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Hilferuf der RTS-Belegschaft
Jetzt soll Sommaruga bei der SRG-Spitze durchgreifen

Die Belegschaft des Westschweizer Radios und Fernsehens (RTS) fordert von ihrem Arbeitgeber eine lückenlose Aufarbeitung der jahrelangen Missstände. Dafür soll sich auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga einsetzen.
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Es brodelt beim Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) seit Monaten. Doch nun setzt die Belegschaft einen Hilferuf an Medienministerin Simonetta Sommaruga ab.

Die Krise bekam am letzten Donnerstag eine neue Schärfe. Die Genfer Anwaltskanzlei Collectif de Défense trat vor die RTS-Belegschaft und präsentierte die Resultate ihrer Untersuchung zu Mobbing, sexuellen Übergriffen und anderen Formen des Machtmissbrauchs innerhalb des Medienunternehmens.

Ungewollte Küsse, Klapse, Grapscher

230 Zeuginnen und Zeugen hatten sich an der von der RTS in Auftrag gegebenen Untersuchung beteiligt und berichteten von ungewollten Küssen, Begrapschen von Brüsten und Hintern, aber auch Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft, der Nationalität oder des Berufs. Die Anwältinnen betonten die «Systematik» der Fälle. Sie hätten wiederholt und über einen Zeitraum von 20 Jahren stattgefunden. (Diese Zeitung hat darüber berichtet.)

Der Bericht, den die RTS-Führung unter Verschluss hält, bestätigt für viele RTS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter ihre jahrelangen Beobachtungen. 300 Angestellte unterzeichneten bis Dienstagabend einen Brief an Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Im Schreiben, das dieser Zeitung bekannt ist, zeigte sich die Belegschaft «zutiefst bewegt» und bat die Medienministerin um ihre Hilfe.

Die RTS-Leute betonen, der Bericht der Anwälte bestätige Mängel beim Schutz des Personals. Bundesrätin Sommaruga müsse den Verwaltungsrat der SRG dazu bringen, die Missstände bei der Tochtergesellschaft RTS lückenlos aufzuarbeiten. Insbesondere die Rolle und die Verantwortlichkeiten einzelner Führungskräfte seien zu klären, heisst es im Schreiben. Was bislang getan wurde, entspreche «nicht den Erwartungen der Öffentlichkeit».

Der Name des SRG-Generaldirektors Gilles Marchand taucht im Brief nicht auf. Doch Marchand steht im Zentrum der Kritik, denn er war jahrelang RTS-Chef. Marchand entschuldigte sich im Fall eines mittlerweile entlassenen Kadermanns dafür, den Fall ungenügend untersucht zu haben.

Viele RTS-Mitarbeitende sind insbesondere vom Vorgehen des SRG-Verwaltungsrats sehr enttäuscht. Dieser liess zwar die sogenannten Verantwortungsketten, die Rolle von Kadern, von eigenen Experten untersuchen. Dann aber präsentierte der SRG-VR im April eine Zusammenfassung eines Zwischenberichts – ohne die gesammelten Aussagenprotokolle der 230 RTS-Zeuginnen und -Zeugen und den Bericht der Genfer Anwaltskanzlei abzuwarten. Das Urteil über Gilles Marchand fiel milde aus. Man stellte beim SRG-Generaldirektor und Ex-RTS-Chef in einem Fall eine «sekundäre Aufsichtsverantwortung» fest, bei deren Ausübung er keinen «gravierenden Fehler» beging.

Doch nun schreibt die Anwaltskanzlei Colléctif de Défense von «teils schweren Missständen» und empfiehlt, im Fall von acht Kadermitgliedern deren Verantwortlichkeiten nochmals zu überprüfen. Ist der SRG-VR bereit dazu?

Gewerkschaft will klagen

SRG-Sprecher Edi Estermann lässt die Frage offen. Er schreibt: «Beim Bericht des Collectif de Défense handelt es sich nicht um einen Untersuchungsbericht. Es ist eine Zusammenstellung der bei diesem Anwaltskollektiv eingegangenen anonymen und offenen Meldungen.» Neue Untersuchungen gegen Kader würden entweder durch den SRG-VR oder die RTS-Direktion angeordnet, so Estermann. Voraussetzung dafür sei, dass «Belästigungen im Rahmen von Untersuchungen nachgewiesen wurden und es hinreichende Verdachtsmomente gibt, dass Kader und Führungspersonen in diesen Fällen ein Fehlverhalten an den Tag gelegt haben». Allfällige Untersuchungsergebnisse würden im Übrigen der Öffentlichkeit in derselben Form präsentiert, wie man das im April getan habe, zur «Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten», so der SRG-Sprecher.

Genau damit hat die Mediengewerkschaft SSM ein Problem. Die Gewerkschaft der RTS-Mitarbeiter wirft der SRG Wortbruch vor. Der SRG-Verwaltungsrat soll versprochen haben, der Gewerkschaft den anonymisierten Bericht zur Verantwortungskette auszuhändigen. Das sei schriftlich vereinbart worden, doch einen Zugang habe man nie bekommen, betont SSM-Sekretärin Valérie Perrin. Die SSM prüft nun, den Zugang auf juristischem Weg zu erstreiten und bei einem Gericht eine Zivilklage gegen den SRG-VR einzureichen. «Die Situation ist unhaltbar», sagt Valérie Perrin. Sie hält einen finalen Bericht zur Untersuchungskette unter Einbezug aller Zeugenaussagen für «unabdingbar» und eine Verharmlosung der Empfehlung der Anwaltskanzlei «im aktuellen Klima für einen schlechten Schachzug». Doch die SRG scheint wenig erpicht, geschlossene Untersuchungsdossiers wieder zu öffnen, und noch weniger, neue Dossiers zu eröffnen.

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