Kommentar zu Banken und RohstoffhandelDie USA greifen wieder an – wir tragen selbst die Schuld daran
Auch wenn die Argumente der Angreifer teilweise abwegig sind, hat sie die Schweiz durch eine Kultur des Wegschauens erst ermöglicht.
Der Anlass war fast schon skurril. Doch die Ausgangslage war klar: Die Schweiz sass bei der Helsinki-Kommission auf der Anklagebank. Sie verstecke russisches Vermögen und helfe so, den Krieg in der Ukraine zu verlängern. «Wir können nicht zulassen, dass das Bankgeheimnis der Schweiz die westlichen Mächte daran hindert, korrupte Politiker zu isolieren», sagte US-Senator Ben Cardin.
Die Helsinki-Kommission ist ein gemeinsames Gremium von US-Gesetzgebern und -Behörden. Am Dienstag hatte sie zu einer Anhörung in Washington eingeladen. Dort wurde die Schweiz als Bananenrepublik dargestellt. Für die US-Abgeordneten sei die Schweiz zwar ein Ort, in dem das Rechtssystem nicht funktioniere, wo die Behörden ihren Job nicht erledigten. Kurz: ein Ort, wo die Korruption ungehindert gedeihen könne. Klar sei die Schweiz ein «Freund», doch manchmal müsse man einem Freund auf die Sprünge helfen.
Eine harte Hand habe da früher schon geholfen. «Sie waren nicht bereit, das Nazi-Gold an das jüdische Volk zurückzugeben, bis sich der Kongress einschaltete», so der US-amerikanische Aktivist Bill Browder. Die Schweiz in die Mangel zu nehmen, könne sich jetzt auch wieder lohnen.
Sind in der Schweiz 200, 300 oder 400 Milliarden Franken russisches Vermögen versteckt? Quellen dazu spielten bei der Anhörung keine Rolle: Es sei jedenfalls ein Vielfaches mehr als die von der Schweiz offiziell gemeldeten 7,5 Milliarden, so der Tenor der Kommission.
Die Schweiz macht es ihren Kritikern im Ausland viel zu einfach.
Absurd wurde es, als Olena Tregub von der ukrainischen Nichtregierungsorganisation Nako ihren Auftritt hatte. Sie sagte, leider seien die USA das führende Land unter den westlichen Staaten, von dem kritische Dual-Use-Güter nach Russland gelangten. Aber unter den europäischen Ländern sei die Schweiz die Nummer eins. Den Satz zur Rolle der USA überhörten die Abgeordneten schlicht – aber gegen die Rolle der Schweiz, da müsse man etwas unternehmen.
Die Rolle der USA stand auch nicht zur Diskussion, sondern die der Schweiz als Helferin Putins. Die Kommission wird daher auf dem Schweizer Finanzplatz bereits wieder als ein Werkzeug des Auslands angesehen, um die hiesigen Banken zu schwächen. Sie seien so erfolgreich, dass man im Ausland neidisch sei und jede Plattform nutze, um ihrem Ruf zu schaden.
Trotz der zum Teil abwegigen Argumente der US-Angreifer liegt das Problem tiefer: Die Schweiz macht es ihren Kritikern im Ausland viel zu einfach. Der lasche Umgang mit Anwälten, Treuhändern und Vermögensverwaltern macht unser Land angreifbar. Wie diese Redaktion mehrfach berichtet hat, sitzen viele dieser Gehilfen der russischen Oligarchen in der Schweiz. Befürchten müssen sie aber wenig. Das war auch der Grund für den harschen Brief der G-7-Staaten an den Bundesrat vom letzten April. Darin wurde die Schweiz aufgefordert, «verdächtige Finanzstrukturen aktiv zu untersuchen».
Wieso handelt die Schweiz bei der Suche nach russischen Vermögen nicht von sich aus?
Und die Schweiz gerät noch wegen eines zweiten wichtigen Themas auf das US-Radar. Wie die NZZ berichtet, wollen die USA nun genauer wissen, was die Schweizer Rohstoffhändler so treiben. Vertreter des US-Finanzministeriums werden deshalb in die Schweiz reisen. Auch die Branche hat wegen heikler Rohstoffgeschäfte mit Russland und gigantischer Gewinne ein Reputationsproblem. Denn als die Rohstoffmärkte wegen des Kriegs in der Ukraine und der Sanktionen verrückt spielten, spülte ihnen das viel Geld in die Kasse.
Dass es die schweizerischen Behörden nicht schaffen oder nicht schaffen wollen, verlässliche Angaben über den Rohstoffhandel in der Schweiz zu erhalten, ist höchst fragwürdig. Mehr als ein dünner Rohstoff-Bericht alle zwei bis drei Jahre liegt nicht drin. Das war schon vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine heikel – seither ist es ein unkalkulierbares Risiko.
Doch wieso handelt die Schweiz bei der Suche nach russischen Vermögen nicht von sich aus? Wieso gibt es immer noch kein Verzeichnis der wirtschaftlich Berechtigten? Wieso will die offizielle Schweiz über den Rohstoffhandel nichts wissen, auch wenn das Geschäft hier seit Jahren an Bedeutung gewinnt?
Wer auf diese Fragen Argumente liefern kann, muss sich vor ausländischen Gremien wie der Helsinki-Kommission nicht fürchten. Wer aber keine Antworten parat hat, weil er es schlicht nicht so genau wissen will – für den könnte es ungemütlich werden.
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