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Handballer der SG Wädenswil/Horgen
Der Regisseur bereitet seine Derniere vor

Hat seinen Abgang nach 21 Jahren als Handballer von langer Hand geplant: Simon Gantner, als Spielmacher und Leistungsträger eine zentrale Figur im Team des Nationalliga-B-Spitzenclubs SG Wädenswil/Horgen.
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Zum Interview in Egg, wo er mit seiner Familie seit bald einem Jahr wohnt, kommt Simon Gantner direkt von der Kita.  Noch halb in Gedanken bei seinen beiden Kindern, die er dort hinbegleitet hat, betritt er mit einem Lächeln im Gesicht das Café. Der zweieinhalbjährige Arthur und seine kleine Schwester, die sechs Monate alte Helena – sie sind die beiden Hauptgründe, warum Simon Gantner am Ende dieser Saison sein Handball-Dress an den imaginären Nagel hängen wird. «Ich möchte mehr Zeit mit ihnen verbringen, sie am Abend ins Bett bringen und am Wochenende Ausflüge mit ihnen unternehmen können», erklärt der 29-Jährige, «sie sind noch so klein, und ich möchte mir später nicht vorwerfen, etwas mit ihnen verpasst zu haben, weil ich noch eine Handball-Saison drangehängt habe.»

«Natürlich hat der Trainer versucht, mich zum Weitermachen zu überreden.»

Simon Gantner über Wädenswil/Horgens Cheftrainer Predrag Milicic

An vier Abenden pro Woche von seinem neuen Zuhause am Pfannenstiel aus zum Training am anderen Zürichsee-Ufer zu fahren, von Anfang September bis Ende Dezember und von Anfang Februar bis Ende Mai an jedem Wochenende zu einem Match in der Nationalliga B anzutreten, ist mit dem Wunsch nach mehr Familienleben kaum vereinbar. «Ausserdem möchte ich meiner Frau, die mir seit Arthurs Geburt den Rücken freigehalten hat, etwas zurückgeben», fügt Simon Gantner an. Sein Entscheid sei mit der Zeit gereift – und nachdem seine Frau zum zweiten Mal schwanger wurde, habe er bereits im Sommer 2022 an den Rücktritt gedacht. «Sie hat mich aber darin bestärkt, dass ich noch eine Saison lang spielen und das richtig geniessen soll.» Zu Beginn der Spielzeit habe er Chefcoach Predrag Milicic und den neuen Teamchef Andrija Kasalo informiert. «Natürlich hat der Trainer versucht, mich zum Weitermachen zu überreden», verrät Gantner lachend, «aber er ist selbst ein Familienmensch und hat es gut verstanden.»  

Bedauern hält sich in Grenzen

So deutet so gut wie alles darauf hin, dass Simon Gantner am Samstag um 18 Uhr in der Horgner Sporthalle Waldegg zum letzten Mal zu einem Zürichsee-Derby gegen Handball Stäfa antreten wird. Seine SG Wädenswil/Horgen nimmt drei Runden vor dem Ende der Hauptrunde in der zweithöchsten Handball-Liga den 3. Tabellenplatz ein. Der Rückstand auf den Ranglistenzweiten Chênois Genf beträgt vier Punkte. «Wenn die Genfer nicht plötzlich einbrechen, ist die Sache gelaufen», sagt Gantner denn auch. Dass die Romands im anschliessenden Playoff-Final gegen den Leader Stäfa um den Aufstieg in die QHL kämpfen dürften und nicht etwa sein Team, mag der Rückraum-Mitte-Könner der SG Wädenswil/Horgen verschmerzen. «Natürlich wäre das Seederby eine sehr reizvolle Final-Affiche gewesen. Aber wir haben auch diesmal eine sehr gute Saison gespielt, und man muss auch realistisch bleiben», sagt Gantner. «Wenn uns jemand vor sechs Jahren, als wir mit Wädenswil mit nur fünf Punkten aus der Nationalliga B abgestiegen sind, angeboten hätte, dass wir bald einmal in zwei Jahren in Folge im Aufstiegs-Final stehen und im dritten Jahr auf Platz 3 landen würden, hätten wir das alle sofort unterschrieben.»

Dynamisch und mit viel Übersicht am Ball: Simon Ganter sucht wie hier im Heimspiel gegen Möhlin im Februar den freien Mitspieler.

Nach dem Wechsel seines Cousins Sandro Gantner zum QHL-Team BSV Bern spiele die SG heuer nicht etwa schlechter. «Wir haben auch in der letzten Saison ein paar schlechtere Abend eingezogen, was ganz normal ist – damals hat es aber meistens noch knapp zum Sieg gereicht und heuer nicht, das ist der einzige Unterschied», sagt Gantner. Auch er habe seinen Teil zu den Punktverlusten beigetragen, betont er selbstkritisch. «Und natürlich vermissen wir Sandro, auf und neben dem Feld», fügt er an.

Zeit für Weiterbildung

Simon Gantner analysiert dies und vieles mehr sachlich, spricht in klaren, durchdachten Worten und hört aufmerksam zu. «Ausserhalb der Halle bin ich ein eher ruhiger, überlegter Typ», sagt er über sich selbst. Eine Eigenschaft, die Simon Gantner auch an seiner aktuellen Arbeitsstelle zugutekommt. Seit Januar 2020 ist der gelernte Koch in der Zentralküche des Standorts Bubikon der Stiftung Züriwerk angestellt. Zehn Menschen mit Beeinträchtigung arbeiten bei ihm in der Küche mit. «Es geht immer wieder um die Balance, sie entsprechend ihren Fähigkeiten so viel wie möglich selbst machen zu lassen – und trotzdem das Mittagessen für 150 Personen aus den verschiedenen Werkstätten pünktlich und in hoher Qualität auf die Teller zu bringen», erklärt er.

Fühlt sich wohl in neuer Umgebung: Simon Gantner am Brunnen im Dorfkern von Egg, wo er seit bald einem Jahr mit seiner Familie wohnt.

Die Aufgabe gefällt Gantner so gut, dass er im Herbst eine berufsbegleitende Ausbildung zum Arbeitsagogen beginnen wird. Die in der Anleitung der Menschen mit Beeinträchtigung nötige Geduld, sein offenes Ohr und die Fähigkeit, auch in hektischen Situationen Ruhe zu bewahren, habe er zum Teil auf dem Handball-Feld entwickelt. «Und dass ich in einer Grossfamilie aufgewachsen bin, hat sicher auch geholfen», sagt er schmunzelnd

Sein grösstes Derby

Daniel Gantner, sein ältester Bruder, brachte Simon, seine weiteren drei Geschwister sowie die Cousins Pascal und Sandro Gantner einst zum Handball. Der Kreisläufer und heutige Captain der SG Wädenswil/Horgen stand so am Anfang einer Erfolgsgeschichte am linken Zürichsee-Ufer, die bis heute andauert. «Dass ich den Weg von der 1. Liga bis zur Spitze der Nationalliga B in einem Team mit meinen Brüdern, Cousins und Freunden, mit denen ich zum Teil schon seit Wädenswiler Junioren-Zeiten zusammen spiele, gehen durfte, hat das Ganze noch schöner gemacht», sagt Simon Gantner. Dabei habe er den gemeinschaftlichen Aspekt sogar höher gewichtet als den sportlichen. «Ich glaube, in einer Mannschaft, die sportlich erfolgreicher ist, aber keinen so guten Teamgeist hat und neben der Halle nicht so viel gemeinsam unternimmt wie wir, würde es mir gar nicht gefallen.» Dementsprechend bedauere er es auch nicht, nie ein Angebot für einen Transfer in die höchste Schweizer Liga erhalten zu haben. «Es ist alles gut, wie es gelaufen ist», sagt er. Das bezieht er auch auf das Glück, in seinen 21 Jahren als Handballer von langwierigen Verletzungen verschont geblieben zu sein.

Noch (mindestens) einmal Stäfa besiegen – das wünscht sich Simon Gantner bei allem Respekt vor dem Nationalliga-B-Leader vom gegenüberliegenden Zürichsee-Ufer vor dem Seederby am Samstag in Horgen.

Ein grosses Ziel verfolgt er in seinen voraussichtlich drei letzten Partien als Leistungshandballer noch: «Es ist mir ein persönliches Anliegen, das letzte Seederby zu gewinnen. Stäfa hat uns in Horgen seit drei Jahren nicht mehr besiegt, das soll auch so bleiben.» Von einer ewigen Rivalität mit den Rechtsufrigen möchte Simon Gantner indes nicht sprechen. «Wir sind ja erst in den letzten Jahren Rivalen geworden – früher war Stäfa eine ganz andere Hausnummer als wir, auch zu unseren Junioren-Zeiten hatten wir nie eine Chance.» An einen Heimsieg gegen den Nachbarclub erinnert sich Wädenswil/Horgens Spielmacher besonders: «Am 17. Oktober 2020 haben wir Stäfa 36:31 geschlagen. Das war genau einen Tag, nachdem ich zum ersten Mal Vater geworden bin – ich habe wie beflügelt aufgespielt, mir ist sehr vieles gelungen. Und nach dem Match sind die Stäfner alle zu mir gekommen und haben mir zur Geburt meines Sohnes gratuliert.»