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Palästinenser zurück in Gaza
Dieser Elendszug durchs Trümmerfeld ist ein Zeichen der Hoffnung

Geflüchtete Palästinenserinnen und Palästinenser umarmen sich beim Überqueren des Netzarim-Korridors von Süd-Gaza nach Gaza-Stadt am 27. Januar 2025.
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In Kürze:
  • Tausende Palästinenser kehren nach der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas in ihre zerstörten Städte im Norden des Gazastreifens zurück.
  • Zuvor war unter der Vermittlung Katars die baldige Freilassung weiterer ziviler Geiseln vereinbart worden.
  • Daraufhin zog Israel Truppen von einem Korridor ab, der den Gazastreifen in einen nördlichen und südlichen Abschnitt unterteilt.

Die Menschenmenge ist unübersichtlich gross, viele Tausende sind es den Bildern zufolge, die an diesem Montag zurückdrängen in ihre Heimat im nördlichen Gazastreifen. In Rucksäcken oder Einkaufstaschen schleppen sie ihr Hab und Gut mit sich. Es ist ein Elendszug durchs Trümmerfeld – und zugleich ein Zeichen der Hoffnung, dass das Abkommen zwischen Israel und der Hamas eine erste Belastungsprobe überstanden hat.

Die Erlaubnis zur Rückkehr für die vertriebenen und geflüchteten Palästinenser war ursprünglich vereinbart worden für den Beginn der zweiten Woche des Deals zur Geiselfreilassung und zum Waffenstillstand. Am 19. Januar war er in Kraft getreten, doch in den vergangenen Tagen geriet Sand ins Getriebe. Israel blockierte die Rückkehr mit dem Argument, die Hamas habe gegen die Vereinbarung verstossen.

Freilassung von Zivilisten

Konkret ging es darum, dass nicht, wie geplant, zunächst die Zivilistinnen aus der Geiselhaft freigelassen worden waren. Stattdessen hatte die Hamas am Samstag mit propagandistischer Selbstsicherheit vier junge israelische Soldatinnen gegen 200 palästinensische Häftlinge ausgetauscht.

Israels Regierung forderte nun die sofortige Freilassung der Geisel Arbel Yehud, die am 7. Oktober 2023 aus einem Kibbuz im Grenzgebiet entführt worden war. Sie soll sich allerdings nicht in den Händen der Hamas befinden, sondern in denen des islamischen Jihad.

Unter Vermittlung Katars wurde dann in der Nacht zum Montag eine Einigung erzielt. Demnach soll Yehud, die auch einen deutschen Pass besitzt, nun am Donnerstag freigelassen werden, zusammen mit einer jungen Soldatin und einer namentlich zunächst nicht genannten dritten Geisel. Weitere drei Geiseln sollen wie geplant am kommenden Samstag freikommen.

Zusätzlich soll die Hamas ihrer Verpflichtung nachgekommen sein, auszuführen, wie viele der zum Austausch in der ersten Phase vorgesehenen 33 Geiseln noch am Leben sind. Israelischen Medienberichten zufolge sollen es 25 sein, das bestätigte auch Hamas.

Von den insgesamt noch in Gaza verbliebenen gut 90 Geiseln wurden 34 bereits für tot erklärt. Befürchtet wird jedoch, dass ungefähr die Hälfte nicht mehr lebt.

Menschen gehen an Betonblöcken vorbei, die als Barriere im Netzarim-Korridor entlang der Küstenstrasse al-Rashid in Gaza dienen. Aufgenommen am 27. Januar 2025, zeigt das Bild vertriebene Palästinenser, die in den nördlichen Teil des Gazastreifens zurückkehren.

Israel reagierte auf die Einigung mit dem Rückzug seiner Truppen vom sogenannten Netzarim-Korridor, der den Gazastreifen in einen nördlichen und einen südlichen Teil durchschneidet. Benannt ist er nach einer ehemaligen Siedlung, die beim israelischen Rückzug aus dem palästinensischen Küstenstreifen 2005 aufgegeben worden war.

Ab sieben Uhr Ortszeit durften Fussgänger den Korridor durchqueren, ab neun Uhr war das – nach einer Sicherheitskontrolle, die Berichten zufolge eine private US-Firma durchführte – auch für Menschen in Fahrzeugen erlaubt.

Rückkehr in zerstörte Städte

Damit ist der Weg frei für Hunderttausende Menschen, die während der Kämpfe in den vergangenen Monaten von Israel zum Verlassen ihrer Häuser aufgefordert worden waren. Zuletzt hatten 1,9 Millionen der insgesamt 2,2 Millionen Einwohner zusammengepfercht auf einem Viertel des Gebiets im südlichen Gazastreifen leben müssen, zumeist in Zelten.

Die Öffnung des Nordens könnte nun zu einer Entlastung führen, aber es ist keine wirkliche Verbesserung der Lage in Sicht. Denn die Rückkehrer nach Jabaliya, Beit Hanoun und Beit Lahiya werden Berichten zufolge fast komplett zerstörte Städte finden.

Luftaufnahme von Menschenmassen, die am 27. Januar 2025 in Richtung Gaza-Stadt ziehen, entlang des Netzarim-Korridors an der Küste des Gazastreifens.

Die Hamas feierte die Rückkehr dennoch als «historischen Moment». In einer Erklärung hiess es, dies sei «ein Sieg für unser Volk und ein Zeugnis für das Scheitern und die Niederlage der Besatzer». Triumphierend ist der Ton auch deshalb, weil noch am Tag zuvor US-Präsident Donald Trump Schlagzeilen provoziert hatte mit der Idee einer organisierten Aussiedlung der Gaza-Bewohner nach Ägypten und Jordanien.

Fragiles Abkommen zwischen Israel und der Hamas

Von Israels Regierung gab es zunächst keine Stellungnahme zur Öffnung des nördlichen Gazastreifens. Umso lauter hallten die Tiraden des früheren Polizeiministers Itamar Ben-Gvir wider, der aus Protest gegen den Deal mit der Hamas aus der Regierung ausgetreten war. Er hatte, so wie viele andere im rechten Spektrum, immer wieder den Bau neuer Siedlungen in Gaza gefordert.

Nun sprach er angesichts der Rückkehr-Bilder von einem «Siegesfoto für die Hamas». Dafür hätten Israels «heldenhafte Soldaten nicht gekämpft und ihr Leben gelassen», schrieb er auf X und forderte die sofortige Wiederaufnahme des Kriegs.

Das Büro des Premierministers verwies in einer Erklärung allein auf die vereinbarte zusätzliche Geiselfreilassung am Donnerstag und stellte dies als Erfolg für Benjamin Netanyahus «resolute Verhandlungsführung» dar. Lob kam aus Washington, wo der Nahostbeauftragte Steve Witkoff die Lösung der Krise als «wunderbar» bezeichnete. Präsident Trump sei «begeistert».

Der jüngste Zwischenfall zeigt jedoch vor allem, wie fragil das Abkommen von Israel und Hamas ist. Ohnehin wurde bislang nur eine Vereinbarung für 42 Tage geschlossen. Über alles Weitere – also die entscheidende Frage, ob der Krieg tatsächlich beendet wird und was danach aus dem verwüsteten Gazastreifen werden soll – soll ab Tag 16 der Laufzeit verhandelt werden.

Keines der Probleme ist damit bislang gelöst. Es bleibt Misstrauen auf beiden Seiten sowie die unterschiedliche Motivlage der Kontrahenten, die schnell zu einer Rückkehr zum Kampf führen könnte.