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Grasshoppers in Schieflage
«Planlos, seelenlos» – wieso der Club wieder einmal um seine Zukunft kämpft

Die Spieler des Grasshopper Club Zürich feiern mit den Fans nach dem Meisterschaftsspiel der Swiss Super League gegen Luzern im Letzigrund-Stadion am 6. April 2025.
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In Kürze:
  • Der Club verzeichnet einen massiven Verlust von 13,7 Millionen Franken für 2023/24.
  • Die amerikanische Präsidentin Johns beklagt kulturelle Unterschiede zwischen Zürich und Los Angeles.
  • Zwanzig Spielerverträge laufen im Sommer aus, viele Leistungsträger wollen gehen.
  • In einem offenen Brief kritisieren Fans die fehlende Vision der amerikanischen Führung.

Der Match: «Es ist Druck auf dem Kessel»

Die Woche begann mit der nächsten schlechten Meldung aus der Buchhaltung. Für die Saison 2023/24 meldeten die Grasshoppers Einnahmen von gerade einmal 10,2 Millionen Franken, dafür einen Verlust von 13,759 Millionen. So kommuniziert es die Swiss Football League. Es sind Zahlen, die schon seit zwei, drei Jahrzehnten zu ihrem Alltag gehören oder ihrem «finanziellen Chaos», wie es Präsidentin Stacy Johns nennt.

Am Ostersamstag steht für GC nun das 33. und letzte Spiel der ersten Meisterschaftsphase an. Es ist nicht irgendein Spiel, sondern ein eminent wichtiges: Gegen den Tabellenletzten aus Winterthur besteht die Chance, den Abstand zum direkten Abstiegsplatz auf neun Punkte zu erhöhen. «Wir wünschen uns, dass unsere Fans einen Hexenkessel aus dem Stadion machen», sagt Trainer Tomas Oral. Das ist selten genug der Fall im Letzigrund: GC hat mit 6773 Zuschauern den drittschlechtesten Schnitt der Liga.

Im Hintergrund laufen derweil die Diskussionen, wo die Grasshoppers allfällig eine Barrage austragen müssten. Der Letzigrund ist beim Termin Ende Mai schon belegt. Alternativen wie Luzern, St. Gallen oder Winterthur bieten sich nicht an, weil sie zu teuer sind wie Luzern, das 1 Millionen Franken verlangt hat, oder weil aus Gründen der Sicherheit und Organisation keine Lust auf einen Besuch aus Zürich besteht. An der Mannschaft liegt es, mit Siegen und Punkten dieses Thema zu beenden. Oral sagt: «Es ist Druck auf dem Kessel.»

Die Präsidentin: Das Klagen der Stacy Johns

Anfang Februar fand in Hamburg die Spobis statt, Europas grösster Sportbusiness-Anlass. Viele traten auf: Annalena Baerbock, noch deutsche Aussenministerin, Fernando Carro von Leverkusen, Hans-Joachim Watzke von Dortmund, Max Eberl von Bayern München, Red-Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff, Weltmeister Bastian Schweinsteiger, NHL-Chef Gary Bettman.

Und auch Stacy Johns erhielt die Ehre, auf einer Bühne Auskunft zu geben. Ihr Thema hiess: «FC Wacker Innsbruck, GC Zürich und Red & Gold Fussball – die globale Vision des Los Angeles FC, Siegerteams aufzubauen.» Verkürzt und einfach: Wie sollen die Grasshoppers wieder erfolgreich werden?

Johns ist seit dem Einstieg der Kalifornier Anfang vergangenen Jahres Präsidentin von GC. Bisher hat man von ihr öffentlich sehr wenig gespürt oder gehört. In Hamburg darf sie eine halbe Stunde reden. Sie berichtet von einer Kultur in der Schweiz, die herausfordernd gewesen sei. Von der Schwierigkeit, in Zürich Leute zu finden, die zuverlässig und vertrauensvoll seien. Vom «sehr altmodischen» Denken in Zürich, in der Schweiz generell, nicht datengetrieben und analytisch zu arbeiten wie in Los Angeles.

Stacy Johns, die neue Verwaltungsrats-Präsidentin der Grasshoppers, posiert auf dem GC Campus in Niederhasli. Los Angeles FC übernimmt Mehrheit der GC-Aktien.

«Das erste Mal, als ich mit einer Krise in der Schweiz zu tun hatte, konnte ich niemanden finden», berichtet sie, «sie sagten, es sei ein Feiertag. Ich sagte, wir haben eine Krise. Sie sagten, wir sind im Urlaub. Ich sagte, o Herr, das ist neu.» Johns ist in Zürich als Präsidentin eingesetzt worden, um hier das «finanzielle Chaos» aufzuräumen und um GC in ein weltweites Netzwerk von Amerika bis Afrika zu integrieren, in dem «Siegerteams aufgebaut» werden. Oder wie sie auch sagt: «Die ganze Strategie läuft darauf hinaus, ein Netzwerk aufzubauen, das Spieler und Einnahmen generieren kann, die wirklich unser Geschäft vorantreiben.»

Sie klagt weiter, wie schwierig es sei, die Balance zwischen zwei unterschiedlichen Kulturen zu finden. Auf dem Weg dahin haben die Amerikaner allerdings gleich einmal die wunderbare Hymne «Das isch GC» abgeschafft, weil sie sich, so Johns, «nicht inklusiv anfühlte». Immerhin haben sie eingesehen, dass sie an der Marke GC und den blau-weissen Farben nicht Hand anlegen dürfen.

Irgendwann sagt Johns: «Ich glaube, es lohnt sich langsam. Ich bekomme langsam das Gefühl, dass sie (die Zürcher) anfangen, uns zu vertrauen. Wir sehen das Licht.» Dann ist ja nett, dass wenigstens sie das tut. Vor Ort ist davon nicht viel zu merken (siehe Kapitel Fans). 

Das Netzwerk: Kein Gewinn für GC

Bei Spobis redet Stacy Johns auch von Tomas Veron Lupi. Der Argentinier ist ein guter Techniker, sein ehemaliger Club Montevideo ist Teil des Joint Ventures Red & Gold mit Bayern München. Er kam nach Zürich, weil GC durch seinen Besitzer Los Angeles FC auch zum Konstrukt gehört.

Bisher hat Veron Lupi als Einwechselspieler ein paar gute Partien gezeigt, aber er ist nicht zum Leistungsträger geworden und wird im September 25 – kein Spieler, der GC irgendwann einmal eine Millionensumme einbringt. 

Die anderen Spieler, die über dieses Netzwerk zu GC gekommen sind, heissen Nestory Irankunda und Grayson Dettoni. Irankunda ist ein Plus für das Team, Dettoni hat noch keine Sekunde gespielt. Beide Leihspieler werden irgendwann zu den Bayern zurückkehren, sehr wahrscheinlich diesen Sommer. Auch das sind Spieler, die für GC keinen Gewinn darstellen und keine Fortschritte bringen. Die Schweizer stehen in der Nahrungskette des amerikanischen Netzwerks offensichtlich nicht zuoberst.

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Die Spieler: Es wird offensichtlich gespart

Die Eigentümer vom Los Angeles FC schafften es bisher nicht, etwas Nachhaltiges aufzubauen. Und die Perspektiven sind wenig erfreulich: Im Sommer laufen rund 20 Verträge aus (inklusive Leihspieler). Das ist zwar auch ein Erbe der Vorgänger aus China, ausbaden müssen es die aktuellen Verantwortlichen trotzdem.

Wer bleiben will, wie jetzt Defensivspieler Dirk Abels für eine weitere Saison, muss auf Geld verzichten. Es ist zu hören, dass GC keine überrissenen Löhne mehr zahlen wird – jedenfalls nicht höher als 20’000 Franken im Monat. Beim Zweitletzten Yverdon soll Antonio Marchesano eine halbe Million jährlich kassieren. Damit will GC nicht (mehr) mithalten.

Einer, dessen Vertrag sich im Winter automatisch um zwei Saisons verlängerte, ist Goalie Justin Hammel. Seit bald zwei Jahren sticht er in diesem Kader mit seinen Leistungen heraus. Aber er sieht seine Zukunft nicht in Zürich, womöglich nicht einmal in der Super League. Wegen der Verlängerung würde GC wenigstens in seinem Fall etwas verdienen. 

Giotto Morandi von den Grasshoppers und Bastien Toma vom FC St.Gallen kämpfen um den Ball im Letzigrund Stadion in Zürich während des Swiss Super League Spiels am 10. November 2024.

Anders ist das bei Giotto Morandi. Sein Vertrag sollte sich nach 22 Einsätzen automatisch verlängern, der Tessiner steht jetzt bei 23. Passiert ist nichts. Die Grasshoppers kommen Morandis Wunsch nach, er darf den Verein im Sommer verlassen. Seit das klar ist, spielt er befreit auf: mit der Captainbinde am Arm, wenn Antreiber Amir Abrashi geschont wird oder fehlt, und mit vier Skorerpunkten in fünf Spielen. Ein Club wie Servette hat ihn im Auge.

Und sonst? Der Japaner Ayumu Seko, einer der letzten Spieler aus der chinesischen Ära, hat ein Angebot von GC auf dem Tisch. Er hat aber andere Pläne. Frage an den Verteidiger jüngst nach einem Match: «Bleiben Sie?» Antwort: «Nein.» Und der Abgang von Tugra Turhan gilt als sicher, das Ausland ruft oder ein besserer Schweizer Club. Der 17-Jährige schoss in zwölf Spielen der 1. Liga 17 Tore und traf einmal bei den Profis – ein Spieler, der als Beleg dafür hätte dienen können, dass der eigene Nachwuchs noch immer grosse Talente hervorbringen kann.

Schon früh zeichnen sich also diverse Abgänge ab. Und die Absichten der Spieler dokumentieren, dass sie nicht an dieses Projekt des amerikanischen GC glauben. 

Die Fans: Ein Brief voller Schmerz

Teile der Fans teilen die Zweifel der Spieler. Das zeigt ein offener Brief, der seit dem verlorenen Derby gegen den FC Zürich am 30. März die Runde machte. «Das Vertrauen in die Führung ist bei vielen GCZ-Fans auf dem Tiefpunkt», schreibt der Verfasser. Das Derby sei symbolisch für den Zustand von GC: «Orientierungslos, planlos, seelenlos.»

Der Brief ist als tiefer Vertrauensverlust in die neue Führung zu verstehen. Er ist ausführlich, er ist deutlich, aber sehr sachlich und darum ernst zu nehmen. Der neue Hauptsitz in der Zürcher Altstadt wird positiv erwähnt. Aber die Zeilen zeigen vor allem, wie viele Fragen die GC-Führung offenlässt. «Enttäuschung entsteht nicht aus Gleichgültigkeit. Sie entsteht aus Liebe.»

Weiter heisst es: «Amerikanische Investoren stehen oft für Visionen, für Drive, für Leadership. Umso erstaunlicher, dass unser Verein heute genau das nicht hat. Wer Grosses aufbauen will, braucht eine starke Person an der Spitze – hier, vor Ort, im Alltag.»

Es ist ein Brief ohne übertriebene Forderungen, geschrieben von Menschen mit einem guten Sinn für die Realität. «Die Fans erwarten keine Garantie auf Platz 6», steht auch darin, «aber sie erwarten, dass man den Weg dorthin sichtbar, glaubhaft und mutig einschlägt.» Und ganz am Ende, mit Blick auf die Besitzer der Grasshoppers: «Ihr entscheidet – doch ohne Veränderung verliert dieser Club alles, wofür er steht.»