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EU drückt aufs Tempo
EU-Minister erteilen Schweizer Forderung nach einseitiger Schutzklausel eine Absage

Swiss Federal Councilor Ignazio Cassis, right, welcomes Maros Sefcovic, Vice-President of the European Commission during a working visit in Bern, Switzerland, on Wednesday, March 15, 2023. (KEYSTONE/Peter Schneider)
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In Kürze:
  • Die EU verlangt eine Verhandlungslösung ohne die von der Schweiz gewünschten Schutzklausel bis Jahresende.
  • Personenfreizügigkeit bleibt eine Herausforderung, da die Schutzklausel als inakzeptabel gilt.
  • Fortschritte gibt es bei institutionellen Fragen und dynamischer Rechtsübernahme.
  • Ein Gesamtpaket wird von Mitgliedsstaaten gefordert, um Verhandlungen abzuschliessen.

Maros Sefcovic kam mit einer klaren Ansage: Die Verhandlungen mit der Schweiz müssten bis Ende Jahr abgeschlossen werden, und zwar ohne die von der Schweiz gewünschte Schutzklausel bei der Personenfreizügigkeit. Der Vizepräsident der EU-Kommission und Gegenspieler von Bundesrat Ignazio Cassis hat am Dienstag die Vertreter der Mitgliedsstaaten über den Stand der Gespräche mit Bern informiert. Und holte sich dabei die politische Unterstützung für den Schlusspurt der Verhandlungen.

In 120 Treffen seien man weit vorangekommen, sagte Sefcovic. Nun gelte es, sich auf die «letzte Meile» zu konzentrieren und Lösungen für die offenen Fragen zu finden. Der Stellvertreter von Ursula von der Leyen erwähnte konkret die Personenfreizügigkeit und den Schweizer Beitrag zur EU-Kohäsionspolitik als grösste Hürden. Ein Abschluss bis Ende Jahr sei angesichts des Momentums und des bisherigen Fortschritts möglich.

Klar war dabei die Absage zur Schweizer Forderung nach einer Möglichkeit, die Zuwanderung aus der EU zu begrenzen: «Es hat keine Unterstützung für eine einseitige Schutzklausel gegeben», berichtete Sefcovic nach dem Austausch mit den Ministern. Man habe der Schweizer Seite diese Absage bei mehreren Gelegenheit schon klar kommuniziert.

Kein Menu à la carte

Viel Überzeugungsarbeit musste der Slowake im Kreis der Mitgliedsstaaten nicht leisten. Die EU sei kein «Menu à la carte», sagte etwa Luxemburgs Aussenminister Xavier Bettel zur Frage der Schutzklausel. Rosinenpicken sei im Binnenmarkt nicht möglich, die Regeln würden für alle gelten.

Ähnlich klang es bei der Vorbereitung des Ministertreffens in Kreis der EU-Botschafter: Die Schweizer Idee einer Schutzklausel liege ausserhalb der Kompromisszone, auf die man sich in der gemeinsamen Erklärung im Vorfeld geeinigt habe. Das «common understanding» ist der Verhandlungsrahmen, von dem auch die Minister nicht abweichen wollen. Die EU habe sich bei der Personenfreizügigkeit schon flexibel gezeigt und der Schweiz verschiedene Ausnahmen zugestanden. Eine Schutzklausel sei deshalb nicht akzeptabel.

Verschiedene Mitgliedsstaaten fordern zudem, dass die Kommission das Prinzip der Nichtdiskriminierung bei der Personenfreizügigkeit durchsetzt. Konkret geht es darum, dass auch Bürgerinnen und Bürger der neueren EU-Staaten nach fünf Jahren Anspruch auf eine ständige Aufenthaltsgenehmigung der Schweiz haben sollen.

Sefcovic hob jedoch auch die Fortschritte bei den Verhandlungen hervor – etwa bei den lange umstrittenen sogenannten institutionellen Fragen mit der Rolle des Europäischen Gerichtshofs als Streitschlichter letzter Instanz und der dynamischen Rechtsübernahme durch die Schweiz.

Bei den staatlichen Beihilfen soll die Schweiz äquivalente Regeln zur EU einhalten, überwacht durch eine unabhängige Behörde. Beim Strom ist die Schweiz laut der Kommission bereit, entscheidende Elemente des Strommarktdesigns der EU zu übernehmen. Offene Punkte gebe es noch bei den Kompetenzen der Regulierer und bei bestehenden Subventionen in der Schweiz.

Streitpunkt Kohäsionsbeitrag

Geeinigt hat man sich auch, dass die Schweiz künftig regelmässig und ohne Lücken ihren Kohäsionsbeitrag leistet – als Preis für die Teilnahme am Binnenmarkt. Dies ist auch ein Anliegen, das von den neueren Mitgliedsstaaten Osteuropas in den Vorgesprächen betont wurde.

Sefcovic beklagte jedoch vor den EU-Ministern, dass die Schweiz sich bislang auf keine Höhe für den regelmässigen Kohäsionsbeitrag festlegen wolle. Der Bundesrat wolle sich diese Frage wohl für die Schlussrunde vorbehalten, heisst es in internen Papieren. Umgekehrt bremst die EU-Kommission bei der Schweizer Beteiligung an europäischen Programmen wie jenem zur Forschung.

Horizon Europe will die EU-Kommission auch im Schlussspurt der Verhandlungen als Hebel nutzen. Ebenso wie das Interesse der Schweiz an Abkommen in den Bereichen Lebensmittel, Elektrizität sowie Gesundheit. Die Schweiz habe zudem Interesse, die EU-Beförderungsrechte im Luftverkehr übernehmen zu können. Dies sei ein weiterer Hebel, um EU-Interessen durchzusetzen. Ziel sei ein ausgewogenes Gesamtpaket. Umgekehrt will die EU sicherstellen, dass die Schweiz internationale Zugverbindungen auf ihren Schienen auch praktisch zulässt, nicht nur theoretisch.

Nur als Gesamtpaket

Der Grossteil der Mitgliedsstaaten drängt darauf, am Gesamtpaket auch mit den neuen Abkommen festzuhalten – und nicht etwa den Strom auszuklammern. Maros Sefcovic machte gegenüber den Mitgliedsstaaten klar, dass die Zeit dränge. Die Schweiz habe es nicht eilig und sehe weniger Anpassungsbedarf. Zudem werde sich mit Blick auf die Abstimmung über die Nachhaltigkeitsinitiative das politische Klima verschlechtern.

Brüssel setzt insbesondere darauf, dass es vor dem 6. November noch Bewegung gibt. Dann will der Bundesrat laut Kommission eine Zwischenbilanz ziehen. Die EU-Kommission rechnet fest damit, dass der Schweizer Chefunterhändler Patric Franzen sich dort die Zustimmung für letzte Kompromisse holen wird. So könnte es mit einem Abschluss Ende Jahr tatsächlich klappen.

Bundespraesidentin Viola Amherd links, und Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspraesidentin, diskutieren nach einem gemeinsamen Auftritt vor den Medien, am Montag, 18. Maerz 2024 am am Sitz der EU-Kommission in Bruessel, Belgien. Der Besuch der Bundespraesidentin markiert den offiziellen Beginn der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)