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Meinung

Cameron wieder in der Regierung
Ausgerechnet er kehrt zurück

LONDON, ENGLAND - NOVEMBER 13: Britain's former Prime Minister, David Cameron, leaves 10, Downing Street after being appointed Foreign Secretary in a Cabinet reshuffle on November 13, 2023 in London, England. Rishi Sunak came under pressure last week to sack Suella Braverman after she wrote an article criticising the Met Police over Pro-Palestinian Marches which was not signed off by Downing Street. At the weekend, several far-right protestors were arrested after confrontations at the Cenotaph during the Armistice Day service.  (Photo by Carl Court/Getty Images)
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Der Täter kehrt meist zurück an den Ort des Verbrechens, das ist eine Weisheit unter Kriminologen. Dass David Cameron eine Art Täter ist, jedenfalls in politischem Sinn, das ist für viele Millionen Briten unstrittig: Er, der damalige Premierminister, hat das Referendum ausgerufen, das im Juni 2016 zum Austritt des Königreichs aus der EU führte. Er war sich sicher, dass die Briten klar gegen den Brexit stimmen würden und damit die seit vielen Jahren immer wieder auftauchenden Debatten über die Zugehörigkeit zur EU ein für alle Mal beendet wären. Aus nun gegebenem Anlass noch einmal das Ergebnis von damals: 51,9 Prozent stimmten für «Leave», den Austritt, 48,1 Prozent stimmten für «Remain». In absoluten Zahlen: 17,4 Millionen Briten wollten den Brexit, 16,1 Millionen Briten wollten ihn nicht.

Und noch zwei Zahlen: In der vergangenen Woche wurde eine repräsentative Umfrage des Thinktanks «More in Common» veröffentlicht, in der Briten gefragt wurden, wann das Königreich, falls überhaupt, wieder in die EU eintreten sollte. 27 Prozent antworteten: nie. Insgesamt 60 Prozent antworteten: innerhalb der nächsten ein bis zehn Jahre.

Mehrheit bereut den Brexit

Die Mehrheit der Briten bereut den Brexit, das ist inzwischen von der Meinungsforschung umfassend belegt. Gleichzeitig hätte eine Mehrheit der Briten eigentlich am liebsten überhaupt nichts mehr zu tun mit der leidigen Brexit-Thematik; zu tief sind die Wunden, die der bittere Streit vor und nach dem Referendum bei vielen hinterliess. In dieser Gemengelage nun ausgerechnet David Cameron zurückzuholen auf die politische Bühne, und zwar in eine zentrale Rolle, die des Aussenministers – das ist ein überraschender Schritt Sunaks, ein mutiger. Ob es ausserdem ein kluger Schritt ist, darüber werden voraussichtlich im kommenden Jahr die Wähler entscheiden.

Man könnte auch sagen: Der konstant in den Umfragen zurückliegende Premierminister Sunak versuchte am Montag – insbesondere mit der «Sensationsrückkehr» («Daily Telegraph») des «Cam Back Kid» («The Sun») – nichts weniger als einen Big Bang. Einen Urknall, von dem an alles anders werden soll. Cameron ist ein sogenanntes politisches Schwergewicht, es ist ihm natürlich zuzutrauen, dass er Sunak und dem Land aussenpolitisch nützt. Gerade in Zeiten von internationalen Krisen sind Aussenminister besonders gefragt. Und doch ist Sunaks überraschender, mutiger Schritt vor allem ein grosser Schritt zurück in die Vergangenheit. Noch Anfang Oktober hatte Sunak beim Parteitag der Tories versucht, sich als Mann des Aufbruchs zu porträtieren, ständig sprach er von «change»: Die Wechselstimmung im Land hat Sunak ja längst erkannt. Keine zwei Monate und einen Kabinettsumbau später sitzen in Sunaks Regierung nun drei Minister, die auch schon Teil von Camerons erstem Kabinett vor 13 Jahren waren, Michael Gove, Jeremy Hunt und eben Cameron. Dass Finanzminister Hunt und Aussenminister Cameron auch noch zwei der wichtigsten Posten innehaben, das macht es nicht besser.

Andererseits, Cameron und Hunt standen damals für «Remain», für den Verbleib in der EU. Und das, so ist offenbar das Kalkül Sunaks, soll nun jene Wähler besänftigen, die sich in den vergangenen May-Johnson-Truss-Jahren von der Regierung nicht repräsentiert fühlten, ja: nicht ernst genommen. Auch der Rauswurf der rechten Innenministerin Suella Braverman ist Teil dieses Kalküls, zumal ihr Nachfolger, der bisherige Aussenminister James Cleverly, als wenig ideologisch getrieben gilt, eher als pragmatisch und sanft. Entsprechend fiel die Reaktion im rechten Flügel der Tories aus: «Schlechte Entscheidung von Rishi Sunak, sich der Linken zu beugen», twitterte eine Tory-Abgeordnete.

Die Rechte zürnt

Sunak aber, auch das deutet Bravermans Entlassung bei Cleverlys und Camerons Berufung an, will sich offenbar nicht länger vom rechten Flügel herumschubsen lassen. Wozu das führt, das ist im gegenwärtigen Zustand der Partei kaum einzuschätzen. Noch am Montag fand ein Treffen der Abgeordneten der «New Conservatives» statt, einer rechten Parteigruppierung, die Sunak noch am Wochenende vor einem Rauswurf Bravermans gewarnt haben soll. Dabei soll auch darüber gesprochen worden sein, wie Braverman spätestens nach einer verlorenen Wahl den Parteivorsitz von Sunak übernehmen könnte.

Mitglieder der moderaten «One Nation Tories» dagegen, einer weiteren Parteigruppierung, begrüssten Bravermans Entlassung wie auch Camerons Berufung. Manche bezeichneten Camerons Rückkehr gar als «brillant».

Das heisst? Erstens, dieser Montag war ein weiterer denkwürdiger Tag in der an denkwürdigen Tagen wahrlich nicht armen britischen Politik. Und zweitens, es bleibt bis auf weiteres dabei: Dieses Land kommt nicht zur Ruhe.