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Firmeninterne Untersuchung
Mobbing und sexuelle Belästigung: Diese Rechte haben Opfer und Beschuldigte

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Wann gibt es interne Untersuchungen?

Betriebe leiten interne Untersuchungen ein, um Missstände aufzuklären und zu beheben. Auslöser für solche Untersuchungen können Mobbing, sexuelle Belästigung, Vetternwirtschaft, Insiderhandel, Verletzung von Arbeitspflichten und anderes rechtswidriges oder unethisches Verhalten am Arbeitsplatz sein. Am Anfang einer Untersuchung geht es in der Regel um Vorwürfe und Verdachtsmomente. Dabei lässt sich nicht ausschliessen, dass jemand fälschlicherweise beschuldigt wird oder dass die Vorwürfe weniger gravierend sind als zunächst kolportiert. Deshalb müssen sowohl die Rechte von Opfern wie auch jene von angeschuldigten Personen gewahrt werden, was solche Untersuchungen zu einer heiklen Gratwanderung macht.

Die Zahl firmeninterner Untersuchungen habe in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, sagt Roger Rudolph, Professor an der Universität Zürich und Co-Autor eines Standardwerks zum Arbeitsrecht. Dies nicht zuletzt bei öffentlichen Verwaltungen oder Institutionen, wo jeweils von «Administrativuntersuchungen» die Rede ist. Für Unternehmen und Institutionen geht es dabei auch um die Reputation. Mit einer Untersuchung durch externe Experten signalisieren sie, dass mögliche Missstände seriös abgeklärt werden.

Welche Folgen hat ein solches Verfahren?

Ein internes Verfahren ist insbesondere für die Beschuldigten eine schwere Belastung. Denn dieses kann zu einer Kündigung oder im schlimmsten Fall gar zum Karriereende führen. Das Verfahren ist mit Ungewissheiten verbunden und kann sich über mehrere Monate in die Länge ziehen – je nachdem, wie komplex der Fall ist oder wie viele Personen involviert sind.

Bei einer internen Untersuchung müssen auch Verfahrensrechte für Beschuldigte berücksichtigt werden.

Dürfen beschuldigte Personen die Aussage verweigern?

Wer in einer internen Untersuchung beschuldigt wird, muss Fragen beantworten. Anders als in einem Strafverfahren gibt es bei Aussagen, mit denen sich eine beschuldigte Person selber belastet, grundsätzlich kein Verweigerungsrecht. Das leitet sich aus der arbeitsrechtlichen Treuepflicht ab, zu der sich Angestellte vertraglich verpflichten.

Doch bei den Fragen darf es grundsätzlich nur um Fehlverhalten am Arbeitsplatz gehen. Zu privaten Problemen, welche die berufliche Tätigkeit nicht tangieren, müssen Beschuldigte also in der Regel keine Stellung beziehen. Ausnahmen gibt es etwa bei Kaderangestellten in Toppositionen oder Angestellten in speziellen Funktionen. «Da die berufliche Integrität bei Kaderangestellten in Toppositionen einen höheren Stellenwert hat, müssen sie eine stärkere Berücksichtigung des Privatlebens hinnehmen», sagt Rudolph.

Angeschuldigte haben kein ausdrückliches Anrecht darauf, an einer internen Befragung mit einem Anwalt teilzunehmen. Auch das hängt aber von der individuellen Ausgangslage ab: Wenn mehrere spezialisierte Fachleute eine solche Befragung durchführen, ist der Beistand durch einen Anwalt angebracht, um ungleiche Kräfteverhältnisse zu vermeiden.

Wenn sich eine angeschuldigte Person in einem internen Verfahren weigert, Fragen zum Fehlverhalten am Arbeitsplatz zu beantworten, droht eine ordentliche Kündigung oder im schlimmsten Fall nach einer Abmahnung sogar eine fristlose Kündigung.

Die Pflicht, Aussagen zu machen, birgt zudem ein Risiko: Ein Unternehmen könnte diese Aussagen in einem anschliessenden Strafverfahren verwenden. Doch nach Ansicht von Roger Rudolph dürfen Gerichte Aussagen aus einem internen Verfahren in einem Strafprozess nicht zulasten des Beschuldigten verwenden, da sonst das strafrechtliche Aussageverweigerungsrecht ausgehebelt werden könnte.

Monthey le 16 mai 2011, plusieurs employes du CRTO licencies se plaignent de mobbing

Darf ein Opfer anonym bleiben?

In einem Entscheid vom 19. Januar 2024 ist das Bundesgericht zum Schluss gekommen, dass das Opfer anonym bleiben darf und die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall die beschuldigte Person auch nicht vorgängig über den Inhalt der Vorwürfe informieren musste. In diesem Verfahren wurde einem Bankdirektor sexuelle Belästigung vorgeworfen.

Das Bundesgericht stützte sich unter anderem auf einen Fachbeitrag von Roger Rudolph. Darauf angesprochen, bezeichnet dieser den Bundesgerichtsentscheid als ein «Ärgernis». Denn die Richter hätten nur einen Teil seiner Folgerungen berücksichtigt. Tatsächlich zieht Rudolph nicht den gleichen Schluss. «Ich bin in Bezug auf die Anonymisierung dezidiert anderer Meinung als das Bundesgericht», sagt er sogar.

Rudolph betont, dass er durchaus Verständnis dafür habe, ein Opfer zu schützen. Dennoch müsse es im Grundsatz so sein, dass eine beschuldigte Person erfahre, mit welchen Vorwürfen sie von wem belastet werde. Auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit einer Person, die gegenüber anderen Angestellten Vorwürfe erhebt, müssen erlaubt sein. Denn sonst wären grundlose Anschuldigungen mit gravierenden Folgen für die Betroffenen möglich.

Laut Roger Rudolph soll die beschuldigte Person in der Regel also den Namen der Person erfahren, die Vorwürfe erhoben hat. Anonymisierungen sind zulässig, müssen aber die Ausnahme bleiben. Dies etwa, wenn dem Opfer durch die Namensnennung schwerwiegende Nachteile drohen. Eine Pflicht der Arbeitgeberin, die Befragung von Belastungszeugen in Anwesenheit der beschuldigten Person zu wiederholen, geht für Rudolph dagegen zu weit. Hingegen sollte der beschuldigten Person im Verlauf der Untersuchung das Recht zugestanden werden, Ergänzungsfragen an Zeugen zu unterbreiten.

Haben Beschuldigte Recht auf Akteneinsicht?

Eine Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, einer beschuldigten Person vorgängig alle Beweismittel vorzulegen. Doch im Verlauf eines internen Verfahrens haben Betroffene Anspruch darauf, dass ihnen die Aussagen vorgelegt werden und dass sie zu den Vorwürfen Stellung beziehen können. «Schwärzungen müssen die Ausnahmen sein und sind auf das Notwendige zu beschränken», sagt Rudolph.

Beschuldigte dürfen auch in den Schlussbericht der Untersuchung Einsicht nehmen, soweit es um das Verhalten der betroffenen Person geht. Punktuelle Schwärzungen und Anonymisierungen sind hier ebenfalls ausnahmsweise erlaubt, sofern sie auf das Notwendige beschränkt bleiben.

Was müssen Unternehmen beachten?

Um eine faire Untersuchung sicherzustellen, ist es unerlässlich, dass Unternehmen sowohl Vorwürfe von Opfern ernst nehmen als auch den Beschuldigten übliche Verfahrensrechte einräumen. Nur so ist eine seriöse Untersuchung mit glaubwürdigen Ergebnissen möglich. Geht ein Unternehmen allzu rigide gegen eine Partei vor und bevorteilt eine andere, drohen ihm auch rechtliche Folgen.