Weniger Regeln für US-FinanzsektorTrump-Regierung will die Banken entfesseln
Der künftige US-Präsident könnte die Regulierungen für die Finanzbranche lockern. Die Bankenlobby frohlockt bereits – auch in Europa.
![Republican presidential nominee former President Donald Trump points to the crowd at an election night watch party, Wednesday, Nov. 6, 2024, in West Palm Beach, Fla. (AP Photo/Julia Demaree Nikhinson)](https://cdn.unitycms.io/images/7PrRYgKI4OaBtSGSjOinHx.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=5p8TQLkWgK0)
- Donald Trump könnte Bankenregulierungen stark lockern.
- Banken haben ihre Wunschlisten für Deregulierungen bereits an Trump übermittelt.
- Die Basel-III-Reformen könnten mit Trumps Rückkehr weiter verwässert werden.
- Zu lockere Kapitalregeln für Banken könnten den Finanzsektor wieder instabil machen, fürchten Experten.
Es gehört zu den Konstanten der Wirtschaftsgeschichte, dass Bankenchefs jammern, sobald die Volksvertreter strengere Regeln einführen möchten. Insofern war die fortwährend scharfe Kritik Jamie Dimons an den Plänen der Biden-Administration, die Kreditinstitute strenger zu regulieren, keine Überraschung. Zuletzt blies der Chef der weltgrössten Bank JPMorgan Chase zum Aufstand, als er sagte, es sei an der Zeit, «zurückzuschlagen».
Mit der baldigen Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus dürften die Erwartungen von Dimon und seiner Branchenkollegen nun erfüllt werden, auch wenn Dimon als Anhänger der Demokraten gilt und als Finanzminister unter Kamala Harris gehandelt wurde. Trump wird aller Erwartung nach die Banken wieder machen lassen, was sie wollen – entsprechend schreiben die Kreditinstitute schon eifrig ihre Wunschlisten. Bereits am Tag nach der Wahl schnellten die Aktien der grossen Wallstreet-Banken deutlich in die Höhe.
Ob Verbraucherschutz, Übernahmen, Kryptowährungen, Bankenaufsicht oder Private-Equity-Deals: Mit seiner Mehrheit im US-Kongress kann der Republikaner Trump die Uhr zurückdrehen, um die Lehren aus der globalen Finanzkrise 2008 endgültig dem Vergessen preiszugeben. Auch Gary Gensler, der strenge – aber in der Finanzbranche unbeliebte – Chef der US-Börsenaufsicht SEC könnte bald seinen Job verlieren.
Am liebsten würde Donald Trump auch die Kontrolle über die von der Politik seit jeher unabhängige US-Notenbank Fed übernehmen, was ein weiterer Tabubruch wäre. Im Rennen als mögliche Finanzminister sind der Milliardär Scott Bessen, aber auch Howard Lutnick, Chef der Wallstreet-Bank Cantor Fitzgerald, der gerade mit Äusserungen auffiel, wonach Impfungen generell gefährlich seien. In den Handelsräumen der grossen Banken herrscht derzeit jedenfalls Jubelstimmung.
Lobbyisten haben bereits unter Biden viel erreicht
In Sachen Aufweichung der Bankenregulierung haben die Lobbyisten schon unter US-Präsident Joe Biden viel erreicht. Der Streit entzündete sich unter anderem an den globalen Regulierungsvorschlägen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht. Das Gremium, angesiedelt bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), ist als «Zentralbank der Zentralbanken» für die internationale Bankenregulierung zuständig.
Die Experten aus 28 Ländern beschlossen 2017 auf Basis der Erfahrungen aus der globalen Finanzkrise 2008 das sogenannte Basel-III-Reformpaket: Banken müssen mehr Eigenkapital vorhalten, um im Ernstfall Verluste ohne Zuschuss des Steuerzahlers abfedern zu können. Diese Vorschläge sollen nun in Gesetze gegossen werden. In den USA spricht man vom «Basel III endgame».
Die US-Notenbank Federal Reserve hat im September nach heftigem Lobbydruck aus dem Bankensektor eine abgeschwächte Version ihres endgültigen Reformpakets vorgelegt, in der die zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen um mehr als die Hälfte gekürzt und die Zahl der Banken, für die es gelten würde, verringert wurden.
Die USA haben die Einführung des Regelwerks zudem auf 2026 verschoben, Grossbritannien und die EU haben sich angeschlossen. Mit Trump könnten die ohnehin verwässerten Regeln ganz kippen – der Druck auf die Politiker im Rest der Welt, die Reformen auszuhebeln, dürfte wachsen. Banken würden Konkurrenznachteile mit den US-Instituten geltend machen. «Es wird Stimmen in der EU und in Grossbritannien geben, die eine Pause oder Änderungen der Regeln fordern», sagte Sebastien de Brouwer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Europas grösster Bankenlobby, der European Banking Federation.
Bankenlobby wehrte sich gegen strenge Gesetze
Die globale Finanzkrise 2008 ist vor allem durch ungezügelte Kreditgeschäfte ausgelöst worden. Die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers gab den Startschuss zu einem weltweiten Dominoeffekt. Zahlreichen Instituten drohte der Kollaps.
Auch die Schweiz kam bekanntlich nicht ungeschoren davon. Die beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse waren stark von der Subprime-Krise betroffen. In der Folge musste die UBS von Bund und Nationalbank in einer beispiellosen Aktion gerettet werden. Die Bank schloss das Geschäftsjahr 2008 mit einem Defizit von 20 Milliarden Franken – dem höchsten je verzeichneten Verlust eines Schweizer Unternehmens.
Der öffentliche Ärger auf den Bankensektor war weltweit riesig. Die Menschen litten unter der durch die Finanzschmelze ausgelösten Wirtschaftskrise mit Rezession und Arbeitslosigkeit. Nie wieder sollte sich das wiederholen, so das Mantra der Politiker damals: Die Experten in Basel machten sich an die Arbeit und erhöhten die Kapitalanforderungen für den Sektor.
Doch inzwischen wurde das Paket in vielen Staaten völlig verwässert. Die Bankenlobby tat alles, um die strengeren Gesetze abzumildern.
Laisser-faire führte zum Untergang der Credit Suisse
Wie schnell Regulierungserleichterungen Krisen nach sich ziehen können, zeigt ein Beispiel aus der ersten Trump-Regierung aus dem Jahr 2018, als US-Regionalbanken mit einem Bilanzvolumen von bis zu 250 Milliarden Dollar von wichtigen Liquiditätsvorschriften befreit und von den als bürokratisch empfundenen Stresstests verschont wurden. Zudem hatten einige Geldhäuser teils noch nicht mal einen Risikochef. Dieses Laisser-faire ging nur wenige Jahre gut. Die Zinswende erwischte einige grosse Regionalbanken auf dem falschen Fuss, allen voran die Silicon Valley Bank. Ihr Zusammenbruch löste nicht nur die regionale US-Bankenkrise 2023 aus, sondern schwappte nach Europa und gab in der Schweiz der angeschlagenen Grossbank Credit Suisse den Rest.
Die Chefin der EZB-Bankenaufsicht, Claudia Buch, warnte vergangene Woche vor schwerwiegenden Folgen, sollten Regulierung und Aufsicht gelockert werden. «Ein solcher Politikwechsel würde das hart erkämpfte Gleichgewicht zwischen Wachstum und Stabilität auf die falsche Seite kippen.» Die Ökonomin befürchtet, zu lockere Kapitalregeln für Banken würden zu weniger Stabilität führen – ohne mehr Wachstum zu schaffen.
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