US-PräsidentschaftswahlBiden nimmt sich aus dem Rennen – Harris will einsteigen und Trump schlagen
Der Druck wurde zu gross: US-Präsident Joe Biden zieht sich aus dem Rennen um die Präsidentschaft zurück. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist passiert?
US-Präsident Joe Biden will bei der Wahl im November nicht länger für eine zweite Amtszeit antreten. Der Demokrat verkündete über die sozialen Medien Instagram, Facebook und X seinen Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen. In den vergangenen Wochen war der 81-Jährige wegen seines Alters und seines mentalen Zustandes in der eigenen Partei massiv unter Druck geraten.
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Für seine Entscheidung erhielt der US-Präsident viel Respekt – aber auch Häme. Hier geht es zu den gesammelten Reaktionen auf Bidens Entscheidung.
Welche Gründe gibt Biden an?
Im Statement heisst es: «Es war die grösste Ehre meines Lebens, Ihnen als Präsident zu dienen. Und obwohl ich die Absicht hatte, mich um eine Wiederwahl zu bemühen, glaube ich, dass es im besten Interesse meiner Partei und des Landes ist, wenn ich zurücktrete und mich für den Rest meiner Amtszeit ausschliesslich auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident konzentriere.» Biden kündigte im Schreiben an, die Gründe für seinen Rücktritt zu einem späteren Zeitpunkt auszuführen.
Wen schlägt er stattdessen vor?
Nur wenige Minuten nach seiner schriftlichen Stellungnahme gab er ebenfalls via Social Media bekannt, dass er von nun an seine Vizepräsidentin Kamala Harris unterstütze: «Heute möchte ich meine volle Unterstützung und Befürwortung für Kamala als Kandidatin unserer Partei in diesem Jahr anbieten. Demokraten – es ist an der Zeit, zusammenzukommen und Trump zu schlagen.»
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Die Entscheidung darüber liegt allerdings bei den Delegierten der Partei aus allen Bundesstaaten. Harris’ Vorteil ist: Sie erscheint auch deshalb als natürliche Nachfolgerin, weil sie die Einzige ist, die direkt auf die Wahlkampfgelder der Biden-Kampagne zugreifen kann, wie es die Regeln zur Wahlkampffinanzierung vorsehen.
Will Harris überhaupt?
Ja. Bidens Stellvertreterin will die Ersatzkandidatin der Demokratischen Partei werden. «Ich fühle mich geehrt, die Unterstützung des Präsidenten zu haben, und ich habe die Absicht, diese Nominierung zu verdienen und zu gewinnen», teilte Harris in einer schriftlichen Stellungnahme mit.
Was sagen die ersten Einschätzungen der Analysten?
Es gibt viel Spekulation über die Art der Kommunikation. Für Beobachter ist es überraschend, dass Joe Biden nicht per TV-Ansprache über seinen Rückzug informiert hat. Es könne sein, dass es mit seiner Covid-Erkrankung zusammenhänge. Auch wenn er in seiner Residenz in Delaware ist, wäre es für einen US-Präsidenten kein Problem gewesen, ein Kamerateam zu organisieren. Relativ sicher sind sich die CNN-Analysten, dass er die Entscheidung selber getroffen hat. Die Mitarbeiter seiner Kampagne hätten erst kurz vorher davon erfahren. Er habe die Kontrolle über den Moment haben wollen.
Joe Biden habe die Entscheidung selber getroffen, sagt auch die CNN-Korrespondentin MJ Lee im Weissen Haus in einer Live-Sendung. So soll er um 1:45 Uhr (Ortszeit) seine engsten Mitarbeiter der Präsidentschaftskampagne informiert haben, eine Minute später ging der Brief auf seinem X-Account online. Sie schliesst daraus, dass es keine Diskussion mit seinen Mitarbeitern gegeben habe, er habe sie einfach über den Schritt informiert. Angesichts seiner sinkenden Umfragewerte in umkämpften Staaten und den Rückzugsaufforderungen von wichtigen Spendern habe er die richtige Entscheidung für das Land getroffen.
In Bidens Umfeld gebe es auch viel Ärger und böses Blut. Unter anderem sind Kampagnenmitarbeiter verärgert, dass wichtige Spender mit der Entziehung der Gelder gedroht hatten. Damit hätten sie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung konstruiert.
Ein Wahlkampfberater sagte gegenüber CNN, Biden habe die endgültige Entscheidung in den letzten 48 Stunden getroffen. Es habe kein abschliessendes persönliches Treffen mit seinen Top-Beratern gegeben. Der Präsident habe die Fakten geprüft und sei zum Schluss gekommen, dass er eine Belastung für das demokratische Ticket wäre.
Was führte zu seinem Entschluss?
Biden war nach einem desaströsen Auftritt bei einem Fernsehduell gegen Ex-Präsident Trump Ende Juni extrem in die Kritik geraten. Während des Schlagabtauschs verhaspelte sich der mächtigste Mann der Welt regelmässig, verlor den Faden, starrte mit offenem Mund ins Leere und konnte häufig seine Sätze nicht richtig beenden. Schon vorher hatte es innerhalb der Demokratischen Partei und in der Bevölkerung wegen Bidens Alter Vorbehalte gegen seine Wiederwahlambitionen gegeben. Doch nach dem Duell entflammte die Debatte über die Eignung Bidens als Präsidentschaftskandidat der Demokraten in ganz neuem Ausmass – und in aller Öffentlichkeit.
Nach der Debatte hatten sich Bidens Umfragewerte noch mal deutlich verschlechtert. Und in seiner eigenen Partei wagte sich einer nach dem anderen vor, um öffentlich Bidens Rückzug aus dem Rennen um die Präsidentschaft zu fordern. Der Präsident selbst versuchte zunächst, sich herauszureden. Seinen schwachen Auftritt begründete er mit Müdigkeit in Folge anstrengender Auslandsreisen. Er habe nicht auf seine Berater gehört und sich übernommen. Bei diversen Auftritten gab er sich trotzig und versicherte ein ums andere Mal, er werde sich nicht zurückziehen. Doch es folgten weitere Patzer. Und am Ende wurde der Druck aus den eigenen Reihen zu gross.
In den vergangenen Tagen hatte sich Biden nach einer Infektion mit dem Coronavirus in sein Privathaus in Rehoboth, Delaware, zurückgezogen und keine öffentlichen Termine absolviert. Während seiner Zwangspause fasste er nun den Entschluss, sich dem Druck seiner Parteikollegen zu beugen.
Was bedeutet das jetzt für die Demokraten?
Die Demokraten müssen nun in kürzester Zeit umsatteln und die Nachfolge regeln. Als Ersatzkandidatin rückte in den vergangenen Wochen mehr und mehr Bidens Stellvertreterin Kamala Harris in den Fokus. Die 59-Jährige war in ihrem Vizepräsidentenamt an der Seite Bidens bislang blass geblieben, bekam angesichts von dessen Schwäche zuletzt allerdings die Unterstützung einer ganzen Reihe wichtiger Parteimitglieder. Die Demokraten nominieren ihren Präsidentschaftskandidaten offiziell bei einem Parteitag in Chicago Mitte August.
Die Republikaner haben ihren Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bei einem Nominierungsparteitag in Milwaukee bereits offiziell gekürt. Biden hatte bis zuletzt immer wieder behauptet, er sei der Einzige, der Trump schlagen könne.
Was sagt Trump?
Auf dem Kurznachrichtendienst Truth Social nahm Donald Trump kein Blatt vor den Mund und schrieb: «Der korrupte Joe Biden ist nicht fit genug, um für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, und er ist sicherlich nicht in der Lage, sein Amt auszuüben – und war es auch nie!»
Er warf Biden vor, «nur durch Lügen, Fake News und indem er seinen Keller nicht verliess» das Amt des Präsidenten erlangt zu haben. Trump beschuldigte ausserdem Menschen, die Biden nahestehen sowie dessen Arzt und die Medien, gewusst zu haben, dass Biden «das Präsidentschaftsamt nicht ausüben kann.»
Gab es so was schon einmal?
Nicht ganz – so spät wie Biden ist noch nie ein voraussichtlicher Präsidentschaftskandidat aus dem Rennen ausgestiegen. Am ehesten zu vergleichen ist sein Schritt mit dem von Präsident Lyndon Johnson, der im März 1968 angesichts des Vietnamkrieges ankündigte, dass er keine weitere Amtszeit anstrebe.
Mit Material der Nachrichtenagenturen DPA und AFP.
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