür sorgen, dass das Schweizgeschäft abgetrennt wird. Dazu gehört etwa, dass im Ernstfall das Einlagen- und Kreditgeschäft sowie der Zahlungsverkehr weiter funktionieren. Damit soll verhindert werden, dass beim Konkurs einer Grossbank die gesamte Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. In der Schweiz, wo die Grösse des Bankensektors die Wirtschaftsleistung des Landes weit übersteigt, hätte das potenziell fatale Auswirkungen. 

Jetzt, 15 Jahre später stellt, sich die Frage nach der Bankenrettung erneut. Diesmal betrifft es die Credit Suisse. Nach diversen Skandalen kämpft die kriselnde Grossbank um das Vertrauen ihrer Kundschaft. Insgesamt 123 Milliarden Franken haben diese im vergangenen Jahr von der Bank abgezogen. Die Bank hat bislang kein Mittel gegen die Abflüsse gefunden. Sie hätten sich zwar auf viel tieferem Niveau stabilisiert, schreibt die Bank im am Dienstag veröffentlichten Geschäftsbericht. Das bedeutet: Eine Trendwende hat bislang nicht stattgefunden. 

Die Vertrauenskrise hat längst das als systemrelevant geltende Geschäft auf dem Schweizer Heimmarkt erreicht. Bislang galt dieses stets als sicherer Hafen im Konzern. Im November versuchte Credit-Suisse-Schweiz-Chef André Helfenstein zwar die Situation zu beruhigen. Im Interview mit dieser Zeitung sagte er, die Kundenvermögen hätten sich stabilisiert. Nur «insgesamt ein Prozent der Vermögensbasis» sei in der Division Swiss Bank, also beim Schweiz-Geschäft, abgeflossen.

Diese Aussagen erwiesen sich jedoch als zu optimistisch. Im Februar musste die Grossbank bekannt geben, dass allein in der Schweiz Kundinnen und Kunden im vierten Quartal 8,3 Milliarden Franken ihrer verwalteten Gelder abgezogen hatten. Interviews dazu von CS-Präsident Axel Lehmann hatten in der Folge kurzzeitig die Finanzmarktaufsicht (Finma) auf den Plan gerufen.

Kundschaft hat in der Schweiz massiv Einlagen abgezogen

Nun zeigt der am Dienstag separat veröffentlichte Jahresbericht der Schweizer CS-Tochter das ganze Ausmass der Abflüsse. Diese sind dramatisch: Innerhalb eines Jahres haben Kundinnen und Kunden rund 28 Prozent ihrer Einlagen von der Grossbank abgezogen. Das sind rund 51 Milliarden Franken. Dringend benötigter Cash, der der kriselnden Grossbank nun fehlen könnte.

Kundeneinlagen umfassen verschiedene Gelder. Neben klassischen Sparkonten gehören Angaben der CS zufolge, auch Girokonten oder Termineinlagen von Privat- und Firmenkunden dazu. Wie viel die Bank verlassen hat ist unklar. Ein Teil wurde laut CS in andere Anlagen umgeschichtet. Sicher ist aber auch, andere Banken haben von enttäuschten CS-Kunden und -Kundinnen profitiert. Zu den Gewinnern gehören etwa Raiffeisen und die Zürcher Kantonalbank.

Die Abflüsse haben die Bilanz der Schweizer Division schrumpfen lassen. Ende 2022 betrug sie 215,4 Milliarden Franken, ein Jahr zuvor waren es noch 253,4 Milliarden gewesen. Und das in einem Jahr, in dem Konkurrenten wie UBS, Kantonalbanken und Raiffeisen von der Zinswende und steigenden Immobilienpreisen profitiert haben.

«Too big to fail» fehlt der Praxistest 

Unmittelbar existenzbedrohend ist das nicht. Trotz der Abflüsse ist die Credit Suisse immer noch mit ausreichend Kapital und Liquidität ausgestattet. Im Ernstfall ausschlaggebend, damit die «Too big to fail»-Regeln ins Spiel kommen, ist die Kapitalisierung der Grossbank. Hier liegt die CS immer noch über den regulatorischen Mindestanforderungen der Finma. Das sogenannte harte Kernkapital für die Gruppe insgesamt betrug per Ende Jahr 14,1 Prozent. Bei der Schweiz-Tochter lag der Wert bei 13,2 Prozent.

Zwar ist der Staat nicht mehr wie vor der Finanzkrise unmittelbar in der Pflicht, eine systemrelevante Bank zu retten. Doch das grosse Problem der «Too big to fail»-Regulierung: Sie wurde bislang keinem Praxistest unterzogen. Laut dem Financial Stability Board, einem Gremium, dem die wichtigsten internationalen Finanzmarktaufsichten angehören, musste noch nie eine globale systemrelevante Bank, wie es UBS und CS sind, abgewickelt werden. Dagegen wurden bei einer Reihe von Bankenpleiten, wie etwa bei der Banca Monte dei Paschi di Siena in Italien, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Findet daher die CS kein Mittel, die Geldabflüsse zu stoppen, könnte auch hierzulande die Frage nach einer Rettung der Grossbank durch den Staat wieder lauter werden.