Heisses und trockenes Klima Im Mittelmeer gehen vermehrt Fische ins Netz, die niemand essen will
Die ungewöhnlich warmen Temperaturen haben Folgen für Wasser, Ökosysteme und Menschen. Warum Fachleute die Hoffnung trotzdem nicht aufgeben.
Die Sommerferien kommen näher und das Mittelmeer wird auch dieses Jahr zu den wichtigsten Reisedestinationen gehören. Wer nicht genug Wärme kriegen kann, der fährt in den Süden.
Doch die Wärme im Mittelmeerraum ist längst nicht mehr normal. Die Griechen starteten bereits in diesem Juni mit einer der frühesten Hitzewellen seit Beginn der Messungen. Die Temperaturen stiegen in Zentral- und Südgriechenland auf über 40 Grad. Die Behörden von acht italienischen Städten warnten die Bevölkerung vor der Hitze, als sie 39 Grad überstieg.
Überdurchschnittliche Wärme und wenig Regen während Monaten: Die Folge ist eine anhaltende Trockenheit, die die Menschen etwa in Südspanien und Süditalien bereits im Winter und Frühling im Alltag getroffen hat. Das zeigt ein Bericht des Joint Research Centre der Europäischen Kommission.
Die Behörden der spanischen Region Katalonien zum Beispiel schränkten den Wasserverbrauch strikte ein. Die Reserven waren unter 16 Prozent gesunken. Auch in Sizilien war das Wasserangebot der Reservoire auf einem alarmierenden tiefen Niveau. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Nordafrika, namentlich Marokko, Tunesien und Algerien. Marokko leidet seit sechs Jahren unter längeren Dürreperioden. Die Nutzung von Wasser für die Strassenreinigung, die Bewässerung von Pärken und auch teilweise für die Landwirtschaft wurde massiv eingeschränkt.
Aktuelle Daten des europäischen Dienstes für Klimawandel Copernicus zeigen zudem, dass die Temperatur des Meerwassers vor allem im mittleren und östlichen Mittelmeer derzeit im Durchschnitt etwa 2 Grad über dem langjährigen Durchschnitt (1991 bis 2020) liegt.
Das Tourismus-Paradies Mittelmeer ist inzwischen im Fokus des Klimawandels. Friederike Otto, Klimaforscherin am Grantham Institut für Klimawandel und Umwelt am Imperial College in London sagt es so: Die Mittelmeerregion ist ein Hotspot für heisse und trockene Extreme.
Was die Forscherin meint, zeigte sich vor einem Jahr im April mit aller Wucht. Die Temperaturen lagen in Portugal, Marokko, Spanien und Algerien vielerorts 20 Grad über der Norm für diese Jahreszeit. Forschende des World Weather Attribution Service urteilten, dass diese Hitzewelle eine Stärke erreicht hätte, die ohne den Klimawandel nicht möglich gewesen wäre. Das internationale Forschungsinstitut beschäftigt sich seit gut zehn Jahren, den Einfluss des Klimawandels auf Extremereignisse zu analysieren.
Es war heisse Luft aus der Sahara, welche die Rekordhitze brachte. Das hatte auch Auswirkungen auf das Meerwasser des Mittelmeeres: Die Temperatur stieg Ende Juli auf durchschnittlich 28,7 Grad. Eine neue Rekordmarke.
Ausbreitung von Quallen
Hitzewellen im Mittelmeer sind kein neues Phänomen. Messdaten zeigen: Sie sind in den letzten 40 Jahren zehnmal intensiver und viermal häufiger geworden. Der Hauptgrund ist: Die oberen Wasserschichten des Mittelmeeres sind seit den frühen 1980er-Jahren alle zehn Jahre um 0,3 bis 0,45 Grad wärmer geworden, wie es im Bericht des Weltklimarates IPCC heisst. Klimaforschende gehen davon aus, dass sich dieser Trend in dieser Region weiter verschärfen wird.
Mit Konsequenzen für die Ökologie: «Ist das Wasser für mehrere Wochen oder Monate ungewöhnlich warm, kann es zu Massensterben kommen, wie etwa im Sommer 2003 oder 2022», sagt Christian Wild, Leiter der Arbeitsgruppe Marine Ökologie an der Universität Bremen. Betroffen seien dabei sesshafte Arten wie Korallen, Schwämme, Muscheln oder Seegräser. «Zudem begünstigen hohe Temperaturen die Ausbreitung von Quallen sowie invasiver Arten im Mittelmeer», so der Meeresforscher.
Die Biodiversität im Mittelmeer ist vergleichsweise reich trotz der geringen Fläche im Vergleich zu den grossen Ozeanen. Sieben bis zehn Prozent aller bekannten marinen Arten kommen hier vor, viele davon sind endemisch. «Sehr wahrscheinlich werden die typischen Mittelmeerlebensräume wie Seegraswiesen immer mehr durch schnellwüchsige Algen, vor allem Grün- und Braunalgen, überwachsen werden», sagt Christian Wild von der Universität Bremen. Dies hätte gravierende negative Konsequenzen für die Vielfalt an Organismen in diesen Lebensräumen, wie eine Studie seiner Arbeitsgruppe zeigt.
Fischer fangen Arten, die niemand will
Das wiederum betrifft auch den Menschen, der im Mittelmeerraum unter anderem von der Fischerei und vom Tourismus lebt. «Der Verlust einheimischer Seegrasökosysteme kann negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die damit verbundenen Güter und Ökosystemleistungen haben», sagt Pedro Beca-Carretero vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen. Seegras bietet Kleintieren Schutz und Nahrung, gibt aber auch Sauerstoff ins Wasser ab und festigt den Meeresboden. Werden diese Ökosysteme zerstört, hat das Folgen unter anderem für die Fischerei, deren Erträge zurückgingen.
Zudem können sich fremde Arten ausbreiten. So gelangen die Eindringlinge unter anderem durch den Suezkanal ins Mittelmeer, weil sie sich in der wärmeren Umgebung wohlfühlen. «Die Fischer fangen nicht mehr die Arten, die sie früher gefangen haben, sondern invasive Arten, die sie nicht verkaufen können, weil die Menschen nicht gewohnt sind, sie zu essen», weiss Joaquim Garrabou vom spanischen Institut für Marine Forschung.
Auch die Tourismusbranche sei betroffen, sagt der spanische Meeresforscher und blickt dabei in die Zukunft. Er erzählt von den Stränden, die wegen Mikroalgen vorübergehend geschlossen worden seien. Diese Organismen blühen bei hohen Temperaturen auf und geben giftige Stoffe an die Atmosphäre ab. Zudem: «Menschen, die zum Tauchen kommen, um schöne Meereslandschaften zu sehen, könnten enttäuscht werden, da die Meereslandschaften nicht mehr so schön sind wie früher», sagt Garrabou. Es gebe eben auch «eigennützige Gründe, warum die biologische Vielfalt der Meere in einem guten Zustand erhalten bleiben müssen».
Hilfreiche Abkommen wären da
Garrabou hat jedoch die Hoffnung auf Besserung nicht aufgegeben. Er denkt dabei etwa an die verschiedenen Abkommen wie das Pariser Klimaabkommen, den europäischen Green Deal oder das UNO-Abkommen über die biologische Vielfalt, das 2022 in Montreal abgeschlossen wurde. Darin wird festgehalten, dass 30 Prozent der Land- und Meeresfläche der Erde bis 2030 zu Schutzgebieten erklärt werden. Dieses Ziel wird durch einen weiteren Vertrag zum Schutz der Weltmeere, der im letzten Jahr abgeschlossen wurde, bekräftigt. Im Mittelmeer sind etwa acht Prozent der Fläche geschützt.
Es verbleiben allerdings nur etwa sieben Jahre, um dieses ehrgeizige Schutzziel zu erreichen. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass es mit der Umsetzung von UN-Umweltabkommen – abgesehen vom Vertrag zum Schutz der Ozonschicht – stets hapert. Hinzu komme, dass in vielen Schutzgebieten ein gutes Management fehle, sagt der spanische Meeresforscher Joaquim Garrabou. Dabei ist der Erfolg laut Garrabou feststellbar: «Wir sehen, dass sich streng geschützte Gebiete schneller und besser von menschlichen Störungen erholen.» Auch wenn das Meerwasser nicht kühler wird.
Dieser Beitrag entstand mithilfe des Science Media Center, das zum Thema «Hitze im Mittelmeer» Statements von verschiedenen Experten einholte.
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