TV-Runde mit KanzlerkandidatenBeim Thema Dschungelcamp kommt plötzlich Unsicherheit auf
Die vier Kandidierenden für das Kanzleramt sind im TV erstmals direkt aufeinander getroffen. Die Rede von US-Vizepräsident Vance hallte nach.
![Olaf Scholz, Robert Habeck, Friedrich Merz und Alice Weidel bei der TV-Debatte ’Quadrell’ zur Bundestagswahl 2025 in Berlin.](https://cdn.unitycms.io/images/3V-NwDrbq2R9DPSDxzxlUM.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=RQlIUnmvEuI)
Eine Woche vor der Bundestagswahl in Deutschland haben sich erstmals die vier Kanzlerkandidaten von SPD, Union, Grünen und AfD in einer TV-Runde einen heftigen Schlagabtausch zu zentralen politischen Fragen geliefert.
In der Viererrunde von RTL traten am Sonntag die konträren Positionen etwa zur Migration, zur Wirtschafts- und Finanzpolitik oder zur Rentenpolitik zutage. (Endspurt im deutschen Wahlkampf: Hier geht es zu den Umfragewerten und deren Einordnung.)
Migration: Gespräche mit Taliban?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte deutlich, dass er die irreguläre Zuwanderung nach Deutschland weiter reduzieren will. «Wir bleiben dran und müssen auch dranbleiben.» Scholz sagte, dass die Zahl der Abschiebungen seit Beginn seiner Amtszeit um 70 Prozent gestiegen sei.
CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz konterte, dass zurzeit in vier Tagen so viele neue Flüchtlinge nach Deutschland kämen wie im Monat abgeschoben werden. Er forderte die Bundesregierung auf, Gespräche mit den Taliban in Afghanistan über die Rückführung von Flüchtlingen aufzunehmen.
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck betonte, dass die Taliban ein «Terrorregime» seien. Es gebe kein Land, das mit ihnen diplomatische Beziehungen unterhalte. Mit den Taliban zu verhandeln, sei ein «Adelsschlag für dieses Regime».
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel sagte mit Blick auf die Zahl der Menschen, die ohne Einreiseerlaubnis ins Land kommen: «Die Menschen wollen diesen Kontrollverlust in unserem Land nicht mehr haben.»
Worte von J.D. Vance hallen nach
Die umstrittene Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz strahlte bis in die Fernsehrunde aus.
Vance hatte in München unter anderem erklärt, es gebe keinen Platz für Brandmauern. Er nahm dabei indirekt Bezug auf die deutsche Debatte über eine Abgrenzung von der AfD. Vance warnte in diesem Zusammenhang vor einer Gefährdung der Demokratie. Der Begriff der Brandmauer bezieht sich auf ein Kooperationsverbot zwischen AfD und etablierten Parteien.
Scholz sagte mit Blick auf Vances Münchner Auftritt: «Was dort gesagt wurde, ist völlig inakzeptabel.» Deutschland habe aus der Erfahrung des Nationalsozialismus die Lehre gezogen, dass es keine Zusammenarbeit mit den extrem Rechten gebe.
Merz betonte mehrfach, für die Union komme eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage. «Und ich verbitte mir solche Einmischungen in die deutsche Bundestagswahl und auch in die Regierungsbildung danach.» Er fügte hinzu: «Ich lasse mir doch nicht von einem amerikanischen Vizepräsidenten sagen, mit wem ich hier in Deutschland zu sprechen habe.»
Der Hinweis von Scholz auf den Nationalsozialismus liess AfD-Chefin Weidel empört reagieren: «Diesen Vergleich finde ich skandalös. Den weise ich für mich persönlich und für die gesamte Partei zurück.»
Merz nannte die AfD «eine rechtsradikale Partei, zum grossen Teil rechtsextremistisch».
Er warf Weidel vor, sie würde AfD-Rechtsaussen Björn Höcke «adeln». In einem Interview mit der «Bild»-Zeitung hatte Weidel gesagt: «Also Björn Höcke und ich, wir verstehen uns sehr gut.» Ihren früheren Versuch, Höcke aus der AfD auszuschliessen, bezeichnete sie als Fehler. Auf die Frage, ob sie ihn als geeignet für ein Ministeramt betrachte, antwortete Weidel mit «Ja».
Wirtschaft und «Voodoo-Ökonomie»
Scholz, Merz, Habeck und Weidel fanden in der Wirtschafts- und Finanzpolitik keinen Konsens. Scholz und Habeck kritisierten die Steuerpläne von Union und AfD als sozial ungerecht und nicht gegenfinanziert. Habeck sprach von «Voodoo-Ökonomie».
Merz warf Scholz und Habeck eine verfehlte Wirtschaftspolitik vor und kritisierte das Lieferkettengesetz sowie den Atomausstieg. Er forderte eine Senkung der Unternehmenssteuern.
Scholz erneuerte den SPD-Vorschlag, 95 Prozent der Steuerzahlenden zu entlasten, während Reiche mehr zahlen sollten.
Weidel forderte niedrigere Energiepreise durch Technologieoffenheit und ein Ende der CO₂-Abgabe sowie der Subventionen für erneuerbare Energien.
Option Dschungelcamp
Für vorübergehende Irritation sorgte eine Frage an die vier Kandidaten zum RTL-Reality-Format «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!», in dem Promis gegeneinander antreten: «Was ist schlimmer für Sie, Opposition oder Dschungelcamp?»
Weidel antwortete: «Definitiv Dschungelcamp.» Merz sagte zunächst: «Ich wundere mich über die Frage.» Dann: «Lieber Jahrzehnte in der Opposition als zehn Tage im Dschungelcamp.» Dem schloss sich Habeck an. Scholz sagte: «Ich will auch nicht ins Dschungelcamp.» Er habe die Sendung aber schon einmal gesehen.
Merz und die Frauenfrage
Für ungläubige Reaktionen sorgte eine Frage an Merz: «Was ärgert Sie mehr: Dass Olaf Scholz immer sagt, Sie lügen? Oder dass sogar der Bundeskanzler besser bei jungen Frauen ankommt als Sie?»
Weidel fragte ungläubig und lachend: «Der Bundeskanzler kommt besser bei jungen Frauen an? Echt?» Dazu brauche man in jedem Fall einen Faktencheck. Merz war ebenfalls verwundert: «Das höre ich heute Abend auch das erste Mal.»
Moderiert wurde die Viererrunde von zwei bekannten RTL-Gesichtern: Günther Jauch («Wer wird Millionär?») und die Nachrichtenmoderatorin Pinar Atalay («RTL Direkt»).
Weitere TV-Debatten geplant
Scholz, Merz, Habeck und Weidel waren bereits am Donnerstag in der ZDF-Sendung «Klartext» zu Gast. Dabei wurden sie allerdings nacheinander von Zuschauerinnen und Zuschauern befragt. Am Sonntag zuvor hatten sich Scholz und Merz ein TV-Duell geliefert.
Am Montag treffen die vier in der ARD-«Wahlarena» erneut aufeinander. Am Mittwoch folgt ein Duell zwischen Scholz und Merz bei Welt-TV und bild.de. Am Donnerstag befragen ARD und ZDF die Spitzenkandidaten aller Bundestagsfraktionen, und am Samstagabend planen Pro7 und Sat1 eine Kanzlerkandidatenrunde.
DPA/bor
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