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Handball Stäfa verblüfft
Sportlicher Höhenflug führt durch personelle Turbulenzen

Sie haben häufig Grund zu feiern: Die Stäfner Spieler nach einem der schönsten ihrer bisherigen 14 Saisonsiege in der Meisterschaft, jenem im grossen Seederby gegen die SG Wädenswil/Horgen von Anfang Dezember.
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Francesco Ardielli, Ramon Kusnandar, Laurin Rinderknecht – der Topskorer am rechten Flügel, das grosse Goalietalent und der junge, vielversprechende Spielmacher aus dem Rückraum. Sie alle werden in der nächsten Saison nicht mehr für Handball Stäfa auflaufen. Innert eines Monats kommunizierte der Verein den Wechsel Ardiellis zu St. Otmar St. Gallen und die Abgänge Kusnandars und Rinderknechts zu Pfadi Winterthur. Dass alle Drei ihre Chance packen wollen, sich in der QHL, der höchsten Schweizer Handball-Liga, zu beweisen, kann Christian Rieger gut verstehen. «Pfadi Winterthur war in der Vergangenheit schon die Top-Destination für unsere Talente», erklärt Stäfas Sportchef, «dass Ramon und Laurin dort den nächsten Schritt Richtung Profi-Handball wagen wollen, liegt nahe. Wenn man als Junger eine solche Chance bekommt, muss man sie packen.» Ähnliches gelte für den 24-jährigen Ardielli. «Nachdem er in der Vergangenheit Angebote aus der QHL abgelehnt hatte, wollte er nun die Gelegenheit nutzen, nach dem Motto: Jetzt oder nie.» Zudem ist der Weg von Ardiellis Studienort Winterthur nach St. Gallen zu St. Otmar relativ kurz. «Ich bin sicher: Wenn er sich dort wohlfühlt, wird er auch in der QHL bestehen», schätzt Rieger.

Wechsel junger Cracks, die im Stäfner NLB-Team zu Leistungsträgern avancieren, auf die nächsthöhere Stufe, entsprächen voll und ganz der Club-Philosophie und Strategie. «Wir sehen uns als ambitionierter Ausbildungsverein, der eine der besten 14 Mannschaften im Land stellt», führt Rieger aus. «Das beinhaltet, dass wir Junioren in unserer Nachwuchsabteilung gut ausbilden und in der ersten Mannschaft in der NLB veredeln – bis sie bereit für den nächsten Schritt und attraktiv für QHL-Clubs sind.»

(Zu) lange Wochen der Ungewissheit

So weit, so gut und normal also? Christian Rieger selbst fügt den grossen Wermutstropfen in den Stäfner Wonnebecher: «Dass diesmal gleich drei Leistungsträger uns am Ende der Saison verlassen werden, schmerzt natürlich.» Und: «Womöglich hätte sich ein Abgang oder gar zwei verzögern lassen, wenn wir die Trainerfrage früher geklärt hätten. Selbstkritisch gesehen, muss ich sagen: Zwischen der Info, dass wir Philipp Seitles Vertrag als Cheftrainer per Ende Saison auslaufen lassen, und jener, dass Lukas Maag als Chefcoach mit Mike Felder als Assistent seine Nachfolge übernehmen werden, ist zu viel Zeit vergangen.»

Ein Auge für die Mitspieler und die Situation: Stäfas Noch-Captain Lukas Maag kritisiert die lange Zeit der Ungewissheit, die bis zu seiner Ernennung als künftiger Chefcoach verging.

Maag, der jene Zeit zwischen Ende November und Mitte Januar selbst als Captain nahe bei seinen Mitspielern erlebt hat, schildert: «Bis zur Weihnachtspause war eine mega Unruhe im Team. Dadurch, dass die Trainersuche so lange gedauert hat, ist eine Situation mit viel Ungewissheit entstanden. Das hat es für alle schwierig gemacht, für die nächste Saison zuzusagen.» Dabei laufen für gewöhnlich in den Monaten um den Jahreswechsel Gespräche zwischen den Club-Verantwortlichen und Spielern zur weiteren Zusammenarbeit. Tatsächlich verlängerten mit Louis Barth, Rico Gretler und Tim Schmidt gleich drei Stäfner Akteure ihre Verträge erst, nachdem die Trainerfrage am Frohberg geklärt war. «Als Spieler möchte man immer wissen, mit wem man es in der nächsten Saison zu tun hat», sagt Maag dazu, «bevor das nicht feststeht, muss man gar nicht erst mit den Spielern reden.»

Die Irritation vor der Zusage

À propos miteinander reden: Dass die sportlich Verantwortlichen ihn nicht früher gefragt hätten, ob er sich auf die kommende Saison hin auf die Stäfner Trainerbank setzen wolle, kam bei Lukas Maag nicht besonders gut an, wie er offen gesteht: «Dank meiner Ausbildung als Sportlehrer und mit meinem Trainerdiplom muss ich ja eine naheliegende Option gewesen sein – dass der Vorstand nicht früher auf mich zugekommen ist, hat mich darum irritiert.» Sportchef Christian Rieger übt auch hierzu Selbstkritik: «Vielleicht haben wir zu lange gezögert, uns für diese interne Lösung zu entscheiden.» Schliesslich übernähmen Maag und sein künftiger Trainer-Assistent Mike Felder zum ersten Mal Verantwortung für ein Team auf dieser Stufe – ein Team, dem sie noch dazu selbst beide lange angehörten. «Das ist für sie eine echte Herausforderung», sagt Rieger. Er betont jedoch: «Sie sind alles andere als Notnägel, schliesslich haben wir einen externen Kandidaten, der uns zugesagt hatte, so lange vertröstet, bis wir mit Lukas und Mike alles geklärt hatten.»

«Diese Chance, das Team als Trainer zu übernehmen, hat mir nicht zuletzt auch geholfen, als Spieler aufzuhören,»

Lukas Maag

So fand schliesslich zusammen, was zusammengehörte, oder zumindest auf der Hand lag. Der Noch-Captain sagt, er freue sich «je länger, je mehr» auf seine neue Aufgabe. «Diese Chance, das Team als Trainer zu übernehmen, hat mir nicht zuletzt auch geholfen, als Spieler aufzuhören», erklärt Lukas Maag. Nach seiner schweren und komplexen Fussverletzung kehrte er im vorigen Herbst nach 80 Wochen Pause aufs Spielfeld zurück. «In der Deckung kann ich der Mannschaft immer helfen, im Angriff ist das nicht in jedem Spiel der Fall. Insgesamt bin ich nicht mehr gleich dynamisch wie vor der Verletzung», schildert er. Nach den Spielen benötige er stets eine lange Erholungszeit und Physiotherapie. «Auch und vor allem im Hinblick auf meinen Beruf ist es ein Vernunftsentscheid, selbst nicht mehr zu spielen», sagt er denn auch. Das Angebot, als Coach so nahtlos auf Nationalliga-Niveau einzusteigen, habe es ihm leichter gemacht, diesen zu treffen.

Noch ein Abgang

Neben seinen persönlichen nennt Lukas Maag einen weiteren Grund für seine Zusage: «Ich bin schon so lange in dem Verein, darum möchte ich jetzt auch helfen, das Team zusammenzuhalten.» Zumal es neben dem Trio, das in die QHL wechselt, ihn selbst zu ersetzen gelte. Doch damit nicht genug: Mit dem 27-jährigen Gulliver Stocker werde eine weitere Teamstütze aus dem Rückraum seine Aktivkarriere beenden, verrät Christian Rieger. «Umso mehr brauchen wir nun vor allem im Rückraum neue Spieler», kündigt der Sportchef an. Damit die Mischung aus Routine und Jugend im Team weiterhin stimme, suchten die Stäfner auch externe Verstärkungen – und das unabhängig davon, in welcher Liga sie in der kommenden Saison antreten.

Er wird den Handball am Saisonende zur Seite legen: Stäfas Rückraum-Routinier Gulliver Stocker.

Denn die Turbulenzen hinter den Kulissen haben Handball Stäfa auf dem Spielfeld nicht vom Erfolgsweg abgebracht. Nach 17 Runden führt das Team die NLB-Tabelle mit vier Punkten Vorsprung an. «Sportlich sind wir voll auf Kurs», fasst Noch-Captain Lukas Maag zusammen. So steigen mit jedem weiteren Sieg in den verbleibenden neun Spielen der Hauptrunde die Chancen, dass das Team an deren Ende zum Playoff-Final um den Aufstieg in die QHL antritt. Und im Gegensatz zu Kreuzlingen im Vorjahr erscheint derzeit keiner der Konkurrenten in der Spitzengruppe der NLB als überlegener Kontrahent.

Der Aufstieg, ein heikles Thema

Was also, wenn die Stäfner den Aufstieg erreichen, aber (mindestens) fünf bisherige Spieler ersetzen und zudem einen Trainerwechsel verarbeiten müssen? «Das ist ein ganz schwieriges, heikles Thema», sagt Lukas Maag dazu. «Auf den Aufstieg zu verzichten oder davor absichtlich Spiele in den Sand zu setzen, ginge 100-prozentig gegen unsere sportliche Natur», stellt er klar. Dennoch frage er sich, wie sinnvoll der Gang in die QHL langfristig wäre. Im Team und Staff komme es zu einem echten Umbruch. «Und selbst mit dem heutigen Kader könnten wir oben nicht bestehen», sagt er unumwunden. Für die Spieler käme der erhöhte Zeitaufwand erschwerend hinzu. «In der QHL spielt man oft an Wochentagen abends. Die Berufstätigen im Team müssten dann immer früher aufhören», gibt Maag zu bedenken. «Ob sie das jedes Mal auf sich nehmen wollen, nur um am Abend auf die Kappe zu bekommen?»

Kaum ein Durchkommen: Der Stäfner Rückraum-Regissseur Mathias Müller bleibt gegen Suhr Aaraus Martin Slaninka (rechts) und Joël Willecke hängen. Im Cup-Achtelfinal gegen den QHL-Mittelfeldclub bekamen die Stäfner kurz vor Weihnachten ihre Grenzen aufgezeigt.

Sportchef Christian Rieger teilt die Bedenken. Er ergänzt, dass der Goldküsten-Club Handball Stäfa entgegen landläufiger Meinungen über keine finanziellen Mittel verfüge, um im Falle eines Aufstiegs gestandene Spieler anzulocken, welche das Team auf QHL-Niveau führen könnten. «Falls jemand eine Schatulle findet, die vor Stäfa am Seegrund liegt, kann er sich gerne bei uns melden», sagt er dazu ironisch. Und kündigt an: «Wenn die Mannschaft es trotz alledem in der QHL versuchen möchte, würden wir sie nicht bremsen – vorausgesetzt, der finanzielle Mehraufwand für Hallen-Infrastruktur und Schiedsrichter hält sich im bisherigen Rahmen.» Innerhalb der Swiss Handball League, welcher die Clubs der beiden höchsten Spielklassen angehören, liefen derzeit Diskussionen um professionellere Rahmenbedingungen, die erhebliche Mehrkosten nach sich ziehen könnten, fügt Rieger an.

«Das Beste und Einfachste für uns wäre: Wir schaffen es bis ins Aufstiegs-Playoff, spielen fünf packende Partien vor vollen Tribünen, scheitern ganz knapp – und bauen nächste Saison das Team in aller Ruhe in der Nationalliga B neu auf», fasst der Sportchef halb scherzend, halb ernsthaft die Lage auf dem Stäfner Frohberg zusammen.