Regierungskrise in ParisFrankreichs Regierung steht kurz vor dem Aus
Premier Michel Barnier zwingt seinen Budgetentwurf durchs Parlament und sieht sich nun mit einem Misstrauensantrag konfrontiert.
Die französische Regierung, im Amt seit weniger als drei Monaten, hängt nur noch an einem Faden. Stürzt sie am kommenden Mittwoch, wie es nun den Anschein hat, wäre sie die kürzeste Regierung, die Frankreich seit Beginn der Fünften Republik bisher hatte, also seit 1958.
Zum Verhängnis wird dem konservativen Premier Michel Barnier wahrscheinlich das Haushaltsgesetz für 2025, es ist ein unpopuläres Sparbudget mit höheren Steuern und Kostensenkungen in der öffentlichen Verwaltung, das nötig wurde, weil die Staatsfinanzen ausser Kontrolle geraten sind. Frankreich hat rekordhohe Schulden und ein Defizit, das im laufenden Jahr ungefähr 6 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes beträgt.
Le Pen senkt den Daumen
Barnier hatte also keine andere Wahl, er musste einen Sparetat hinlegen. Doch genauso absehbar war, dass er damit kaum durchs Parlament kommen würde, wo das Regierungslager aus Zentristen und Republikanern weit entfernt ist von einer absoluten Mehrheit – es verfügt nur über rund 215 Stimmen in der Nationalversammlung, nötig wären aber mindestens 289.
Barnier hat nun am Montag einen Teil des Budgets mit dem sogenannten «49.3» verabschiedet, einem Exekutivdekret, wie es die französische Verfassung für solche Fälle vorsieht – ohne Abstimmung im Parlament. Das wiederum eröffnete der Opposition die Möglichkeit, einen Misstrauensantrag gegen die Regierung zu stellen.
Das kündigten nun sowohl die radikal linke La France insoumise von Jean-Luc Mélenchon wie auch die extreme Rechte von Marine Le Pens Rassemblement National gleich im Anschluss des «49.3» an. Am Mittwoch wird über die Anträge abgestimmt. Stimmen die Lepenisten, die Barnier bisher still geduldet hatten, zusammen mit der ebenfalls geschlossenen Linken, stürzt Barniers Regierung.
Le Pen schien am Montagabend sehr entschlossen zu sein, jeden möglichen Misstrauensantrag zu unterstützen, der zur Abstimmung gelange. Das Budget, sagte sie, sei «zutiefst ungerecht». Barnier war ihr in einem Punkt entgegengekommen: Er hatte die neue Energiesteuer, die dem Staat 3 Milliarden Euro hätte einbringen sollen, wieder aus dem Programm gestrichen. Doch das reichte ihr nicht aus.
Und nun: Was macht Macron?
Was nun passieren würde, sollte Barnier tatsächlich am Ende sein, ist völlig offen. Staatspräsident Emmanuel Macron, der gerade auf Besuch in Saudiarabien ist, müsste einen neuen Premier finden, der in kurzer Zeit ein neues Budget ausarbeitete, damit das Land nicht ohne Haushalt dastünde und die Finanzmärkte in Aufregung versetzte. Allerdings haben die vergangenen Monate gezeigt, dass die Parteien im Parlament sich noch immer weigern, über ideologische Grenzen hinweg Kompromisse zu schustern, wie das für eine tragfähige Regierung notwendig wäre. Seit den vorgezogenen Parlamentswahlen vom vergangenen Sommer blockieren sich drei ungefähr gleich grosse Blöcke gegenseitig in der Assemblée Nationale.
Möglich wäre deshalb die Berufung einer parteilosen Expertenregierung, wie das die Italiener in solchen Fällen kennen. Doch auch darin hat Frankreich keine Erfahrung. Es gibt deshalb erneut Stimmen, die Macron auffordern, von seinem Amt zurückzutreten, um die Blockade zu lösen. Er hatte sie mit der Auflösung des Parlaments am 9. Juni selbst ausgelöst. Allerdings machte Macron bisher immer klar, dass er nicht demissionieren würde. Und zwingen kann ihn niemand.
Fehler gefunden?Jetzt melden.