Treffen der Nato-AussenministerWas, wenn Trump die Ukraine-Hilfe streicht und Selenski zum Verhandeln zwingt?
Die Nato diskutiert Szenarien eines Waffenstillstands. Und debattiert hinter den Kulissen, wer wie viele Soldaten stellen würde, um die Frontlinien zu sichern.

- Der neue US-Präsident Trump könnte die Unterstützung für die Ukraine einstellen und Kiew zu Verhandlungen zwingen.
- Die Europäer müssten die Hauptlast der Schutztruppe tragen, Unterstützung von Saudiarabien wäre denkbar.
- Selenski erwägt Teilmitgliedschaft der Ukraine in der Nato als Sicherheitsgarantie.
Zwar sind die Durchhalteparolen nicht verstummt, doch die Akzente verschieben sich gerade. Die bevorstehende Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus hat ihren Schatten auf das Treffen der Nato-Aussenminister in Brüssel geworfen. Was, wenn Trump seine Drohungen wahr macht, die Unterstützung für Kiew einstellt und die Ukraine an den Verhandlungstisch zwingt?
Das Szenario geht so: Wladimir Putin und Wolodimir Selenski einigen sich kriegsmüde beziehungsweise unter Druck der USA auf einen Waffenstillstand. Jemand müsste die Frontlinie überwachen, auch als Sicherheitsgarantie für die Ukraine. Dass Donald Trump US-Soldaten dafür abgibt, ist eher unwahrscheinlich. Die Europäer müssten wohl den grössten Teil der Schutztruppe stellen, möglicherweise verstärkt durch Kontingente aus Saudiarabien oder Indien.
Diskussionen hinter den Kulissen
Hinter den Kulissen haben die Diskussionen unter den Verbündeten bereits begonnen. Wer stellt wie viele Soldaten, und könnte Deutschland aufgrund seiner Geschichte abseitsstehen? Frankreich, Polen und die baltischen Staaten könnten vorangehen, wollen die Aufgabe aber nicht allein stemmen. Auch Selenski hat in den letzten Tagen neue Signale gesetzt. Die Ukraine müsste vorerst auf die russisch kontrollierten Gebiete verzichten. Im Gegenzug verlangt der Präsident eine Einladung in die Nato, zumindest für die von Kiew kontrollierten Gebiete. Eine Teilmitgliedschaft im Bündnis wäre für die Ukraine die einzige Sicherheitsgarantie, die einigermassen verlässlich ist. Putin werde es nicht wagen, ein Nato-Mitglied anzugreifen. Die Beistandspflicht würde nicht für die russisch besetzten Gebiete gelten.
Das geteilte Deutschland wäre das historische Vorbild. Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1955 Mitglied im Bündnis, das Gebiet der DDR erst nach der Wiedervereinigung nach dem Fall der Mauer Jahrzehnte später. Ausgerechnet in Berlin tut man sich aber schwer, der Ukraine in der Frage einer Teilmitgliedschaft entgegenzukommen. Andere halten Diskussionen über Szenarien nach einem möglichen Waffenstillstand ohnehin für verfrüht oder überhaupt verfehlt. Damit werde Richtung Moskau das falsche Signal gesendet. Derzeit sehe es ohnehin nicht danach aus, dass Wladimir Putin an einem Waffenstillstand interessiert sei.

Der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte warnte vor öffentlichen Spekulationen. Die Ukraine müsse mit Blick auf mögliche Verhandlungen zuerst in eine Position der Stärke gebracht werden. Der Niederländer hatte auch eine deutliche Botschaft an die Adresse des künftigen US-Präsidenten: Mark Rutte warnte in einem Interview mit der «Financial Times» Donald Trump eindringlich vor den Sicherheitsrisiken, auch für die USA, sollte die Ukraine zu einem «schlechten Deal» mit Moskau gezwungen werden. Ein Diktatfrieden werde die USA und Europa schwach erscheinen lassen, heisst es am Sitz des Bündnisses. Nur eine starke Ukraine könne am Verhandlungstisch einen fairen Deal erzielen.
Die Allianz der Autokratien
Hinzu kommt die wachsende Rolle der Allianz der Autokratien aus China, dem Iran und Nordkorea als Unterstützer Russlands im Krieg in Europa. Auch das wird am Hauptquartier der Nato gern als Mahnung Richtung Donald Trump vorgebracht, der sich auf die Rivalität mit China konzentrieren will. Gewinnt Putin, ist das auch ein Sieg für China, das den Aggressionskrieg Russlands unterstützt und damit Einfluss über Moskau gewinnt. Wenn Trump auf China fokussieren wolle, müsse er auch auf Russland schauen, so die Botschaft Richtung Washington. Die Munitionslieferungen oder die 12’000 nordkoreanischen Soldaten sind ebenfalls nicht umsonst. Nordkorea bekommt dafür Geld und Know-how für seinen eigenen Raketenbau, was wiederum die Gefahr einer Eskalation in Asien verstärkt.

Die Verbündeten stehen jedenfalls vor schwierigen Entscheidungen. Auch mit Blick auf die hybriden Angriffe insbesondere in der Ostsee, auf die die Nato bislang keine richtige Antwort hat. Hinter der Sabotage von Datenkabeln, den Störsignalen und Drohnenflügen über Litauens Flughafen oder wichtigen Infrastrukturen vom Baltikum bis nach Westeuropa werden Russland und China vermutet, doch Beweise sind in der Regel schwierig zu erbringen. Eher unwahrscheinlich, dass ein chinesisches Schiff aus Versehen seinen Anker über den Meeresboden zieht und aus Versehen Kabel mitreisst.
Die Angriffe bleiben aber immer unter der Schwelle von Artikel 5, der Beistandspflicht der Nato-Verbündeten. Rutte sprach nach dem Treffen davon, dass die Geheimdienste ihren Informationsaustausch verbessern und den Schutz kritischer Infrastruktur verbessern wollen. Zu mehr reichte der Konsens in Brüssel vorerst nicht. Dabei drängt die Zeit, denn für Joe Bidens Aussenminister Antony Blinken war es bereits der letzte Auftritt vor dem Machtwechsel im Weissen Haus.
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