EU-Gipfel in BudapestDas Team Europa ist genau jetzt gefragt – aber zu sehr mit sich selbst beschäftigt
Soldaten aus Nordkorea kämpfen auf der Seite von Wladimir Putin, und Donald Trump kehrt ins Weisse Haus zurück. Doch die EU findet keine Antworten und gibt ein klägliches Bild ab.
Die Kulisse war kein Zufall, Viktor Orban gilt als grosser Fussballfan. Ein Gipfeltreffen in einem Fussballstadion, das war ganz nach dem Geschmack des ungarischen Regierungschefs. Orban hat einige davon in seinem Land aufstellen lassen, gerne von befreundeten Baufirmen ausgeführt und auch mit EU-Geldern finanziert. Doch das wäre ein anderes Thema. Viktor Orban kann derzeit vor Kraft kaum gehen. Er hat den direkten Draht zu Wahlsieger Donald Trump und damit einen Vorsprung gegenüber Gästen aus den anderen 26 EU-Staaten. Der Wettlauf um die Gunst des Rückkehrers im Weissen Haus hat begonnen, das war auch beim Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft am Donnerstag und am Freitag beim informellen EU-Gipfel im kleineren Kreis zu beobachten.
Wer hat schon mit Donald Trump telefoniert, wer wird es bald tun? Um bei der Kulisse zu bleiben: Beim Fussballspiel treten verschiedene Mannschaften gegeneinander an. Das Team Europa ist derzeit nicht besonders gut aufgestellt. Das fängt bei Orban an, dem Gastgeber der Austragung in Budapest. Auf den Trump-Fan ist kein Verlass, er scheint eher für Europas Gegner zu spielen. Ein Spieler der gegnerischen Mannschaft im eigenen Team, eine denkbar schlechte Ausgangslage. Aber auch sonst fehlen Europa die verlässlichen Player und vor allem die kreativen Spielgestalter.
Es ist da eine aufgeschreckte, ratlose Runde, die sich in Budapest versammelt hat. Olaf Scholz ist mit den Wirren in Berlin absorbiert, hat weniger denn je Zeit für Europa und steht womöglich kurz vor dem Abgang. Auf Frankreichs Emmanuel Macron und seinen europäischen Visionen ruhten mal grosse Hoffnungen. Er wirkt mit seinen Sololäufen in Budapest nur noch verzweifelt, fiel mit düsteren Bildern auf von einer Welt, in der die Fleischfresser über die Vegetarier herfallen könnten, wobei er die Europäer in der Rolle der bedauerlichen Pflanzenfresser sieht.
In den Niederlanden regiert ein Technokrat von Geert Wilders Gnaden, einer Ikone der europäischen Rechtspopulisten. Belgien hat derzeit ebenso wie Österreich nur eine geschäftsführende Regierung, und die Suche nach einer tragfähigen Koalition erweist sich als sehr schwierig. Die Reihen im Team Europa sind jedenfalls gerade ausgedünnt.
Stargäste in Budapest
In Budapest waren zwei Stargäste eingeladen, um das Team Europa zu mehr Mut und Geschlossenheit anzufeuern. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski schilderte die Lage an der Front im Verteidigungskrieg gegen den russischen Aggressor, der neuerdings auf die Unterstützung von rund 10’000 Soldaten aus Nordkorea zählt. Es ist diese neue russische Eskalation, über die das Team Europa in Budapest hätte reden müssen. Der Kriegspräsident klingt so besorgt wie nie. Das Comeback von Donald Trump, es könnte für sein Land existenzielle Folgen haben. Team Europa wäre gefragt, hier einzuspringen.
Die Präsenz von nordkoreanischen Soldaten auf europäischem Boden ist eine neue Qualität, die auch unabhängig von Trumps Rückkehr die Europäer aufrütteln müsste. Der russische Präsident ist einer der «Fleischfresser», vor denen auch Emmanuel Macron gewarnt hat. Die Ukraine ist das erste Opfer, doch auch Balten und Polen müssen sich fürchten.
Eine entschlossenere Antwort der Europäer sei nötig, sagte Selenski. Und warb einmal mehr für mehr Waffen und dafür, westliche Abwehrraketen auch gegen logistische Ziele in Russland zu nutzen. Die Staats- und Regierungschefs hörten zu, um dann rasch zur Tagesordnung überzugehen.
Der andere Stargast war Mario Draghi. Der ehemalige Euronotenbankchef hat einen kritischen Report über Europas Wettbewerbsfähigkeit geschrieben, in dem er vor einer langsamen Agonie des Kontinents warnt. Nötig wären weniger Bürokratie, mehr Investitionen, mahnte der Italiener die Runde.
Auch in Europas Verteidigungsfähigkeit, aber ebenso in Innovation und Zukunftstechnologien. Am Ende geht es ums Geld, nicht nur für die Ukraine. Am Geld ist auch die Koalition in Berlin gescheitert. Olaf Scholz hatte es am Freitag eilig, wieder nach Hause zu kommen. Das Team Europa ist zu sehr mit sich selber beschäftigt, um in nächster Zeit wieder gewinnen zu können.
Fehler gefunden?Jetzt melden.