Einigung über Mercosur-AbkommenVon der Leyen übergeht Macron bei «historischem» Lateinamerika-Deal
Die EU und Lateinamerika beschliessen eines der grössten Freihandelsabkommen. Ursula von der Leyen hat die Einigung forciert, weil sonst China zum Zug gekommen wäre.
- Ursula von der Leyen verkündete in Montevideo das Mercosur-Freihandelsabkommen.
- Das Abkommen wird von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bauern abgelehnt.
- Hohe Zölle auf europäische und südamerikanische Produkte sollen abgebaut werden.
- Die Einigung verzögerte sich wegen Diskussionen um Umwelt- und Lebensmittelstandards.
Eigentlich wollte Ursula von der Leyen am Samstag unbedingt an der feierlichen Wiedereröffnung der Kathedrale von Notre-Dame teilnehmen. Der Zwischenstopp auf dem Rückweg aus Uruguay wurde am Freitag jedoch kurzfristig abgesagt. Das Zusammentreffen mit Gastgeber Emmanuel Macron wäre wohl unerfreulich verlaufen. Und wütende französische Bauern hätten der Kommissionspräsidentin möglicherweise den Weg versperrt. Weshalb der diplomatische Eklat? Die Kommissionspräsidentin hat am Freitag in Montevideo zusammen mit den Präsidenten von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay die Einigung über Mercosur verkündet, ein Freihandelsabkommen, das Macron und die französischen Bauern dezidiert ablehnen.
Warum aber hat Ursula von der Leyen ihren Förderer Macron übergangen und die Einigung in Montevideo verkündet? Die EU-Kommission hat bei Handelsfragen weitreichende Kompetenzen. Von der Leyen geht davon aus, dass sie die nötigen Mehrheiten unter den Mitgliedsstaaten und im EU-Parlament zum «historischen» Deal in den nächsten Monaten bekommt.
Trump droht mit Zöllen, alternative Märkte sind da sehr willkommen
Es geht um eine der weltweit grössten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Menschen. Kaum vorstellbar, aber die EU und die vier Staaten Lateinamerikas haben die Verhandlungen vor knapp einem Vierteljahrhundert begonnen. Inzwischen drängte die Zeit. Auch wegen der Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus. Die USA könnten unter dem neuen Präsidenten bald schmerzhafte Zölle auf europäische Waren verhängen. Da sind alternative Märkte höchst willkommen. Ein wichtiger Grund ist aber, dass die Region sich sonst noch stärker China zugewandt hätte, das längst bereitsteht.
Es geht also stark um Geopolitik, Einflusssphären und den Zugang zu wichtigen Rohstoffen. Für europäische Unternehmen locken aber auch neue Absatzmärkte. Eine willkommene Perspektive angesichts einer schwachen Konjunktur in Europa. Hohe Zölle auf Autos, Maschinen oder Chemikalien sollen schrittweise wegfallen.
Umgekehrt können die Mercosur-Staaten mehr Fleisch, Obst, Soja, Kaffee oder Zucker nach Europa exportieren. Zum Schutz der europäischen Landwirtschaft und aus Rücksicht auf Frankreich sollen die Märkte bei sensiblen Agrarprodukten nicht vollständig geöffnet werden und die Zollerleichterungen nur für bestimmte Liefermengen gelten.
Die Einigung hat sich lange verzögert, weil die Europäer auch Massnahmen zum Schutz des Regenwalds im Amazonasgebiet und Lebensmittelstandards durchsetzen wollten. Hinzu kommt, dass die Diskussion in einigen Mitgliedsstaaten ideologisch stark aufgeladen ist, Freihandelsabkommen in breiten Kreisen der Bevölkerung verpönt sind.
Die Regierungen in Deutschland, die Nord- und Osteuropäer, aber auch Spanien und Portugal sind dezidiert für den Deal. In Frankreich spricht Emmanuel Macron zwar gern von europäischer Souveränität, die durch Freihandelsabkommen wie Mercosur eigentlich gestärkt wird. Doch der französische Präsident hat seine Bauern im Nacken, die sich vor der Konkurrenz fürchten.
Mehr Rindfleisch für Europa
Im Fokus sind 90’000 Tonnen Rindfleisch, die zusätzlich nach Europa gelangen könnten. Es geht um etwas mehr als ein Prozent des Konsums. Gleichzeitig ist Frankreich nach den USA und den Niederlanden drittgrösster Exporteur von Agrarprodukten.
Anders als die EU verzichtet China in seinen Freihandelsabkommen ganz auf Forderungen nach Umwelt- oder Sozialstandards. Scheitert die EU mit Mercosur und kommt China zum Zug, geht es dem Regenwald im Amazonasgebiet schlechter.
Emmanuel Macron dürfte es zusätzlich als unfreundlichen Akt werten, dass Ursula von der Leyen die politische Schwäche des Präsidenten genutzt hat, um den Deal in Lateinamerika zu verkünden. Allerdings stand das Datum des Gipfeltreffens in Montevideo schon lange fest, als sich der Sturz von Premierminister Michel Barnier abzeichnete.
Am Donnerstag hatte eine Sprecherin der Kommissionspräsidentin den Zwischenstopp in Paris noch bestätigt. Es habe Missverständnisse geben, der Termin sei nie bestätigt worden, hiess es dann am Freitag. Emmanuel Macron hat Ursula von der Leyen von der Zeremonie in der Kathedrale von Notre-Dame wohl wieder ausgeladen.
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