Psychologische KriegsführungWie der Kreml Köpfe und Herzen der Europäer gewinnen will
Das FBI enthüllt russische Desinformationskampagnen in Europa. Ein besonders leichtes Ziel sei Deutschland.
Seit Beginn von Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine ist Deutschland ein zentrales Land für die russische Desinformation. Von welchen Überlegungen sich die Propagandisten Moskaus leiten lassen, beschreibt die amerikanische Bundespolizei FBI anhand von russischen Dokumenten, die nun zu einer Anklage gegen russische Personen und Organisationen geführt haben.
Der 277-seitige FBI-Bericht thematisiert die psychologische Kriegsführung des Putin-Regimes in Europa und vor allem in Deutschland. Gemäss dem FBI sollen die Desinformationskampagnen beim Publikum rationale und emotionale Reaktionen auslösen. Zum Beispiel: «Wirklich, warum müssen wir der Ukraine helfen?» Oder auch: «Die Amerikaner sind solche Dreckskerle.»
Solche Reaktionen, die sich russische Propagandisten gemäss eigenen Dokumenten erhoffen, sollen die ¨öffentliche Meinung im Sinne Russlands beeinflussen. Die Kreml-Propaganda verfolgt mehrere Ziele: die Unterstützung für die Ukraine schmälern, das Bild von USA und Nato schädigen und nicht zuletzt kremlfreundliche Parteien wie die AfD unterstützen. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Putins Chefpropagandistin will USA destabilisieren».)
Kreml-Einfluss auf Politiker und Meinungsmacher
Die Kreml-Propaganda zielt gemäss dem FBI darauf ab, die Köpfe und Herzen der Europäer für sich zu gewinnen. Dabei konzentriert sie sich vor allem auf Deutschland, das nach den USA der grösste Unterstützer der Ukraine ist. Zudem: In Deutschland verfangen die Einflussoperationen Russlands recht gut. Mit der AfD und dem Wagenknecht-Bündnis hat es Verbündete. Im FBI-Bericht wird Deutschland als besonders leichtes Ziel der Propaganda bezeichnet.
Als wichtige russische Organisation der Desinformation nennt das FBI die Social Design Agency (SDA). Diese konzentriert sich auf deutsche, französische, italienische und britische Politiker, vor allem aus Rechtsaussen- und Linksaussenparteien, ebenso auf Geschäftsleute und Medienschaffende sowie andere Personen mit Einfluss. Als Politiker mit guten Russland-Verbindungen gilt Maximilian Krah, Europaparlamentarier der AfD.
AfD soll mit allen Mitteln unterstützt werden
In einem Dokument, das die FBI-Ermittler der Social Design Agency zuschreiben, heisst es, man wolle «die internen Spannungen in den mit den Vereinigten Staaten verbündeten Ländern verschärfen», um die Interessen Russlands auf internationaler Bühne zu fördern. So unterstütze man die AfD «mit allen Mitteln», indem man das «Bild von Märtyrern» schaffe, «die für die Demokratie und die nationalen Interessen Deutschlands leiden». Dies sollte etwa mit der Verbreitung gefälschter Videos oder Websites erreicht werden.
In einem weiteren Dokument der Social Design Agency wird laut FBI eine Operation mit der Bezeichnung «Internationale Konfliktverursachung» beschrieben, die speziell auf Frankreich und Deutschland ausgerichtet ist. Ihr Ziel: «Interne Spannungen eskalieren (…), um die Interessen der Russischen Föderation zu fördern.» Dabei sollten über gefälschte Medientexte, Influencer sowie gezielte Posts und Kommentare in sozialen Medien «reale Konflikte beeinflusst und Konfliktsituationen künstlich geschaffen werden».
Gemäss dem FBI handelt die Social Design Agency im Auftrag von Sergei Kirijenko, dem stellvertretenden Stabschef des russischen Präsidenten Putin. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Desinformation vor Europawahlen».)
Fake News auf Telegram, X und Instagram
Russische Desinformationskampagnen operierten laut FBI auch mit Websites, die echte Fakten verwenden, um diese mit Falschinformationen zu ergänzen. Oder sie klonten Websites von Qualitätsmedien, um gefälschte Artikel und Inhalte zu verbreiten, die so aussahen, als stammten sie von westlichen Publikationen. Betroffen waren zum Beispiel die «Süddeutsche Zeitung», der «Spiegel», «Le Monde» oder auch die Nachrichtenagentur Reuters.
Bei solchen Operationen registrierten die russischen Drahtzieher Domains, die jenen etablierter Medien nachempfunden waren. Zudem erstellten sie Profile bei Facebook, Instagram und X (vormals Twitter), legten Telegram-Kanäle an, verbreiteten Petitionen und schalteten Werbung auf Facebook und Instagram. Auf den ersten Blick sehen solche Medienauftritte verblüffend echt aus. Sie erreichen ein Millionenpublikum, weil Plattformen wie X wenig bis nichts gegen die russischen Desinformationskampagnen unternehmen.
Das vom FBI aufgedeckte russische Propagandanetzwerk um die Social Design Agency ist nur eines von unzähligen. Schon vor einiger Zeit erlangte die von Jewgeni Prigoschin gegründete Trollfabrik in St. Petersburg Bekanntheit, im letzten April flog das in Prag ansässige Propagandaprojekt «Voice of Europe» des ukrainischen Oligarchen und Putin-Verbündeten Wiktor Medwedtschuk auf.
Und erst diese Woche machte das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) in Berlin ein weiteres prorussisches Netzwerk publik. Dieses macht auf X Stimmung gegen die Ampelregierung und gegen die Ukraine.
In Postings heisst es etwa: «Es ist skandalös, wie viel Geld Deutschland an die Ukraine verschwendet.» Oder: «Die steigenden Strompreise machen mir grosse Sorgen, ich habe Angst um meine Arbeit.» Die Beiträge machen den Anschein, als würden sie von empörten oder besorgten Menschen stammen. Tatsächlich, so Cemas, handle es sich um Aktivitäten der russischen Propaganda.
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