Anschlag in SolingenMutmasslicher Täter kommt in U-Haft
Ein 26-jähriger Syrer hat offenbar die Messerattacke in Solingen verübt. Er ist seit zwei Jahren in Deutschland – auch, weil eine geplante Ausschaffung scheiterte.
Der Tatverdächtige im Fall des Solinger Messerangriffs mit drei Toten kommt in U-Haft. Wie die deutsche Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte, erliess der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof einen entsprechenden Haftbefehl. Der Behörde zufolge ist der 26-Jährige dringend verdächtig, die Tat als ein Mitglied der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) aus islamistischer Gesinnung heraus begangen zu haben.
Der Verdächtige teile die Ideologie des IS und habe sich vor dem Hintergrund seiner radikalislamischen Überzeugungen «zu einem derzeit noch nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt» entschlossen, auf dem Solinger Altstadtfest eine «möglichst grosse Anzahl aus seiner Sicht ungläubiger Menschen zu töten», erklärte die Bundesanwaltschaft weiter. Er habe «mit einem Messer hinterrücks wiederholt und gezielt» auf die Opfer eingestochen.
Er sollte 2023 abgeschoben werden
Beim Mann handelt es sich um den 26-jährigen Syrer Issa al H. Laut «Spiegel»-Informationen kam er Ende Dezember 2022 nach Deutschland und stellte in Bielefeld einen Antrag auf Asyl. Der Tatverdächtige sei den deutschen Behörden nicht als islamistischer Extremist bekannt gewesen.
Er sollte aber eigentlich im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden. Zuvor war laut übereinstimmenden Medienberichten sein Asylantrag abgelehnt worden. Gemäss des sogenannten Dubliner Übereinkommens ist das Land, das zuerst von einem Asylbewerber betreten wird, für das Asylverfahren zuständig.
Es gab offenbar im Juni 2023 bereits einen Termin für seine Abschiebung. Doch der Syrer tauchte unter. Im August lief die Überstellungsfrist ab. Später im Jahr tauchte der Syrer wieder auf, meldete sich bei den Behörden und wurde in einer Flüchtlingsunterkunft in der Solinger Innenstadt untergebracht.
Laut übereinstimmenden Medienberichten gewährte Deutschland, das wegen der verpassten Frist nun für ihn zuständig war, dem Mann Ende 2023 subsidiären Schutz. Er hält sich also momentan nicht illegal im Land auf. Den subsidiären Schutz bekommen Geflüchtete, denen im Herkunftsstaat etwa wegen Bürgerkriegs ernsthafter Schaden droht, deren Asylantrag aber abgelehnt worden ist, weil sie etwa nicht persönlich verfolgt werden. Viele Menschen aus Syrien leben in Deutschland mit diesem Status.
Bundesanwaltschaft prüft IS-Mitgliedschaft
Das Solinger Flüchtlingsheim befindet sich 250 Meter vom Tatort entfernt. Festgenommen wurde der Tatverdächtige aber nicht in der Nähe der Unterkunft. Am Samstagabend kurz nach 23 Uhr hatte er sich der Polizei gestellt und angegeben, für den Anschlag verantwortlich zu sein. Er habe laut einem Insider einen sehr fahrigen Eindruck gemacht und soll blutverschmiert gewesen sein. Der mutmassliche Attentäter hatte sich offenbar die gesamte Zeit von der Tat am Freitagabend bis zum späten Samstag in der Solinger Innenstadt aufgehalten und sich teilweise in einem Hinterhof versteckt. Laut der «Bild» soll der Syrer die Polizei mit einem Fehler auf seine Spur gebracht haben: Er entsorgte zwar seine blutverschmierte Jacke, vergass darin aber Portemonnaie und Papiere.
Die Nacht auf Sonntag über behielten die Ermittler den Mann in Solingen in Polizeigewahrsam, am Sonntag wurde er nach Karlsruhe gebracht.
Bericht: Messerhülle im Zimmer gefunden
Die deutsche Bundesanwaltschaft klärt nun, ob er Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist. Diese hatte die Messerattacke für sich beansprucht. Ein «Soldat» des IS habe den Angriff «auf eine Versammlung von Christen in der Stadt Solingen in Deutschland» am Freitag verübt, teilte das Propaganda-Organ Amaq im Onlinedienst Telegram mit. Der Angreifer habe damit «Rache» für Muslime in den Palästinensergebieten und anderswo auf der Welt geübt.
Herbert Reul, der Landesinnenminister von Nordrhein-Westfalen, sagte dazu, die Mitteilung müsse sorgfältig geprüft werden. Solche Bekenntnisse gebe es immer wieder. «In der Regel sind die auch durchaus richtig, aber es kann natürlich auch eine falsche Meldung sein», sagte der CDU-Politiker. «Aber es spricht etwas dafür.» Laut Reul wurden beim Verdächtigen Beweisstücke für die Tat gefunden. Laut «Focus» stellte die Polizei in seinem Zimmer die Messerhülle der Tatwaffe sicher. Diese hatte er zuvor in einen Mülleimer geworfen.
Aus der Solinger Flüchtlingsunterkunft wurde zudem eine Person, die Kontakt zum Täter gehabt haben soll, auf eine Polizeiwache gebracht, teilte die Düsseldorfer Polizei mit. Es handle sich nach aktuellem Stand um einen möglichen Zeugen. Am frühen Samstagmorgen war ein 15 Jahre alter Jugendlicher festgenommen worden. Als möglicher Vorwurf gegen ihn steht die Nichtanzeige geplanter Straftaten im Raum.
Zeuge: Er rief «Allahu Akbar»
Der Täter hatte am Freitagabend auf einem Jubiläumsfest zum 650. Gründungstag der Stadt Solingen – dem «Festival der Vielfalt» – offenbar willkürlich auf Umstehende eingestochen. Anschliessend entkam er im Tumult und in der anfänglichen Panik. Zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren sowie eine 56 Jahre alte Frau starben. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Sie sind mittlerweile aber ausser Lebensgefahr. Der «Spiegel» zitiert einen Zeugen mit der Aussage, der Angreifer soll «Allahu Akbar» gerufen haben, Gott ist gross.
DPA/nlu
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