Britischer Aussenminister Mit Selbstbewusstsein und «Star-Appeal»: Cameron findet eine neue Rolle für sich
In Westminster wird er mittlerweile «Premierminister fürs Äussere» genannt. David Cameron hat der britischen Aussenpolitik weltweit neues Gewicht verliehen.
Nicht alles klappt, was Lord David Cameron versucht dieser Tage. Der Überraschungsbesuch des britischen Aussenministers bei Donald Trump in Mar-a-Lago zu Beginn der Woche führte nicht zu dem, was sich Cameron erhofft hatte – zu Gesprächen über den Abbau republikanischer Vorbehalte gegen weitere US-Waffenlieferungen an die Ukraine im Kongress.
Immerhin gelang es dem britischen Ex-Premier, sich von Trump zum Essen einladen zu lassen. Cameron ist sich bewusst, wer heute wieder die Fäden in der Hand hat bei Amerikas Republikanern. Und Trump schien kein Problem damit zu haben, einen Gast zu begrüssen, der seine Politik im Zusammenhang mit Brexit einmal «spalterisch, dumm und falsch» genannt hatte, zu einer anderen Zeit.
Manchmal rudert er zurück
Etwas zurückstecken musste Cameron nach Mar-a-Lago freilich auch bei der Pressekonferenz mit seinem amerikanischen Amtskollegen Antony Blinken in Washington, als er bekräftigte, dass sich «nichts geändert» habe an der britischen Bereitschaft zu Waffenexporten an Israel. Eine Einstellung dieser Lieferungen sei kein Thema, beteuerte er.
Noch wenige Tage zuvor hatte er in Sachen Gaza auf eine spürbar härtere Linie gedrängt. Bedingungslos sei die Unterstützung Israels durch London keineswegs, hatte er gewarnt, nachdem die israelische Armee sieben Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen getötet hatte. Man müsse, hatte er gesagt, von Israel schliesslich erwarten können, dass es internationale Menschenrechte achte. Aber am Ende hielt Regierungschef Rishi Sunak seinen Minister von drastischeren Äusserungen ab.
Vor acht Jahren musste er abtreten
An gewisse Grenzen stösst so selbst Baron Cameron of Chipping Norton bei seinen Aktionen. Bemerkenswert ist jedoch, wie relativ ungebunden und mit welch ureigenem Selbstvertrauen Grossbritanniens Aussenminister operiert. Seit ihn Sunak im vorigen November zu weitläufiger Verblüffung in die Politik zurückholte und ihn an die Spitze des Foreign Office stellte, um seiner Regierung etwas mehr Flair zu verleihen, ist es dem 57-Jährigen tatsächlich gelungen, überall präsent zu sein, der britischen Aussenpolitik ein neues, schärferes Profil zu geben, sich selbst immer neu in Szene zu setzen und für jede Menge Schlagzeilen zu sorgen. «Premierminister fürs Äussere» wird er mittlerweile in Westminster genannt.
Dabei hatte David Cameron vor acht Jahren noch auf spektakuläre Weise aus 10 Downing Street ausziehen müssen, als er «sein» Referendum zum britischen Verbleib in der EU verlor – eine Volksabstimmung, die nach Ansicht der Brexit-Gegner ganz unnötig war. Danach ist er ausserdem immer wieder für die folgenschwere Austeritätspolitik seiner Amtszeit als Regierungschef, von 2010 bis 2016, attackiert worden.
Und Fragen, ob sich Cameron übler Korruption schuldig gemacht habe, wollen bis heute nicht verstummen. Auch seine überfreundliche Politik gegenüber China, die ihm gleichermassen persönlichen Profit eingetragen haben soll, findet sich jetzt im Ziel scharfer Kritik.
Kontakte auf höchster Ebene
Aber das alles scheint den zum Lord erhobenen Ex-Regierungschef nicht anzufechten auf seinem Posten. Mit einer Professionalität, die allen anderen Sunak-Ministern und Sunak selbst abgeht, füllt Cameron seine Rolle aus. Britische Diplomaten sind sich generell darin einig, dass er der britischen Aussenpolitik weltweit neues Gewicht verliehen hat, nachdem diese post Brexit oft einfach hilflos der US-Politik hinterherhinkte.
Dass er sich gewandt auszudrücken und selbstbewusst aufzutreten weiss und komplexe politische Situationen einzuschätzen versteht, wird ihm ebenfalls zugutegehalten. Darüber hinaus hat Cameron noch immer Kontakte auf höchster Ebene überallhin, ist sein Name weithin bekannt.
Dem vormaligen britischen Regierungschef öffnen sich mehr Türen als einem Durchschnittsminister. Und mit europäischen Amtskollegen kann sich Cameron leichter verständigen als viele seiner Kollegen, die stets entsprechenden Abstand zu Europa glauben halten zu müssen, als Brexiteers.
Mit aller Energie hat sich Cameron denn auch in den letzten Wochen den grossen Themen, insbesondere dem Krieg um die Ukraine und der Lage im Nahen Osten, gewidmet. Und als alter Hase weiss er, wie er sich selbst ins Licht rücken kann.
Bereits nach hundert Tagen im Amt veröffentlichte er auf X ein kleines Video, das 36 Besuche in 26 Ländern dokumentierte und all seine Initiativen erklärte und illustrierte. Inzwischen hat er, in kürzester Zeit, mehr als ein Dutzend Besuche allein in der Ukraine und im Nahen Osten absolviert.
Konservative haben sich auf Niederlage eingestellt
Beifall auch in Oppositionskreisen hat ihm eingetragen, dass er die von Boris Johnson heruntergefahrene Entwicklungshilfe wieder anzuheben sucht. Selbst Kritiker, die ihn wenig schätzen und seinen Spielraum für begrenzt halten, räumen ein, dass er über «Star-Appeal» verfügt.
Nach und nach suche er natürlich vor allem sein unrühmliches Ende von 2016 vergessen zu machen und sich einen neuen Ruf als international geachteter Staatsmann zuzulegen, um seinen Memoiren eine späte Wende geben zu können: Das vermuten Beobachter seines bemerkenswerten Aufstiegs. Viel Zeit bleibt ihm dafür aber natürlich nicht. Noch dieses Jahr muss Rishi Sunak Neuwahlen ausschreiben. Und die Konservative Partei hat sich schon auf eine vernichtende Niederlage eingestellt.
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