Bilder der ZerstörungHunderttausende Gaza-Bewohner kehren nach Hause zurück – das treffen sie dort an
Die Bewohner Nordgazas kehren in ihre Heimat zurück – oder was davon noch übrig ist. Doch trotz der Zerstörung herrscht vor allem Freude unter den Menschen.

Die Bilder gehen seit Montag um die Welt: Am ersten Tag der Rückkehrmöglichkeit für Bewohner des Gazastreifens in den Norden des verwüsteten Küstengebiets sind dort nach Angaben des Medienbüros der islamistischen Hamas bereits rund 300’000 Menschen eingetroffen.

Sie waren im Laufe des mehr als 15-monatigen Kriegs in den Süden des abgeriegelten Gebiets vertrieben worden. Dort hatten sie meist in notdürftigen Zeltlagern gelebt. Die Hamas-Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Aber auch die Vereinten Nationen sprachen jedoch von «Hunderttausenden», die in den Norden des Gazastreifens zurückkehrten.
Was die Menschen dort antrafen, war vor allem eines: Zerstörung.


Videos und Bilder zeigen kilometerlange Schlangen von Menschen, die zu Fuss über eine ausgewiesene Route am Meer entlang Richtung Norden unterwegs waren.

Wer ein Auto hatte, musste einen Kontrollpunkt weiter im Landesinneren passieren.


Es werde damit gerechnet, dass die Zahl der Rückkehrer in den stark zerstörten Norden in den kommenden Tagen auf etwa 600’000 steigen werde, verlautete es weiter aus dem Hamas-Medienbüro. Insgesamt leben im Gazastreifen mehr als zwei Millionen Menschen.


Freude trotz Zerstörung
Bewohner des Gazastreifens haben sich trotz der Verwüstungen nach ihrer Rückkehr in ihre Heimatorte im Norden überglücklich und entschlossen zum Wiederaufbau geäussert. «Endlich ist der Traum, auf den wir gewartet haben, wahr geworden. Wir kehren in unsere zerstörten Häuser und in die Gebiete zurück, aus denen wir vor 15 Monaten vertrieben wurden», sagt ein Mann gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

«Wir wissen, dass wir in Zerstörung und Trümmer zurückkehren, aber dies ist unser Land und unsere Heimat. Wir werden es niemals aufgeben», sagt der Mann, der mit den Tränen kämpft, während er einige Taschen und seine wenigen Habseligkeiten hält.

Eine Mutter ist mit ihren drei Kindern auf der Küstenstrasse Al-Raschid in den Norden gelaufen. «Wir haben viele Monate auf diesen Tag gewartet. Worte können unsere Gefühle in diesem Moment nicht beschreiben», sagt sie am Telefon und strahlt über das ganze Gesicht. «Wir hoffen, dass der Waffenstillstand hält, dass Frieden herrscht und das Leben wieder so wird, wie es vor den dunklen Stunden im Oktober war», fügt sie hinzu.

Ein anderer Rückkehrer ist zwischen Freude und Tränen hin- und hergerissen, während er auf den Trümmern seines Hauses im Scheich-Radwan-Viertel von Gaza-Stadt sitzt. Mehr als vier Stunden war der Vater von fünf Kindern aus dem Süden dorthin unterwegs.
Schon in der ersten Kriegswoche sei er in die Stadt Chan Junis im Süden vertrieben worden. «Ich hätte nie gedacht, dass ich in das Viertel zurückkehren würde, in dem ich geboren wurde», sagt er. «Der Traum ist Wirklichkeit geworden. Wir sind endlich wieder da», fügt er fast ungläubig hinzu. «Ich werde mein Haus von Grund auf neu aufbauen, und nach und nach werden wir das Leben wiederherstellen, das uns die Besatzung gestohlen hat», bekräftigt der 30-Jährige.

Skepsis in Israel
Ganz anders die Gemütslage auf der anderen Seite der Grenze: Einwohner des israelischen Grenzgebietes haben nun Angst vor einem Wiedererstarken der Hamas und einer Wiederholung des Massakers am 7. Oktober 2023 mit mehr als 1.200 Toten. Viele der Tausenden Angreifer waren damals aus dem Norden des Gazastreifens über die Grenze gekommen.


Nach der Rückkehr hat Israels Oppositionsführer die Regierung kritisiert. «Die Tatsache, dass die Einwohner von Gaza in ihre Häuser zurückkehren, bevor alle Einwohner des (israelischen) Gaza-Grenzgebiets in ihre Häuser zurückgekehrt sind, ist der herzzerreissende Beweis dafür, dass diese Regierung das Land einfach nicht führen kann», schrieb Lapid.
Private Sicherheitskräfte kontrollieren im Gaza
Private Sicherheitskräfte aus den USA und Ägypten haben Medienberichten zufolge ihre in der Vereinbarung über eine Waffenruhe vorgesehene Kontrolle im Gazastreifen aufgenommen. Angestellte eines US-Unternehmens und einer ägyptischen Firma würden Fahrzeuge kontrollieren, die den vom israelischen Militär angelegten Netzarim-Korridor von Süd nach Nord passieren wollten, berichtete die Zeitung «Times of Israel» unter Berufung auf einen ägyptischen Beamten.

Die Kontrollen sollten nach Angaben eines israelischen Beamten sicherstellen, dass keine Waffen in den Norden gelangen, schrieb die Zeitung weiter. Dies sei eine der Bedingungen des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu für die zunächst auf sechs Wochen angelegte Waffenruhe mit der islamistischen Hamas gewesen.
Im Rahmen eines Abkommens zwischen Israel und der Hamas war ursprünglich geplant, dass die Menschen eine Woche nach Beginn der Waffenruhe über je eine ausgewiesene Route für Autos und eine für Fussgänger vom Süden in den Norden gelangen dürfen. Da die islamistische Hamas jedoch am Samstag nicht wie vereinbart eine entführte israelische Zivilistin freigelassen hatte, blockierte Israel die Rückkehr zunächst. Dann willigte die Hamas ein, die israelisch-deutsche Geisel diese Woche freizulassen. Darauf gab Israel grünes Licht zur Rückkehr der Gaza-Bewohner. Fussgänger werden nicht kontrolliert.
(Mit Material der dpa)
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