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Alle Teams in der Abstiegsrunde
Sorgen überall: Zürich wird zur Fussballwüste

Die Hardturmbrache: Pflanzen im Asphalt, Holzbretter, Trostlosigkeit.
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In Kürze:
  • Der FCZ und GC dümpeln trotz eines finanzstarken Umfelds in der Abstiegsrunde.
  • Milos Malenovic pflegt beim FCZ als Sportchef einen umstrittenen Führungsstil.
  • GC leidet unter häufigen Besitzerwechseln und hat an lokalem Rückhalt verloren.
  • Wenigstens der FC Winterthur zeigt eine positive Entwicklung mit zehn Punkten aus vier Spielen.

Der Zürcher Fussball blamiert sich gerne einmal. Im Herbst 2011 wurde er zum Sanierungsfall erklärt, weil der FC Zürich und die Grasshoppers gegen den Abstieg kämpften. Oder im Frühjahr 2019 gaben sie sich zur gleichen Zeit Blössen, mit dem Abstieg von GC als Tiefpunkt.

Und jetzt sind der FCZ und GC gemeinsam in der Abstiegsrunde. Diese beiden Papiergrössen aus der finanzkräftigsten Stadt der Schweiz, der schönsten, was sich zumindest für die Zürcher von selbst versteht. Sie bietet eine Lebensqualität, die weltweit nur von Wien und Kopenhagen übertroffen wird. Nebenbei ist sie noch die Medienhochburg des Landes.

«Downtown Switzerland» hiess früher einmal ihr Motto. Zu aller Grossspurigkeit will nur nicht passen, dass sie seit rund zwanzig Jahren nicht fähig ist, den beiden Clubs ein neues Stadion zu ermöglichen, das für diese wirtschaftlich so wichtig wäre.

Wenigstens gibt es ein paar Kilometer östlich von Zürich eine kleine Oase, in Winterthur. Da ist der FCW daheim. Um den steht es sportlich zwar am schlechtesten, weil er auf dem letzten Rang liegt. Und doch schwebt er nach einer Erfolgsserie emotional im Hoch. Vielleicht gelingt es ihm doch noch, sich zum Klassenerhalt zu retten.

Der FCZ: Wer führt ihn eigentlich?

«Malenovic macht die Mannschaftsaufstellung, die Auswechslungen – er macht alles.» Das sind die Worte von Erich Vogel bei Blue, einst in der Saison 2001/02 selbst FCZ-Sportchef. Er gibt damit wieder, was viele denken: Milos Malenovic, aktueller Sportchef bei den Zürchern, soll viel Macht besitzen – vielleicht zu viel.

Er soll auch gerne einmal selbst eine Ansprache in der Kabine halten, Spieler zusammenstauchen, sie disziplinieren. Wenn jemand den Vertrag nicht verlängern will, sitzt er nur noch auf der Bank – oder gleich auf der Tribüne. Und daneben, heisst es, hält Malenovic Juniorentrainern vor, sie müssten ihm eigentlich viel Geld für das zahlen, was sie gratis von ihm lernen dürften.

«Wir wollen den Verein neu erfinden», verkündete Präsident Ancillo Canepa an der Pressekonferenz zum Saisonstart, «ich weiss, ein grosses Wort.» Und eines, das ihm acht Monate später auf die Füsse fällt. Erfunden hat sich sein Verein vor allem in der Diversität der Unruheherde. Dem entgegnet Canepa strikt: «Diese Unruhe war vor allem medial.»

Nun ja, Ansichtssache. Wenn ein Spieler in Zürich streikt, der andere verhaftet wird und noch ein weiterer nach dem 0:4 gegen Basel mit Muskelfaserriss im Ausgang tänzelt, muss das zu Spannungen im Team führen. Mittelfeldspieler Bledian Krasniqi sagt: «Es war eine turbulente Saison, es gab viel Unruhe.»

Präsident Ancillo Canepa blickt auf Mirlind Kryeziu während des Super League-Spiels zwischen BSC Young Boys und FC Zürich in Bern.

Anfang März 2024 und nach dem Abgang von Bo Henriksen hiess es noch: «Wir haben fast keine Tore herausgespielt in dieser Saison. Es gab nur Standards oder Umschaltmomente. Damit können wir beim FCZ nicht leben.» 1,56 Tore schoss das Team im Schnitt pro Spiel bis zu jenem Zeitpunkt in der Saison 2023/24. Fortan sollte alles besser werden. Der Schnitt in der bisherigen Saison ist mit 1,33 Toren pro Spiel aber noch schlechter.

Dafür hat sich die Haltung der FCZ-Führung, Kritiker seien die Ahnungslosen, den Durchblick habe man stets selbst, in den vergangenen Monaten noch verfestigt. Sinnbildlich dafür steht Malenovics Medienschelte Anfang Februar. Von unprofessioneller Berichterstattung der grossen Verlage ist die Rede und von einem «Seich», der geschrieben werde, «um eine gewisse Menschenmasse negativ zu beeinflussen».

Später folgt eine Auflistung, was der FCZ ihm schon alles zu verdanken habe: «Mirlind (Kryeziu) war in der Meistersaison meinetwegen noch beim FC Zürich. André Breitenreiter habe ich gemeinsam mit seinem Berater zum FC Zürich gebracht – damit dieser nach 13 Jahren wieder einmal einen Titel erleben durfte.» Nachsatz: «Einfach, um das einmal klarzustellen.»

Konsequenterweise müsste von ihm nun das Eingeständnis kommen, dass er den FCZ in die Abstiegsrunde gelotst hat. So viel an Selbstreflexion ist von ihm allerdings nicht zu erwarten. Es bleibt einzig die Frage: Wer führt eigentlich diesen Club? Für Canepa ist es an der Zeit, zu zeigen, dass er es ist.

Man kann jedenfalls gespannt sein, was er und sein Sportchef Anfang nächster Woche beim Podcast des FCZ zu ihrer Rechtfertigung erzählen werden.

GC: Zum Retortenclub degradiert

Unter der Woche brachte es der frühere Meistertrainer Rolf Fringer auf den Punkt: «GC ist ein Retortenclub geworden, ohne Gesicht, ohne Herz und ohne Seele.»

Seit zwanzig Jahren wird hier gewurstelt, genau genommen seit dem Gewinn der letzten Meisterschaft 2003. Defizite von inzwischen weit über 250 Millionen Franken kamen zusammen, Hunderte von Spielern kamen und gingen, dazu viele Präsidenten, Sportchefs und Trainer. Und vor allem auch diverse Besitzer. Seit Anfang vergangenen Jahres stammen sie aus Los Angeles. Auch sie haben GC zum Teil eines Netzwerks gemacht, wie das vorher schon bei einem Konsortium aus China der Fall gewesen war.

Diese Degradierung zeigt, welchen Bedeutungsverlust die «Hoppers» in ihrer Heimat einstecken müssen. Dass da, wo einst der alte Hardturm thronte, nur noch eine Brache übrig geblieben ist, ist sinnbildlich dafür.

Enttäuschte Spieler des Grasshopper Club Zürich auf der Ersatzbank nach dem Super League Spiel gegen FC Winterthur am 19. April 2025 in Zürich.

Niemand ist in Zürich mehr bereit, sich finanziell für den Club zu verausgaben. Niemand da, der Geld gibt, weil er nichts mit einem seit Jahren schlecht geführten Unternehmen zu tun haben will. Niemand, der noch Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Transparenz erkennt. Darum stecken die Einnahmen bei 10 Millionen fest, wie seit zwei Jahrzehnten schon. (Der FCZ erwirtschaftet, selbst abzüglich der kräftigen Hilfe der Canepas, doppelt so viel.)

Und darum bleibt als Rettung einzig jemand von ganz weit weg, zuerst aus Shanghai, inzwischen aus L. A. Das Problem ist bloss, dass die aktuellen Eigentümer trotz eines Hauchs von Hollywood nicht im Entferntesten eine Idee erkennen lassen, wie sie GC zu alter Grösse führen wollen. Im Moment versuchen sie es mit einer Abordnung des unbedeutenden deutschen Fussballstandorts Ingolstadt, die Europachef Gärtner, Sportchef Schwarz und Trainer Oral umfasst. Dafür haben sie einen ihrer Delegierten, den als Experten für Unternehmensentwicklung und Marketing angekündigten Benny Tran, still und leise wieder abgezogen.

Von der Präsidentin ist einzig etwas zu hören, wenn sie wie Anfang Februar beim Spobis, Europas grösstem Sportbusiness-Anlass, eine halbe Stunde ihre Bühne bekommt. Dann redet Stacy Johns vom «altmodischen» Denken in Zürich, von der Schwierigkeit, hier zuverlässige und vertrauensvolle Leute zu finden. Wer ihr zuhört, kann ihren Auftritt auch als respektlos gegenüber den Leuten empfinden, die für GC arbeiten.

14 Millionen Franken betragen die Ausgaben fürs Personal unverändert. Ebenso hoch ist weiter der Verlust. Wofür genau das alles? Antwort: für den neuerlichen Abstiegskampf. Die Chinesen haben herausgefunden, dass das wenig Spass macht, und sich verabschiedet.

Stadion Hardturm: Ewiges juristisches Hickhack

Das Warten nimmt kein Ende. 2008 wurde das Stadion Hardturm mit dem Versprechen abgerissen, dass in absehbarer Zeit ein neues Stadion entsteht. Nun rechnet das Projektteam «Ensemble» im besten Fall mit einem Baubeginn Ende 2028, im schlechteren Fall mit einer Verzögerung um weitere zwei bis vier Jahre.

Zwei Abstimmungsvorlagen zum Stadionbau werden in den Jahren 2018 und 2020 angenommen. Ende August 2022 wird der Gestaltungsplan «Areal Hardturm-Stadion» durch den Kanton Zürich genehmigt. Die Stadt Zürich setzt den Gestaltungsplan im ordentlichen Verfahren in Kraft – zwei Rekurse gehen fristgerecht dagegen ein.

Im August 2023 weist die erste Instanz beide Rekurse ab – die Gegner ziehen vor das Verwaltungsgericht. Eine Beschwerde wird später zurückgezogen, die zweite Verfahren ist hängig; der Entscheid darüber wird für dieses Frühjahr erwartet. Die verbleibende Beschwerde richtet sich vor allem gegen die beiden 137 Meter hohen Türme, mit denen das Stadion querfinanziert werden soll. Welche Köpfe genau hinter dem Rekurs stehen, bleibt bis heute unklar. Diese Redaktion berichtete darüber, dass sich rund 100 Personen am Rekurs beteiligen, viele von ihnen sind im Verein «Pro lebenswertes Zürich – Limmatraum» organisiert.

Stadion umgeben von modernen Hochhäusern in einer städtischen Umgebung, mit Fluss im Vordergrund.

Wird das Verfahren nicht ans Bundesgericht weitergezogen, kann das Projekt in die Bauphase übergehen. Folglich wird das Baugesuch eingereicht – doch auch dagegen sind Rekurse möglich, allerdings nur noch in eingeschränktem Rahmen. Das juristische Hickhack – es geht also munter weiter.

So bleibt es bei den fehlenden Einnahmen der beiden Zürcher Clubs. An der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Stadionbetrieb hat sich nichts geändert. Weil etwa der FCZ als Mieter bei Catering und Vermarktung im Letzigrund eingeschränkt ist, entgehen ihm Einnahmen von rund 5 Millionen pro Jahr. Oder wie FCZ-Präsident Ancillo Canepa sagt: «Der Letzigrund ist wirtschaftlich ein Fass ohne Boden.»

Die Hoffnung der Clubs besteht auch darin, dass das neue Stadion neue Sponsoringerträge mit sich bringt, die Teams zu neuen Höhenflugen führt und insgesamt dem städtischen Fussball Schwung verleiht. Bis die Gewissheit darüber einsetzt, könnten die Probleme der Vereine schon wieder ganz andere sein.

Der FCW: Fern der Depression

Es braucht keine teure Werbeabteilung, um Prägendes in die Welt zu setzen. Zumindest nicht in Winterthur, wo das Motto «Friede. Freiheit. Fussball» heisst und das «einzig echte Fussballstadion im Kanton Zürich» steht. Der besondere Charme der Schützenwiese besteht darin, dass alles zusammengewürfelt ist.

Keinem wurden vor der Saison geringere Chancen auf den Ligaerhalt zugeschrieben als dem FCW, der sich mit Ausgaben von 16 Millionen Franken schwer nach der Decke strecken muss. Die Prognosen bestätigt er, indem er seit Runde 7 auf dem letzten Platz liegt, vor wenigen Tagen gar noch mit sieben Punkten Rückstand auf GC und zwölf auf Yverdon.

Spieler des FC Winterthur jubeln mit Fans nach einem Super League-Spiel gegen FC Lausanne-Sport in Winterthur am 12. April 2025.

Inzwischen hat er bewiesen, dass er über Nehmerqualitäten verfügt, und eine kleine Aufholjagd gestartet: zehn Punkte aus vier Spielen bei einem Torverhältnis von 4:1, nur noch drei Punkte hinter Yverdon und GC – und das alles mit einer Defensive, die vorher 60 Tore kassiert hat. Das Vorgehen von Uli Forte ist extrem pragmatisch. «Am Tabellenende ist auch kein Champagner-Fussball gefragt», erklärt der Trainer, der im Winter den unerfahrenen Ognjen Zaric abgelöst hat.

In der kleinen Oase der «Schützi» ist die Depression von Zürich weit weg. Hier geniesst die Mannschaft den Rückhalt der Fans. Nächsten Samstag, zum Start in die Abstiegsrunde, empfängt sie GC zu einem kapitalen Match. Forte sagt: «Wenn wir gewinnen, ist Rock ’n’ Roll.»