Vorschlag des BundesratsPostfinance soll privatisiert werden
Hypotheken und Kredite vergeben, also eine vollwertige Geschäftsbank werden: Das will der Bundesrat für Postfinance. Und die Post (der Bund) soll die Mehrheit abgeben. Die Linke heult auf.
Die Postfinance soll eine vollwertige Geschäftsbank werden dürfen. Der Bundesrat strebt eine Privatisierung der Post-Tochter an, wie er am Mittwoch mitteilte. Konkret soll die Post ihre vom Gesetz vorgeschriebene Kapitalmehrheit an der Tochter abgeben dürfen (wir berichteten bereits im Sommer über entsprechende Pläne).
Ursprünglich hatte der Bundesrat bei Postfinance lediglich die Aufhebung des Kredit- und Hypothekarverbots und eine Teilprivatisierung vorgesehen, damit das Unternehmen an Eigenkapital kommen kann. Nach breiter Kritik in der Vernehmlassung rund um die staatliche Kontrolle erweitert der Bundesrat nun die geplante Teilrevision des Postorganisationsgesetzes erheblich.
Bedenken Rechnung getragen
Der Eintritt von Postfinance in den Kredit- und Hypothekarmarkt solle durch die Abgabe der Kontrollmehrheit der Post und damit indirekt des Bundes an dem Unternehmen flankiert werden, schreibt der Bundesrat. Er wolle Bedenken in Bezug auf Verfassungsmässigkeit, Wettbewerbsneutralität, Föderalismus und Finanzmarktstabilität Rechnung tragen.
Der Bundesrat will damit auch die Vorgabe, dass die Post die kapital- und stimmenmässige Mehrheit an Postfinance halten muss, aus dem Gesetz streichen. Damit stünde der Weg zur Weiterentwicklung von Postfinance in eine vollwertige inlandorientierte Geschäftsbank offen, hiess es.
Es soll schnell gehen
Die Herauslösung von Postfinance aus dem Postkonzern macht eine Neuorganisation der Grundversorgung mit Post- und Zahlungsverkehrsdienstleistungen nötig. Vorgängig muss dafür das Postgesetz geändert werden. Der Bund will noch im laufenden Jahr konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung der Grundversorgung im Bereich von Post- und Zahlungsverkehrsdienstleistungen erarbeiten.
Weiter will der Bundesrat die Post bei der Umsetzung der Too-big-to-fail-Gesetzegebung unterstützen. Die Eidgenossenschaft soll im Gesetz als Eigentümerin zusichern, dass sie im Konkursfall die verbleibende Eigenmittellücke deckt. Die Zusicherung soll zeitlich und betragsmässig begrenzt und abgegolten werden.
Als systemrelevante Bank müsse Postfinance erhöhte Anforderungen an die Eigenmittelausstattung erfüllen, schreibt der Bundesrat. Aufgrund ihrer verminderten Ertragskraft könnten die Post und Postfinance die von der Finanzmarktaufsicht geforderten Eigenmittel nicht voll und zeitgerecht aus eigener Kraft bereitstellen.
Aufstand der Linken
Die SP hält angesichts des Tiefzinsumfelds nichts von einer Privatisierung der Postfinance. Vielmehr müsse die Bank als Garantin des Zahlungsverkehrs neu aufgestellt werden. Als Klimabank soll sie der sozial gerechten Energiewende und dem Gemeinwohl dienen.
Keineswegs sollte die Postfinance nach dem Wettbewerb-um-jeden-Preis-Prinzip des Bundesrats umgebaut werden, verlangt die SP am Mittwoch in einem Communiqué. Für einen starken Service public sollte sie weiterhin eine 100-Prozent-Tochter der Post bleiben. Einen neuen gewinnmaximierten Bankriesen brauche die Schweiz nicht.
Die Schweiz und Europa bräuchten staatseigene Banken für die Finanzierung des Klimaschutzes. Die Energiewende biete genügend Investitions- und Kreditmöglichkeiten. Die SP kritisiert weiter, dass der Bundesrat keine Alternativen zur Privatisierung vorlegt.
Der Bund könnte ohne weiteres ausreichend Geld für die Eingenmittelanforderungen einer systemrelevanten Bank liefern. Gerade in der Coronakrise habe sich die Postfinance mit tausenden vergebenen Bürgschaftskrediten als äusserst effizient erwiesen.
Prompt reagiert hat auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund. In einer Medienmitteilung heisst es: «Die heute vom Bundesrat präsentierte Vollprivatisierung der Postfinance ist inakzeptabel. Dieser Entscheid unterminiert nicht nur den Grundversorgungsauftrag im Zahlungsverkehr, sondern er ist ein Frontalangriff auf den Service public im Allgemeinen. Die Gewerkschaften werden diese Vorlage vehement bekämpfen.»
FDP: Privatisierung einziger und richtiger Weg
Nach Ansicht der FDP ist die Postfinance-Privatisierung der einzige und darum richtige Weg für einen fairen Wettbewerb im Kredit- und Hypothekarmarkt. Dies erklärte Marco Wölfli, Verantwortlicher interne Kommunikation bei der Partei, am Mittwoch auf Anfrage.
Der FDP-Sprecher verwies auf die Vernehmlassungsantwort seiner Partei vom letzten September: Der Aufhebung des Kredit- und Hypothekarverbots für die Postfinance könne die FDP nur in Verbindung mit einer vollständigen und konsequenten Privatisierung zustimmen.
Es gebe kein Marktversagen im Bereich des Hypothekar- oder Kreditmarktes, welches ein staatliches Handeln erfordern würde. In einem funktionierenden Markt sei es daher nicht angezeigt, eine vollwertige, staatlich beherrschte «Postbank» in den Wettbewerb mit der Privatwirtschaft zu stellen.
Momentan könnten Privatisierungsschritte aber leider nicht vollzogen werden, weil der optimale Zeitpunkt verpasst worden sei, zu dem die Postfinance noch einen guten Preis auf dem Markt erlangt hätte. Die Aufhebung des Kredit-und Hypothekarverbots könnte den Wert der Postfinance nach Ansicht der FDP wieder attraktiver machen.
Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?
Sollte der Bundesrat mit dem Vorhaben beim Parlament durchkommen, so dürften sich zuallererst die Konsumenten freuen. Denn mit Postfinance tritt ein neuer, sehr potenter Teilnehmer in den Hypothekenmarkt, der bereits heiss umkämpft ist. Zuletzt sind Versicherer und Pensionskassen hier aktiv geworden. Dies mit der Folge, dass die Zinsen für Hypotheken unter Druck sind. Der Einstieg von Postfinance dürfte den Preiskampf verstärken.
Verlierer sind die Kantonalbanken und die Raiffeisen-Gruppe, letztgenannte ist im Hypothekargeschäft mit einem Anteil von rund 18 Prozent Marktführer. Hypotheken sind das wichtigste Produkt der Raiffeisen, daher dürfte der Widerstand der Bankengruppe gegen den Einstieg der Postfinance in ihr Kerngeschäft massiv werden.
Auch die Kantonalbanken dürften sich nicht über die neue Konkurrenz aus Bern freuen. Die Banken im Besitz der Kantone dürften ihrerseits ihre politischen Drähte glühen lassen, um die geplante Gesetzesänderung zu verhindern.
red
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