Kampf gegen InflationDie Negativzinsen sind Geschichte – die Nationalbank erhöht Leitzins auf 0,5 Prozent
Die SNB erhöht den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte und beendet damit die achtjährige Ära der Negativzinsen. Der Entscheid wirkt sich an den Finanzmärkten in einer ersten Reaktion deutlich aus.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hebt den Leitzins erneut an. Die Notenbank erhöht den sogenannten SNB-Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 0,50 Prozent.
Mit dem Schritt wollen die Währungshüter dem erneut gestiegenen Inflationsdruck entgegenwirken, erklärte die SNB am Donnerstag. Zudem soll ein Übergreifen der Teuerung auf bisher weniger betroffene Waren und Dienstleistungen erschwert werden.
Die Nationalbank stellt zudem bereits weitere Zinsschritte in Aussicht. Eine weitere Straffung der Geldpolitik in den nächsten Quartalen sei nicht auszuschliessen, sagte SNB-Präsident Thomas Jordan. Er verwies darauf, dass die jüngste Prognose der Währungshüter ohne eine weitere Straffung Inflationsraten oberhalb des Bereichs der Preisstabilität voraussagt.
Die SNB hatte bereits Mitte Juni die Zinsschraube mit einem Schritt um einen halben Prozentpunkt erstmals seit fünfzehn Jahren wieder angezogen. Seither hat die Teuerung in der Schweiz weiter angezogen. Für den August 2022 wiesen die Statistiker eine Inflation von 3,5 Prozent aus, nach 3,4 Prozent in den Monaten Juni und Juli. Die SNB erwartet für 2022 eine Jahresteuerung von 3,0 Prozent (siehe Infobox).
Damit sind die Negativzinsen der SNB nach beinahe acht Jahren Geschichte. Die Notenbank hatte diese am 18. Dezember 2014 eingeführt, zuerst mit einem Zins von -0,25 Prozent. Im Januar 2015 wurde der Leitzins mit der Aufgabe des Euro-Mindestkurses auf das rekordtiefe Niveau von -0,75 Prozent gesenkt.
US-Notenbank weit voraus
Als einer der Vorreiter der geldpolitischen Wende gilt die US-Notenbank Fed, die ihren Leitzins bereits fünf Mal seit Beginn der Coronavirus-Pandemie erhöht hat, das letzte Mal am Vorabend. Der US-Leitzins liegt nun bei einer Spanne von 3,00 bis 3,25 Prozent.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wiederum hatte vor zwei Wochen zur Bekämpfung der Rekordinflation die grösste Zinserhöhung ihrer Geschichte beschlossen. Der Leitzins im Euroraum stieg um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent.
Die Schweizer Notenbank betonte am Donnerstag ausserdem ihre Absicht, bei Bedarf weiterhin am Devisenmarkt aktiv zu sein. Die SNB hatte 2021 für 21,1 Milliarden Franken Fremdwährungen gekauft. Jordan bekräftigte die erstmals vor drei Monaten geäusserte Absicht, möglicherweise auch Devisen zu verkaufen. Die SNB sitzt auf einem gewaltigen Berg an Devisenreserven – angehäuft während der Verteidigung des 2015 aufgegebenen Euro-Mindestkurses und danach zur Schwächung des Franken.
«Um die monetären Bedingungen angemessen zu gestalten, sind wir weiterhin bei Bedarf bereit, am Devisenmarkt aktiv zu sein», sagte Jordan. Das Szenario der SNB für die Weltwirtschaft unterliege aber bedeutenden Risiken, betonte er. Sollte sich der Franken übermässig aufwerten, wäre die SNB weiterhin bereit, Devisen zu kaufen.
SMI dreht ins Plus – Franken deutlich schwächer
An den Finanzmärkten hierzulande wirkt sich der Zinsentscheid der SNB in einer ersten Reaktion deutlich aus. Während die Aktien die frühen Verluste zuerst deutlich abbauen und dann ins Plus drehen, büsst der Franken sowohl gegenüber dem Euro als auch dem Dollar markant an Wert ein.
So ist der Euro von einem neuen Allzeittief am Morgen bei 0,9465 über die Marke von 96 Rappen geklettert, was einem Sprung von rund anderthalb Rappen entspricht. Der US-Dollar ist gleichzeitig auf deutlich über 97 Rappen gestiegen. Laut der ZKB dürften für die Abwertung des Frankens enttäuschte Erwartungen verantwortlich sein. Im Vorfeld der geldpolitischen Lagebeurteilung hätten manche ein noch forscheres Vorgehen der SNB erwartet.
Für die VP Bank ist die Beendigung der Negativzinspolitik ein «historischer Moment». Die Wortwahl im Pressetext sei zudem ungewöhnlich. Denn entgegen der sonst üblichen Zurückhaltung der SNB mit Prognosen, schliesse sie diesmal weitere Zinserhöhungen explizit nicht aus.
Da der starke Franken der SNB derzeit bei der Inflationsbekämpfung helfe, lasse sie zudem weiterhin Kommentare zur Franken-Bewertung weg, schliesse weitere Interventionen am Devisenmarkt aber nicht aus.
Der SMI notiert um 09.55 Uhr 0,26 Prozent höher bei 10'456,18 Punkten, wogegen andere europäische Börsenplätze wie Frankfurt, London oder Paris weiterhin im negativen Terrain verharren.
Der Euro kostet aktuell 0,9613, nachdem er im frühen Geschäft noch ein Allzeittief von 0,9465 markiert hatte. Ein Sprung um anderthalb Rappen in die Höhe ist doch sehr ungewöhnlich. Der US-Dollar klettert gleichzeitig auf 0,9770 Fr., am Morgen wurde er noch zu 0,9622 gehandelt.
SNB erwartet Folgen auf Häusermarkt
Die Nationalbank geht davon aus, dass die heutige Zinserhöhung Folgen auf den Hypothekar- und Immobilienmarkt haben wird. «Ausblickend dürfte die Straffung der Geldpolitik auch zu einer Entspannung der Risikosituation beitragen», sagte SNB-Vizepräsident Martin Schlegel am Donnerstag anlässlich der geldpolitischen Lagebeurteilung.
Er räumte ein, dass dies bislang nicht der Fall gewesen sei. «Die Zinsentwicklung hatte bisher wenig Auswirkungen auf das Wachstum am Hypothekar- und Immobilienmarkt», so Schlegel. So seien die Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen weiter gestiegen. Auch das Hypothekarvolumen habe weiter zugenommen.
Ein möglicher Grund für diese Entwicklungen liegt laut Schlegel darin, dass die effektiven Zinskosten für Immobilienkäufe aufgrund der Verschiebung von Festhypotheken zu Saron-Hypotheken nur leicht gestiegen sind.
Immerhin habe es zuletzt Anzeichen für eine Abschwächung im Segment der Wohnrenditeliegenschaften gegeben. «Die verfügbaren Daten für Mehrfamilienhäuser deuten auf einen leichten Preisrückgang im zweiten Quartal hin», sagte Schlegel.
Er erinnerte ausserdem daran, dass per Ende September der antizyklischen Kapitalpuffer reaktiviert wird. Dies solle dazu beitragen, die Widerstandskraft des Bankensystems aufrechtzuerhalten.
SDA/sep
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