Möglicher Verrat im Sinaloa-KartellDer eigene Sohn soll Drogenbaron El Mayo hinter Gitter bringen
Drogenboss Ismael El Mayo Zambada ist in Mexiko gefürchtet. Nun droht ihm Ungemach: Sein Sohn könnte vor einem US-Gericht gegen ihn aussagen. Steht der Mann mit dem Hut vor dem Fall?
- Ismael Zambada, bekannt als El Mayo, war Mitbegründer des Sinaloa-Kartells.
- Sein Sohn, Vicente Zambada, könnte im Prozess gegen El Mayo aussagen.
- Die US-Staatsanwaltschaft hat schwere Vorwürfe gegen den Drogenboss erhoben.
- Ein Schuldspruch wäre ein grosser Erfolg für die US-Justiz.
Wenn die Menschen im mexikanischen Bundesstaat Sinaloa über Ismael El Mayo Zambada sprechen, trauen sie sich meist nicht, seinen Namen zu nennen. Die Rede ist dann von «El Señor del Sombrero»: dem Mann mit dem Hut.
Jahrzehntelang galt El Mayo als der zweitwichtigste Mann im berüchtigten Sinaloa-Kartell, hinter Joaquín El Chapo Guzmán. Zusammen mit Guzmán hatte er die kriminelle Organisation einst gegründet (schauen Sie hier das Erklärvideo zu El Chapo). Jetzt dürfte ihn dasselbe Schicksal ereilen wie seinen einstigen Weggefährten: ein Leben in einem US-Hochsicherheitsgefängnis. Und das durch einen Verrat in der eigenen Familie.
Die Staatsanwaltschaft von New York wirft dem Drogenboss vor, die Produktion und den Vertrieb grosser Mengen von Kokain, Heroin und der synthetischen Droge Fentanyl organisiert zu haben. Um das zu belegen, will sie einen besonderen Zeugen aufbieten: den Sohn des Angeklagten, Vicente Zambada Niebla.
Sagt Zambada Niebla aus, sieht es für den Vater schlecht aus. Zweifellos verfügt El Mayo junior über Insiderwissen. Er war im Sinaloa-Kartell verantwortlich dafür, den Kokaintransport in die USA zu überwachen. 2019 wurde er deswegen in den USA zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Allzu gross ist die Loyalität von Zambada Niebla zum Sinaloa-Kartell nicht mehr. Schon 2019 belastete er im Prozess gegen El Chapo seinen Vater schwer. «Seit ich 13 oder 14 war, wusste ich, dass mein Vater im Drogenhandel tätig war», sagte er. Vicente Zambada sagte weiter, er habe sich mit seinem Vater und El Chapo an geheimen Orten getroffen, um den Drogentransport zu besprechen.
Die Staatsanwaltschaft sagt jetzt, El Mayo junior müsse auch im Prozess gegen seinen Vater kooperieren. Bizarr wirkt dabei, dass Vater und Sohn denselben Strafverteidiger haben. El Mayo selber sagte an einer Anhörung, er wolle den Verteidiger behalten, trotz des offensichtlichen Interessenkonfliktes.
Wie die spanische Zeitung «El País» berichtet, könnten sich die Staatsanwaltschaft und der Drogenboss auf einen Deal einigen. Dass der 77-Jährige daran interessiert ist, scheint klar. Bei einer Verurteilung droht ihm die Todesstrafe.
Eine Aussage des Sohnes wäre nicht der erste Verrat an El Mayo. Es sei ein Sohn seines ehemaligen Weggefährten El Chapo gewesen, der ihn an die US-Justiz ausgeliefert habe. Das sagte der Drogenboss in einem offenen Brief, den er im vergangenen Sommer veröffentlicht hatte.
Chapo junior habe ihn unter einem Vorwand in eine Mehrzweckhalle gelockt. Dort habe man ihn entführt, in ein Flugzeug gezwungen und in die USA verschleppt (lesen Sie hier alles über die Entführung). Bereits dieser Verrat muss den Drogenbaron schwer getroffen haben, galt er Chapos Söhnen doch lange als eine Art Ersatzvater. Chapo junior erhoffte sich von der Entführungsaktion eine Strafminderung.
Seine Macht baute El Mayo subtil aus
Dass El Mayo überhaupt der Prozess gemacht wird, grenzt an ein Wunder. Über Jahrzehnte wurde er gesucht. Weder der mexikanischen Polizei noch den US-Geheimdiensten gelang es in dieser Zeit, den diskreten Drogenbaron zu verhaften.
Über die Biografie von El Mayo ist nur wenig bekannt, Bilder von ihm gibt es nur wenige. Er wurde in El Alamo in Sinaloa geboren und wuchs in bitterer Armut auf. Fast sein ganzes Leben soll er im sogenannten Goldenen Dreieck Mexikos verbracht haben, in dem Grenzgebiet zwischen den mexikanischen Bundesstaaten Sinaloa, Durango und Chihuahua (lesen Sie hier das Porträt von El Mayo).
Die Bewohner seines Geburtsortes El Álamo beschenkte er regelmässig. Er liess Strassen sanieren und Schulhäuser bauen. Die Bevölkerung dankte es ihm, indem sie schwieg.
Seine Macht baute El Mayo subtil aus. Er verhandelte, vermittelte – und bestach reihenweise Polizisten, Richter und Politiker. Der Drogenbaron habe sogar die früheren mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto und Felipe Calderón gekauft, heisst es. Beide haben dies immer energisch dementiert. Doch wer weiss schon, was im mexikanischen Drogensumpf Wahrheit ist und was Lüge.
Ein Schuldspruch gegen den einst mächtigen Drogenbaron wäre für die USA ein grosser Erfolg im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Er käme sicher auch US-Präsident Donald Trump entgegen, der härter gegen Mexikos Kartelle vorgehen will. Er hat das US-Aussenministerium angewiesen, sie neu als «ausländische Terrororganisationen» einzustufen.
Für die lokale Bevölkerung in Mexiko hat sich der Kampf der US-Justiz bislang aber nicht ausgezahlt. El Mayo und El Chapo haben im Sinaloa-Kartell ein Machtvakuum hinterlassen. Eine neue Generation von Kriminellen kämpft um Macht und Einfluss. In den letzten Monaten sind bei internen Abrechnungen über 500 Menschen gestorben, mehr als 600 gelten als verschwunden.
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