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Dubai-Schokolade, Croissants und Co.
Warum die Pistazie boomt

Pistachio nuts, high angle view
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In Kürze:
  • Die Pistazie erlebt einen Boom dank ihrer Beliebtheit auf sozialen Medien und geschicktem Marketing von Pistazienbauern.
  • Die steigende Nachfrage könnte eine Pistazien-Knappheit und höhere Preise verursachen.
  • Pistazien stammen aus Wüstengebieten und sind an den Klimawandel angepasst.

Über die Pistazie gibt es die Legende, dass Königin Saba, eine frühgeschichtliche biblische Gestalt, die grüne Köstlichkeit zu einer königlichen Delikatesse ernannte und es dem gemeinen Volk verbot, sie anzubauen. Von dieser Exklusivität ist heute wenig übrig:

Die Pistazie ist gerade allgegenwärtig.

Die sozialen Medien sind voll von leuchtend grünen Desserts: Pistazien-Tiramisù, Pistazien-Cheesecake, Pistazien-Panettone. Beliebt sind besonders die mit Pistaziencreme gefüllten Croissants, die nun auch Grossverteiler ins Sortiment aufnehmen. Bei Coop etwa sind die «Sapori Cornetti Pistacchio» seit Mitte Oktober schweizweit erhältlich. Sie seien «sehr beliebt» bei der Kundschaft und die Nachfrage sei hoch, richtet die Medienstelle aus.

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Fast schon absurde Dimensionen hat der Hype um die Dubai-Schokolade angenommen, eine mit Pistaziencreme gefüllte Schokolade, die zuerst viral ging und nun in den Geschäften und Chocolaterien besten Absatz findet. Auch ausserhalb der Kulinarik ist die Pistazie en vogue: Auf Wohnblogs finden sich ganze Wohnungen und Küchen im charakteristischen Grün gestaltet, und Liebhaberinnen sprühen sich die Pistazie als Sommerduft auf die Haut.

Royal ist an der Pistazie also höchstens noch der Preis: Rund 7 Franken zahlt man beim Grossverteiler für ein 100-Gramm-Säcklein mit den grünen Kernen. Und der Marktwert könnte weiter steigen, sollten die Produzenten der hohen Nachfrage nicht nachkommen können. Bereits wird vor einer Pistazien-Knappheit mit explodierenden Preisen gewarnt.

Das mag etwas voreilig sein, doch in der Tat gedeiht der Pistazienbaum in einer Wechselkultur: Auf ein oder zwei Jahre mit hohen Erträgen folgt eine Saison mit geringer Ernte. Genau so ein «off year» erleben die kalifornischen Pistazienbauern derzeit. Die grosse Frage sei nun, ob das die Preise in die Höhe treiben werde, heisst es in einem lokalen US-Onlineportal für Agrarthemen.

Pistazienbauern mit Marketingoffensive

Eine magere kalifornische Ernte hätte Auswirkungen bis in Schweizer Läden: Die USA sind die weltweit grössten Pistazienproduzenten, und innerhalb von Amerika wird das «grüne Gold» fast ausschliesslich in Kalifornien kultiviert. Weitere wichtige Lieferanten sind die Türkei und der Iran, wo die Pistazie ursprünglich herkommt. In Europa tragen die mediterranen Länder zur Produktion bei: Spanien, Griechenland und Italien.

GAZIANTEP, TURKEY- AUGUST 2: The harvest of Gaziantep's famous pistachios, known as 'green gold', has started on August 2, 2023 in Gaziantep, Turkey. Theft incidents increased as the price of Boz Pistachio, which competes with gold, approached a thousand TL. Although pistachio owners started to hire armed guards to protect the fields, they could not prevent the thefts. Blue beret commandos landed in the fields to protect pistachios. (Photo by Ugur Yildirim/ dia images via Getty Images)

Die steigende Beliebtheit der Pistazie widerspiegelt sich in den Produktionsmengen: 2022 wurden weltweit mehr als 1 Million Tonnen Pistazien hergestellt, wie Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zeigen. Zehn Jahre davor waren es noch ein Viertel weniger.

Das Wachstum mag auch daran liegen, dass die amerikanischen Pistazienbauern in den letzten Jahren eine Marketingoffensive gestartet haben. Während der Pandemie veranstalteten sie Kochshows für internationale Journalisten und betonten die gesundheitlichen Vorteile der Pistazie, die botanisch übrigens keine Nuss, sondern eine Steinfrucht ist.

Bekannt sind in den USA auch die Werbespots der Marke «Wonderful Pistachios». Der Nahrungsmittelkonzern dahinter schaltete in vergangenen Jahren mehrfach Werbung am American-Football-Final Superbowl, dem begehrtesten Sendeplatz der amerikanischen Werbeindustrie.

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Aber auch abgesehen von den Bemühungen der amerikanischen Industrie ist die Pistazie sehr gegenwärtig. Das hat mehrere Gründe: Sie ist ein gesunder Snack, reich an Proteinen, wertvollen Fetten und Ballaststoffen. Dazu kommt ihre herrlich frische Farbe – very instagrammable. Ausserdem versprüht sie orientalisches Flair, und das scheint besonders bei der jungen Generation einen Nerv zu treffen.

Aktueller Beweis ist der Hype um die Dubai-Schokolade – aber auch in der Musik und der Jugendsprache zeigt sich ein Einfluss der arabischen Kultur. So ist etwa «Talahon», ein aus dem Arabischen entlehnter Begriff für junge Männer mit stereotyp männlich-dominantem Auftreten, eines der Jugendwörter dieses Jahres. Auch der Ausdruck «Habibi» (arabisch für Schatz oder Geliebter) ist unter Jungen verbreitet. Und der Onlinehändler Galaxus vermeldete kürzlich eine «arabische Duftwelle»: Der Absatz von Parfümen mit orientalischen Noten habe sich in den letzten zwei Jahren vervielfacht, zwei Drittel der Käuferschaft seien unter 34-Jährige.

Widerstandsfähiger Pistazienbaum

Noch ein ganz anderes Argument verheisst der Pistazie über den aktuellen Boom hinaus gute Perspektiven: Sie scheint besser an den Klimawandel angepasst als andere Pflanzen in der Agrarwirtschaft. Aus seiner Heimat im Nahen Osten ist der widerstandsfähige Pistazienbaum heisse Temperaturen und Dürreperioden gewohnt. Gleichzeitig erträgt er auch Minustemperaturen.

In Spanien, wo viele Regionen zunehmend mit extremer Hitze und Wasserknappheit kämpfen, satteln darum viele Bauern auf die Pistazie um. Die Anbaufläche wächst jedes Jahr um mehrere Tausend Hektaren, wie «Swissinfo» kürzlich berichtete. Sie habe sich innerhalb von sieben Jahren verfünffacht – Spanien ist nun viertgrösster Produzent nach den USA, dem Iran und der Türkei.

Allerdings haben Pistazienbäume, die 200 bis 300 Jahre alt werden können, einen hohen Wasserbedarf, besonders während der Nussproduktion. Ausserdem werden sie bislang fast immer aus fernen Ländern importiert. Ist die Pistazie also die nächste Umweltsünde unter den Lebensmitteln, sozusagen die neue Avocado?

So dramatisch ist es nicht. Christoph Meili, Footprint- und Konsumexperte bei WWF Schweiz, schätzt die Ökobilanz der Pistazie als besser ein als jene von frisch per Flugzeug transportierten Früchten. Denn die Transportart sei für die Umweltbilanz insgesamt entscheidender als der Wasserverbrauch im Anbau. «Pistazien sind getrocknet gut lagerbar», sagt Meili. «Sie können daher per Schiff statt per Flugzeug importiert werden – das ergibt pro Kilo transportiertem Nahrungsmittel einen 10- bis 20-fach geringeren CO2-Fussabdruck.»

Na dann: «Get crackin’ – Lassen wirs krachen», um es mit dem Werbeslogan von «Wonderful Pistachios» zu sagen.