Rücktritt von Urs SchwallerDer Präsident geht – die Probleme der Post bleiben
Nach fünf Jahren verabschiedet sich Urs Schwaller auf Anfang Dezember als Verwaltungsratspräsident der Post. Seine Amtszeit ist geprägt von der Postauto-Affäre, den Problemen im Kerngeschäft und bei der Postfinance.
Mitten im sterilen Setting unserer Zeit – Plexiglasscheiben, riesiger, praktisch menschenleerer Raum – stand Urs Schwaller am Rednerpult. Der 68-Jährige sprach ruhig – mit heller Krawatte, dunklem, locker sitzendem Anzug – und blickte direkt in die Kamera. Sein Publikum sass zu Hause oder in Büros vor Bildschirmen. So blutleer das Setting, so gewichtig war Schwallers Ankündigung: Er tritt als Verwaltungsratspräsident der Post zurück.
Schwallers Zeit bei der Post ist damit Anfang Dezember 2021 nach fünf Jahren vorbei. Sein eigenes Fazit fällt positiv aus: «Die Post ist neu aufgestellt, die vergangene Strategieperiode haben wir abgeschlossen.»
Doch seine Ära prägten vor allem drei Dinge: Die Postauto-Affäre, die Probleme im Kerngeschäft der Post und die Frage, wie es mit der Postfinance weitergehen soll. Und wirklich gelöst ist bei seinem Abgang keines dieser Probleme.
Schwaller präsentierte sich als Aufräumer
Zwei Jahre nach seinem Start bei der Post sah sich Schwaller 2018 mit dem grössten Subventionsskandal der Schweiz konfrontiert. «Ich bin die richtige Person, weil ich nicht betroffen bin. Ich garantiere Unabhängigkeit», sagte er damals. Doch auch in Schwallers Zeit kam es zu Unregelmässigkeiten.
Seine Strategie bei der Aufarbeitung sowie die Tatsache, dass er Ex-Chefin Susanne Ruoff noch im Frühjahr 2018 den Rücken stärkte und sie kurz darauf dennoch gehen musste: All das brachte Schwaller viel Kritik ein. Sein Rücktritt wurde gefordert. Doch Schwaller liess sich nicht davon beeindrucken.
Schwaller gab sich in all der Zeit unbeirrt als Aufräumer, als einer, der die ganze Sache ausleuchten wollte. Für den scheidenden Präsidenten ist denn auch die Aufarbeitung der Subventionsaffäre aufseiten der Post abgeschlossen: Alles sei zurückgezahlt, nichts sei mehr offen, sagte er. Insgesamt zahlte die Post 205 Millionen Franken zurück. «Wir haben Fehler aus der Vergangenheit konsequent aufgearbeitet und weitreichende Massnahmen implementiert, damit sich so etwas nicht wiederholen kann», so Schwaller.
Doch die Affäre ist noch nicht vorbei: Es fehlt die juristische Aufarbeitung. Denn noch immer ist nicht ganz klar, wer nun welche Verantwortung hatte und wer was genau wusste.
Neue Strategie fürs Hauptgeschäft
Im Kerngeschäft ist die Post seit Jahren – auch schon vor Schwaller – mit sinkenden Briefmengen konfrontiert. Das reisst ein grosses Loch in die Kasse. Gleichzeitig – durch Corona noch verstärkt – steigen die Paketmengen stark an. Die Margen im Paketgeschäft sind jedoch kleiner und können das wegbrechende Geschäft bei den Briefen nicht kompensieren.
Unter dem neuen Chef, Roberto Cirillo, hat sich die Post eine neue Strategie gegeben. Geschäftsbereiche wurden zusammengelegt, Investitionen in Aussicht gestellt. Die Strategie beinhaltet auch eine gewichtige Änderung mit Symbolkraft: Der jahrelange Abbau bei den Poststellen soll gestoppt werden – etwas, was die erste Zeit von Schwaller bei der Post stark prägte.
Mit der Ernennung des Tessiners Cirillo zum Postchef ging der Verwaltungsrat ein Risiko ein – darin waren sich Beobachtende und die Politik einig. «Roberto Risiko» titelte der «Blick» gar. Tatsächlich: Ob Cirillos Pläne aufgehen, wird sich noch zeigen müssen. Schwallers Nachfolgerin oder Nachfolger wird sich damit nun beschäftigen müssen.
Postfinance in der Schwebe
Bei der Postfinance ist das Ringen um die Strategie in der Ära Schwaller so richtig gestartet: Die Posttochter soll ins Hypothekengeschäft einsteigen dürfen, im Gegenzug ist eine Privatisierung geplant. Der Streit darum wird den Konzern noch länger beschäftigen. So ist unklar, was mit dem Grundauftrag im Zahlungsverkehr der Postfinance bei einer allfälligen Privatisierung passieren soll. Derweil verliert die Postfinance weiterhin Kundinnen und Kunden und leidet unter der herrschenden Tiefzinssituation.
Als Schwaller an seiner nun letzten Bilanzmedienkonferenz noch einmal allen dankte, die Erfolge seiner Ära herausstrich, seine eigene Zukunft kurz skizzierte, spürte man noch einmal seine jahrelange Erfahrung in der Politik. Ruhig, gefasst, so, wie er immer auftrat – vielleicht mit Ausnahme der Pressekonferenzen rund um die Postauto-Affäre.
Schwaller wird die Post künftig aus der Ferne beobachten. Nach etlichen Jahren in der Politik, fünf Jahren an der Spitze des Postkonzerns, trete er beruflich etwas kürzer. «Es ist der ideale Zeitpunkt, für die Schweizerische Post und für mich», sagte er. Schwaller war zwölf Jahre Ständerat für den Kanton Freiburg, wo er zuvor für die CVP in der Regierung sass. Auch einer Bundesratswahl stellte er sich 2009, gewählt wurde damals jedoch Didier Burkhalter.
Schwaller geht – doch die Probleme bleiben. Ab Dezember wird sich eine neue strategische Führung damit befassen müssen.
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