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Meinung

Analyse zum Attentat in Solingen
Wächst die Angst in Deutschland, wächst die AfD

TOPSHOT - Candles and flowers and the inscription "Why? You are not alone" are pictured on late August 24, 2024 near the area where three people were killed and several injured during a knife attack during a city festival in Solingen on late August 23, 2024. The unidentified knifeman went on a rampage in the western town of Solingen late on August 23, 2024, as thousands had gathered for the first night of a "Festival of Diversity", part of a series of events to mark the town's 650th anniversary. (Photo by INA FASSBENDER / AFP)
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Ein Islamist, der an einem Volksfest wahllos Menschen niedersticht, ist der Albtraum nicht nur aller Sicherheitsbehörden, sondern auch aller Bürgerinnen und Bürger. Was in Solingen passiert ist, ist in Deutschland bisher selten vorgekommen. Mit drei Toten und mehreren Schwerverletzten ist es der folgenreichste islamistische Terroranschlag, seit 2021 ein Somalier in Würzburg ebenfalls drei Menschen mit einem Messer tötete. Im Dezember 2016 brachte ein Tunesier mithilfe eines Lastwagens auf einem Berliner Weihnachtsmarkt gar ein Dutzend Menschen um – es war der erste grosse islamistische Terroranschlag auf deutschem Boden.

In Solingen wurde ein 26-jähriger Syrer unter dringendem Tatverdacht verhaftet, ein Mann, der erst im Dezember 2022 nach Deutschland gekommen war (lesen Sie hier, was über den Täter bekannt ist). Die syrische Terrormiliz Islamischer Staat behauptet, der Mann habe in ihrem Auftrag gemordet, um Rache für Muslime in Palästina und anderswo zu nehmen. Den Sicherheitsbehörden war der junge Mann bislang nicht als Extremist aufgefallen; solche Attentate sind besonders schwer zu verhindern.

Seit dem mörderischen Angriff der palästinensischen Hamas auf Israel im vergangenen Oktober und dem folgenden Krieg Israels in Gaza warnen Geheimdienste vor islamistischem Terror in Europa. Kaum eine Woche ist seither vergangen, ohne dass Anschlagspläne aufgedeckt oder Attentäter verhaftet worden wären – in Frankreich und Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz. Im Mai kam es im deutschen Mannheim bereits zu einem Anschlag, als ein Afghane einen bekannten Islamhasser angriff und dabei einen Polizisten erstach, der diesem zur Hilfe eilte.

Im Grunde hat der radikalislamische Terror Europa seit den 1990er-Jahren nicht mehr losgelassen. Die Gefahr wächst aber in Wellen. Besonders hoch schlagen diese stets, wenn Israel und die Palästinenser Krieg führen oder Terrorgruppen wie al-Qaida oder der Islamische Staat sich sicher fühlen – zuletzt etwa 2015, als Massakerserien Frankreich und Belgien erschütterten. Gut möglich, dass auch jetzt Europa das Schlimmste noch bevorsteht. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser, Polizei und Verfassungsschutz warnen jedenfalls seit Monaten und verfolgen den Kampf gegen den Islamismus mit höchster Priorität.

Die Gewalt durch Migranten hat zugenommen

Aus Sicht vieler Deutscher mischt sich die Sondergefahr des organisierten Islamismus freilich längst mit einer diffuseren Angst, die mit der Einwanderung von muslimischen Menschen zu tun hat: In Deutschland hat zuletzt, die Statistiken belegen es, die Gewalt durch Migranten stark zugenommen, gerade mit Messern. Nach Ansicht des Bundeskriminalamts folgt diese Entwicklung einer Phase, in der mehr Flüchtlinge nach Deutschland kamen, als das Asyl- und Integrationssystem verkraften konnte – wie 2015/16 und zuletzt 2022/23.

Laut Umfragen stört die zunehmende Gewalt durch Migranten das Sicherheitsempfinden vieler Bürgerinnen und Bürger erheblich – und zwar unabhängig von der Tatsache, dass die allermeisten Einwanderer sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Handkehrum schürt diese Sorge Vorurteile gegen alle Einwanderinnen und Einwanderer, insbesondere gegen Musliminnen und Muslime.

Die irreguläre Zuwanderung bleibt hoch

Will die deutsche Regierung diese Dynamik bremsen oder umkehren, muss sie zunächst die Zuwanderung merklich reduzieren. Kanzler Olaf Scholz und seine Ampelkoalition haben das mittlerweile begriffen und arbeiten daran – mit vielen kleinen Massnahmen, von Grenzkontrollen über Bezahlkarten für Flüchtlinge bis hin zu Abschiebeabkommen mit schwierigen Herkunftsländern. Erste Erfolge lassen sich feststellen – aber die irreguläre Zuwanderung bleibt, historisch gesehen, immer noch sehr hoch.

Radikale Anti-Islam- und Anti-Migrations-Parteien wie die Alternative für Deutschland (AfD) haben es da natürlich leichter. Sie versprechen, sie würden die Einwanderung nicht bremsen, sondern «stoppen» und Muslime nicht besser integrieren, sondern als «Kulturfremde» gleich wieder in ihre Heimat abschieben.

Für die AfD ist Zahltag

Darum, dass sich solch radikale Pläne weder nach geltendem Recht noch in der realpolitischen Praxis umsetzen lassen, braucht sich die AfD nicht zu kümmern. Sie – und einige christdemokratische Oppositionspolitiker, die ihnen nacheifern – können gefahrlos so tun, als ob Migration ein Hahn wäre, der sich nach Belieben auf- und zudrehen liesse. Dabei sind Drittstaaten in Afrika oder auf dem Balkan, die für uns in Europa die schmutzige Asylarbeit erledigen, genauso Wunschträume wie unbegrenzt rücknahmewillige Herkunftsstaaten.

Der AfD fliegen derweil die Stimmen all jener zu, die von der komplizierten Migrationswelt «die Schnauze voll» haben und sich radikale Lösungen wünschen. Wenn am kommenden Sonntag in Sachsen und Thüringen neue Regionalparlamente gewählt werden, ist für die Partei Zahltag.