Verhältnis Schweiz - EUDas EU-Parlament protestiert gegen den Stillstand
In einem parteiübergreifenden Brief appellieren Europaabgeordnete an die Schweiz und die EU, wieder eine «funktionierende Arbeitsbeziehung» herzustellen und bei den institutionellen Fragen zu einer Lösung zu kommen.
Im EU-Parlament wächst die Ungeduld über den Stillstand zwischen Bern und Brüssel. Der Österreicher Lukas Mandl hat am Mittwoch an beide Seiten einen dringenden Appell verschickt, der von Mitgliedern der fünf grossen Fraktionen unterzeichnet ist: «Als Mitglieder des Europaparlaments wollen wir mit diesem Brief unterstreichen, dass die Schweiz ein wichtiger europäischer Staat ist, der einen grossen Beitrag zu Europas Stärke und zu Europas Werten auf der globalen Bühne leistet.» Funktionierende Arbeitsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union seien von «grösster Bedeutung».
Druck aufbauen
Die Briefautoren machen kein Geheimnis daraus, dass sie es nach wie vor falsch finden, dass der Bundesrat vor gut einem Jahr die Verhandlungen über das institutionelle Abkommen abgebrochen hat. Sie verweisen auf das enge Band und die gegenseitige Abhängigkeit zwischen der EU und der Schweiz. Lukas Mandl von der konservativen Österreichischen Volkspartei arbeitet seit dem Abbruch an einem Bericht zu den bilateralen Beziehungen, der im Herbst im auswärtigen Ausschuss fertiggestellt werden soll. Den Brief haben die Co-Autoren aus den Fraktionen der Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und der Euroskeptiker unterschrieben. Damit soll schon einmal im Vorfeld Druck aufgebaut und Aufmerksamkeit geschaffen werden.
Europa sei eine Schicksalsgemeinschaft, sagt Mandl auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine: «Wir wollen, dass die institutionellen Fragen gelöst und neue Formen der Zusammenarbeit gefunden werden.» Im Brief wird vor diesem Hintergrund auch der Vorstoss im Nationalrat für ein Stabilisierungsabkommen begrüsst, kombiniert mit einem dritten Kohäsionsbeitrag der Schweiz. Die Unterzeichner versprechen sich davon eine günstige Atmosphäre für die Klärung der institutionellen Fragen und mit Blick auf die Kooperation bei einer Reihe von EU-Programmen. Konkret erwähnt werden Sicherheit und Verteidigung, Wissenschaft und Forschung oder eine Zusammenarbeit beim Klimapaket der EU, mit Blick auf die Energieversorgung und ein Stromabkommen.
Leidensdruck wächst
Die EU-Abgeordneten wollen sich noch öfter als bisher mit den Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentariern austauschen. Gleichzeitig rufen sie im Brief den Bundesrat und die EU-Kommission auf, den Austausch mit dem Ziel einer «ehrgeizigen und auf lange Frist angelegten Beziehung» zu intensivieren. Nach zwei Sondierungsgesprächen und einem Briefaustausch zwischen der EU-Kommission und Staatssekretärin Livia Leu haben sich die beiden Seiten bisher nicht einmal auf einen Termin für nächste Treffen einigen können. Die Bürgerinnen und Bürger in der EU und der Schweiz erwarteten Resultate, heisst es im Brief. Lukas Mandl gibt sich zuversichtlich, dass beide Seiten jetzt Ergebnisse brauchen. Der Leidensdruck sei gross genug.
Vor allem die Blockade bei Horizon Europe ist ein wachsendes Problem. Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hat kürzlich gegenüber dieser Zeitung angekündigt, sich in Brüssel für eine erneute Assoziierung der Schweiz beim EU-Forschungsprogramm starkzumachen. Ähnlich äusserte sich der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck. Betroffen sind nicht nur Forschungseinrichtungen auf beiden Seiten, sondern auch Unternehmen in der Schweiz, die auf europäische Forschungsgelder verzichten müssen. Einen Preis zahlt die Medtechbranche, seit sich die EU weigert, das Abkommen über technische Handelshemmnisse zu aktualisieren. Beim Schweizer Branchenverband spricht man von empfindlichen Einbussen einiger Firmen, deren Produktzertifikate im EU-Ausland nicht mehr anerkannt werden. In den nächsten Jahren könnten die neuen Handelshürden die Metall- und die Bauindustrie tangieren.
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