Neue Bewerber um PräsidentenamtDiese Kandidatinnen und Kandidaten könnten Biden beerben
Nach dem Rückzug von Joe Biden kursieren fünf Namen für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Die grössten Chancen hat Kamala Harris.
Der gesundheitliche Verfall von Joe Biden war zuletzt zu offensichtlich. Nun hat der 81-Jährige am Sonntagabend (MESZ) seinen Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen bekannt gegeben. Der Druck aus der eigenen Partei war zu gross geworden. Die Debatte über eine andere Kandidatur der Demokraten hatte Ende Juni nach dem desaströsen Auftritt von Biden im TV-Duell gegen Donald Trump Fahrt aufgenommen. Seither kursieren in den US-Medien die Namen von möglichen Ersatzkandidatinnen und -kandidaten.
Nebst Bidens Stellvertreterin, Kamala Harris, werden am häufigsten drei Gouverneure und eine Gouverneurin genannt – diese gelten gleichzeitig als mögliche Kandidaten für die Vizepräsidentschaft. Entscheiden werden die Demokraten an ihrem Nominierungsparteitag, der vom 19. bis 22. August in Chicago stattfinden wird. Das ist die Liste denkbarer Ersatzkandidierender:
Kamala Harris
Die Chancen sind gross, dass Kamala Harris die Kandidatur Bidens übernimmt. Der US-Präsident selbst hat in seiner Mitteilung zu seinem Rückzug seine Stellvertreterin als Präsidentschaftskandidatin vorgeschlagen. Gegenüber Biden hat Harris Vorteile in drei entscheidenden Wählergruppen: bei den Frauen, bei den Afroamerikanern und bei den bislang Unentschlossenen.
Die 59-jährige Vizepräsidentin hat zwar viele in der Partei enttäuscht, sie ist aber landesweit bekannt. Ausserdem hätte sie Zugang zu den Wahlkampfgeldern der Biden-Kampagne und könnte auf einer bestehenden Wahlkampforganisation aufbauen. Als Biden-Vize hat sie bereits in den letzten Monaten intensiv Wahlkampf gemacht – vor allem im Rahmen einer Kampagne für das Abtreibungsrecht, die sie kreuz und quer durchs Land geführt hat. Damit hat sie bereits in einem der zentralen Wahlthemen an Profil gewonnen.
Gemäss einer Umfrage der Nachrichtenagentur AP und des Meinungsforschungsinstituts Norc trauen rund 60 Prozent der demokratischen Wählerinnen und Wähler der bisherigen Vizepräsidentin das Präsidentenamt zu. Befragt man nicht nur Demokraten, sondern auch andere Wählerinnen und Wähler, sind etwa 50 Prozent negativer Meinung. Etwa drei von zehn Amerikanern glauben, dass Harris eine gute Präsidentin wäre.
Für die Präsidentschaftskandidatur hätte Harris als Vizepräsidentin ein Erstzugriffsrecht. Wollte man ihr das streitig machen, bräuchte man sehr gute Gründe. Den Demokraten drohte eine Zerreissprobe. Aus pragmatischen und logistischen Gründen kommen sie kaum an einer Topkandidatin Harris vorbei. Nur wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl im November wäre es für die Demokraten nicht einfach, eine völlig neue Kandidatur aufzubauen.
Mehrere bekannte Demokraten haben sich zuletzt öffentlich für Harris ausgesprochen. Der Kongressabgeordnete Bennie Thompson sagte dem Portal Axios, sie bei einer Nachfolgelösung für Biden zu übergehen, wäre «der Kuss des Todes für die Partei». Und die «Washington Post» stellte fest: «Die Leute mögen sie wieder, ganz offensichtlich.»
Mit diesem Befund dürften auch die vorbeugenden Attacken aus dem Trump-Lager zu erklären sein. Nach Bidens Forfait am Sonntag haben sich mit Bill und Hillary Clinton weitere gewichtige Stimmen aus der Partei für Harris als Ersatzkandidatin ausgesprochen.
Was gegen Harris als Präsidentschaftskandidatin spricht: dass es überhaupt eine Debatte darüber gibt, ob sie für Biden nachrücken sollte. Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Das ist es aber deshalb nicht, weil sie sich als Vizepräsidentin nicht durchgängig als Bestbesetzung erwiesen hat.
Gavin Newsom
Der Gouverneur von Kalifornien hat Präsidentschaftsambitionen, wie er schon angedeutet hat – allerdings erst für die Wahlen 2028. Gavin Newsom, einst Bürgermeister von San Francisco, regiert seit fünf Jahren den Sonnenschein-Staat. Die Regierungsbilanz des 56-jährigen Gouverneurs ist durchzogen. Kalifornien machte in den letzten Jahren negative Schlagzeilen wegen hoher Steuern, horrender Wohnkosten oder auch Obdachlosigkeit. Was für Newsom sprechen würde: Er gilt als versierter Wahlkämpfer und hat eine telegene Ausstrahlung. Newsom gehört zu den Gouverneuren, die auch landesweit bekannt sind. In der jüngeren Vergangenheit hat er intensiv an seinem politischen Profil gearbeitet, zuletzt unter anderem mit viel beachteten Auslandstrips.
Gretchen Whitmer
Die 52-jährige Gouverneurin von Michigan wird immer genannt, wenn es um künftige Präsidentschaftskandidaturen der Demokratischen Partei geht. Gretchen Whitmer gilt als nationaler Star ihrer Partei, in der sie ausserdem eine starke Position hat. Sie amtetet als stellvertretende Vorsitzende des Democratic National Committee.
Vor der Wahl 2020 hatte Biden sie als seine Vize in Erwägung gezogen, bevor er sich für Harris entschied. Whitmer regiert einen Swing-State: 2022 schaffte sie die Wiederwahl als Gouverneurin mit über 54 Prozent der Stimmen. In ihrem Bundesstaat leben viele schwarze und arabisch-amerikanische sowie viele der Arbeiterklasse zugehörige Wähler – Bevölkerungsschichten, die Biden bislang nur mit Mühe umwerben konnte. Whitmer werden Präsidentschaftsambitionen für 2028 nachgesagt.
J. B. Pritzker
Der Gouverneur von Illinois erreichte laut «New York Times» «bemerkenswerte Erfolge in den Bereichen Abtreibungsrechte und Waffenkontrolle». J. B. Pritzker verteidigte immer wieder Präsident Biden und attackierte Donald Trump mit Bezeichnungen wie «Schwerverbrecher» oder «Rassist». Seine Schwester Penny Pritzker war Barack Obamas Handelsministerin.
Der 59-jährige Pritzker ist Mitglied der Familie, der die Hotelkette Hyatt gehört. «Forbes» schätzt sein Vermögen auf 3,5 Milliarden Dollar – ein gewichtiger Vorteil für eigene Wahlkämpfe. Präsidentschaftsambitionen sind jedoch bis anhin nicht bekannt.
Josh Shapiro
Der 51-jährige Ex-Generalstaatsanwalt regiert seit 2023 Pennsylvania – ein Bundesstaat, der sehr wichtig ist für den Ausgang der Präsidentenwahlen. Josh Shapiro gilt als Politiker, der auf nicht ideologische Themen setzt und sich um überparteiliche Lösungen bemüht. Die Wahl ins Gouverneursamt schaffte er mit einer Zustimmung von 56 Prozent.
Shapiro spricht oft über seinen jüdischen Glauben und verteidigt leidenschaftlich seine Unterstützung Israels. Die propalästinensischen Studentenproteste verurteilte er als antisemitisch. Der Gaza-Krieg offenbart einen Graben in der Demokratischen Partei. Ein Aspekt, der auch im Präsidentschaftswahlkampf berücksichtigt werden muss.
Frühere Präsidentschaftsanwärter
Die Namensliste möglicher Kandidaten für den Biden-Ersatz liesse sich verlängern. Denkbar wären frühere Präsidentschaftsanwärter, so zum Beispiel der 42-jährige Pete Buttigieg, zurzeit Verkehrsminister der Biden-Regierung, oder Amy Klobuchar, 64-jährige Senatorin aus Minnesota. Beide traten vor vier Jahren bei den Vorwahlen der Demokraten an. Sie hätten den Vorteil, dass sie bei der Wählerschaft der Demokraten schon bekannt sind.
Die Wunschbesetzung für die neue Präsidentschaftskandidatur hat einen Namen: Michelle Obama. Nicht zuletzt verkörpert sie die Sehnsucht vieler demokratischer Parteigänger nach Barack Obama. Doch die 60-jährige ehemalige First Lady zeigt kein Interesse, in die Politik einzusteigen.
Die USA erleben turbulente Tage und Wochen. Gerade erst ging in Milwaukee die Show der Rivalen zu Ende: die Republikaner haben Donald Trump in kollektiver Verzückung auf den Schild gehoben, kurz nach seinem Attentat. Trump ist ihr Held. Jetzt wartet Amerika auf die Konkurrenzveranstaltung einen Monat später in Chicago – ohne den Kandidaten Biden, der bei den Primaries, den parteiinternen Vorwahlen, keine echten Gegner hatte.
Inzwischen ist alles anders. Chaotische Zust¨ände beim Nominierungsparteitag sollen allerdings vermieden werden. Der Vorsitzende der demokratischen Parteiorganisation DNC, Jaime Harrison, versprach am Sonntag einen «transparenten und geordneten Prozess», um einen neuen Kandidaten oder eine Kandidatin zu nominieren. Ziel sei es jemanden ins Rennen zu schicken, «der den Republikaner Donald Trump schlagen kann».
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