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Martullo-Blocher im Interview
«Die Ausgangslage ist sehr gut. Trump liebt die Schweiz»

Magdalena Martullo-Blocher demonstriert EMS-Chemie Produkte bei der Bilanzmedienkonferenz 2025 in Domat/Ems.
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Man müsste meinen, Magdalena Martullo-Blocher würde zurzeit schlecht schlafen. Die SVP-Politikerin ist Hauptinhaberin und Chefin des weltweit tätigen Unternehmens Ems-Chemie, das hoch spezialisierten Kunststoff herstellt. Sie verdient ihr Geld in Europa, in China und den USA, während der Welt ein Handelskrieg droht. Ihr Hauptkunde ist die Autoindustrie, um die es vor allem in Europa schlecht steht.

Doch Martullo nimmt das alles ziemlich gelassen, als sie den Medien die Zahlen der Ems-Gruppe für 2024 vorstellt. Sie strotzt vor Zuversicht. Zwar ist der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückgegangen, von 2,189 Milliarden Franken auf 2,071 Milliarden. Doch zu einem grossen Teil liegt das laut Martullo an Währungseffekten wie dem starken Franken und den tieferen Rohstoffpreisen, welche ihre Produkte insgesamt verbilligt hätten.

Die Auftragsbücher seien gut gefüllt und das Betriebsergebnis habe sogar deutlich gesteigert werden können, um 9,5 Prozent auf 539 Millionen Franken. Auch für das nächste Jahr rechnet die Ems mit einem leicht sinkenden Umsatz und leicht steigendem Betriebsergebnis. Dies trotz der weltweiten Unsicherheiten, wie Martullo-Blocher im Interview ausführt.

Haben Sie vor den von Donald Trump angekündigten Strafzöllen keine Angst, Frau Martullo?

Nein, wir sind nicht betroffen. Die Kunststoffteile, die Ems für den amerikanischen Markt herstellt, werden alle entweder direkt in den USA oder der Schweiz hergestellt. Im Gegenteil, ich bin überzeugt, dass die Schweiz bald ein Freihandelsabkommen haben wird mit den USA. Die Ausgangslage ist sehr gut. Trump liebt die Schweiz. 

Sie haben kürzlich in einem Interview mit dieser Redaktion gesagt, dass Sie sich während Trumps erster Amtszeit persönlich beim US-Botschafter für ein Freihandelsabkommen stark gemacht haben. Sind Sie schon wieder in Kontakt mit der Trump-Administration?

Wir bei der SVP haben sehr gute Beziehungen zu den Republikanern und Trump. Bereits im vergangenen Jahr haben die Republikaner wieder den Kontakt zu uns aufgenommen, also zur offiziellen Schweiz, aber auch zu mir persönlich. Wir haben vor, noch dieses Jahr ein Freihandelsabkommen mit den Amerikanern zu verhandeln.

Trump polarisiert sehr stark und löst damit in der Weltwirtschaft viel Verunsicherung aus. 

Das macht er natürlich bewusst. Er ist schlau, sein Konzept ist es, zuerst mal alles infrage zu stellen und dann neu zu verhandeln und etwas für die USA herauszuholen. Das hat er jetzt zum Beispiel bei Mexiko geschafft. Aber sein Verhalten schafft auch Unsicherheit, und das ist für die Wirtschaft und die weltweiten Lieferketten nicht gut. 

«Wir sind schneller als die Chinesen – und das will etwas heissen.»

Wird die Schweiz unter dem Strich von Trump als Präsident profitieren?

Wir haben diese Verunsicherung nicht, als neutraler Staat profitieren wir. Wir haben gute Beziehungen zu den USA. Wir dürfen uns auf keinen Fall an die EU anhängen, deren Beziehungen mit den Republikanern sind sehr schlecht. Trump mag uns auch genau deshalb, weil wir nicht in der EU sind.

Martullo ist bekanntlich nicht nur Unternehmerin, sondern auch Nationalrätin und eine der einflussreichsten Politikerinnen der Schweiz. Und die Art und Weise, wie sie ihr Unternehmen aufstellt, deckt sich ziemlich gut mit ihrer Sicht auf die Welt: Die Schweiz beziehungsweise die Ems als unabhängiger Player, der mit allen geschäftet und sich alle Optionen offenhält. 

So kommt für die Ems-Chemie das Geschäft mit den USA erst an dritter Stelle nach Deutschland und China. Während sie in Amerika knapp 13 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaftet, sind es in Deutschland fast 20 Prozent und in China aufgerundet 17 Prozent.

Die Ems stellt Plastikteile für alles Mögliche her, von Schwimmbrillen über Kaffeemaschinen bis zu Bändern für die Apple-Brille. Zwei Drittel des Umsatzes stammen jedoch aus dem Geschäft mit der Autoindustrie.

Frau Martullo, man hört immer, die Autoindustrie sei in der Krise, spüren Sie das nicht?

Global betrachtet, geht es der Branche nicht schlecht. Es sind die westlichen Hersteller, die zu kämpfen haben. In China läuft das Geschäft. Wir produzieren für alle Hersteller und sind nicht gross betroffen, wenn sich die Marktanteile verschieben. 

Haben Sie keine Angst, dass eines Tages China nicht nur auf eigene Autos, sondern auch auf eigenen Spezialkunststoff setzt?

Es gibt natürlich bereits chinesische Hersteller, aber die sind nicht so gut wie wir. Unser Vorsprung beträgt Welten, aber wir müssen natürlich auch innovativ bleiben. Unsere grosse Stärke ist die Geschwindigkeit. Wir sind sehr schnell, die Chinesen sagen, sogar schneller als sie – und das will etwas heissen. 

Die Amerikaner haben auch gedacht, dass sie China bei der künstlichen Intelligenz weit voraus sind, und dann kam vor kurzem das extrem leistungsfähige Modell der chinesischen Firma Deepseek …

Wir müssen natürlich immer dranbleiben. Chinesische Unternehmen sind sehr gut darin, Produktionsprozesse zu optimieren. Aber unsere Kernkompetenz ist die Innovation: Wie kann man ein Bauteil aus Kunststoff herstellen, sodass es nachher besser oder billiger ist. Das ersetzt man nicht mit Produktionsprozessen. 

Eine aktuelle Innovation ist zum Beispiel ein Kunststoff, der bei deutlich niedrigeren Temperaturen geformt werden kann. Unter anderem der chinesische E-Autohersteller BYD und die deutsche Audi wollen ihn dieses Jahr einführen. Laut Martullo-Blocher können Autohersteller weltweit so 1,4 Milliarden Franken an Energiekosten pro Jahr einsparen.

Noch spektakulärer ist jedoch die Zusammenarbeit mit einem anderen chinesischen Unternehmen: Dieses stellt selbstfliegende Drohnen her, die Menschen transportieren können. Die Ems-Chefin hatte bereits an der vorjährigen Medienkonferenz vom Projekt erzählt. Mittlerweile habe die Drohne schon drei von vier nötigen Tests für die Zulassung erfolgreich absolviert.

Auch sonst sieht Martullo-Blocher grosse Chancen für ihr Unternehmen. Ihre Mitarbeitenden hätten Wachstumspotenzial ausgemacht, das doppelt so gross sei wie das heutige Verkaufsvolumen. Dafür will sie bis Ende Jahr das Personal um rund 75 Prozent aufstocken im Vergleich zu 2023, vor allem in Europa, China und den USA. Während die Welt um Atem ringt, schaut Martullo also entspannt in die nahe Zukunft.

Was raten Sie Schweizer Unternehmen, die sich angesichts der weltweiten Lage Sorgen machen?

Nicht nervös zu werden, aber die Lage ernst zu nehmen. Es wird sicher Störungen geben, aber auch Lösungen. Unternehmen, die in erster Linie nach Europa verkaufen, sollen sich auch nach anderen Absatzmärkten umsehen, denn Europa ist wirtschaftlich nicht mehr so stark, wie es einmal war. Es ist wichtig, mit allen zu handeln, und gerade deshalb ist es auch so wichtig, dass die Schweiz ihre Neutralität behält. 

Zumindest für die Ems-Chemie und Martullo scheint das Konzept aufzugehen. Das Unternehmen verdiente im vergangenen Jahr 466 Millionen Franken, die insgesamt ausgezahlte Dividende wuchs um fast acht Prozent.