Kommentar zu Sexismus beim SRGMarchands Fehler werden zu Unrecht marginalisiert
Die RTS hat ein Sexismus-Problem, doch die Verantwortung von SRG-Generaldirektor Gilles Marchand wird kleingeredet. Für die Geschädigten ist das ein Hohn.
Minutenlang referierte SRG-Generaldirektor Gilles Marchand am Freitag an einer Medienkonferenz über systemische Probleme beim Westschweizer Fernsehen und Radio (RTS). Konkret: sexuelle Belästigung, physische Übergriffe und Mobbing. Dabei ging fast vergessen, wer für die Unternehmenskultur hauptsächlich verantwortlich ist: Gilles Marchand. 16 Jahre lang war er RTS-Chef, 2017 wechselte er zur SRG.
Über 230 RTS-Mitarbeiterinnen (und möglicherweise auch einige Mitarbeiter) haben Negativerfahrungen bei einem mit der Untersuchung betrauten Genfer Anwältinnenbüro deponiert. Die Zahl zeigt: Sexismus und Belästigungen belasteten Betroffene im RTS-Alltag enorm.
Was all die Zeuginnen und Zeugen darlegten, wird die Öffentlichkeit wohl nie erfahren. Man müsse die Persönlichkeitsrechte der Angestellten schützen, argumentiert die SRG-Spitze. Möglicherweise geht es ihr aber genauso darum, die RTS-Führung zu schützen.
Bei einer weiteren Untersuchung, jener über allfällige Verantwortlichkeiten der RTS-Kader, fällt vor allem eines auf: Heute liegt bloss ein Zwischenbericht vor. 180 Aussagen von Betroffenen sind noch gar nicht berücksichtigt worden. Der Schlussbericht wird erst im Sommer fertig. Vor diesem Hintergrund erstaunt, wenn RTS-Direktor Pascal Crittin bereits heute selbstbewusst verkündet, dass es nicht nötig sein wird, Einzelfälle vertieft zu untersuchen.
«Ich habe unangemessenes Verhalten nie toleriert.»
Für Chefredaktor Bernard Rappaz ist die Zeit bei RTS dennoch zu Ende. Im November hatte er von sich aus eine Auszeit genommen, um die Untersuchungen nicht zu beeinträchtigen. Nun verlässt Rappaz die Redaktion definitiv. Wurde er dazu gedrängt? Es klingt danach. In seinem Abschiedsbrief an sein Team weist er sämtliche Anschuldigungen zurück. «Ich habe unangemessenes Verhalten nie toleriert, schon gar nicht sexistisches», betont er.
Lesen Sie hier mehr dazu, wie die Mauer des Schweigens über die Missstände bei RTS brach.
Während Rappaz als Bauernopfer geht, darf sich Gilles Marchand auf die Schulter klopfen. 2014 wurde er persönlich über einen Fall von sexueller Belästigung in Kenntnis gesetzt. Der Fall wurde nie genügend untersucht. Diesen Winter stritt Marchand ab, vom Fall gewusst zu haben. Das war wohl falsch. Selbst SRG-Verwaltungspräsident Jean-Michel Cina sagt heute, man habe bei Marchand «einen Fehler in der Aufsichtsverantwortung» festgestellt, doch der Fehler sei «nicht schwerwiegend», darum seien «keine arbeitsrechtlichen Massnahmen getroffen worden». In den Ohren aller RTS-Frauen, die Cina zuvor noch als «Geschädigte» bezeichnete und sie um Entschuldigung bat, musste das wie ein Hohn klingen.
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