Tote bei Messerattacke in SolingenMutmasslicher Täter stellt sich – IS bekennt sich zu Angriff
Die Polizei konnte einen Verdächtigen der Messerattacke in Solingen festnehmen. Der IS hat den Anschlag für sich beansprucht; der Angreifer sei Mitglied gewesen und habe aus «Rache für Muslime in Palästina und anderswo» gehandelt.
Die Polizei hat im Zusammenhang mit dem Messerangriff von Solingen einen Tatverdächtigen festgenommen. Das gab Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul in den ARD-«Tagesthemen» bekannt und sprach von einem «wirklich Verdächtigen», den man den ganzen Tag gesucht habe. Er werde jetzt vernommen. Ein Sprecher des Landesinnenministeriums bestätigte, dass sich der Mann gestellt habe. Darüber hatten zuvor «Spiegel» und «Bild» berichtet.
Mit Blick auf eine Durchsuchung in einer Flüchtlingsunterkunft in Solingen sagte Reul, dies sei ein Teil von weitergehenden Informationen gewesen, die verwertet worden seien. «Aber das war nicht das, was wir gewollt haben. Wir haben den ganzen Tag eine heisse Spur verfolgt, und ich kann Ihnen sagen, dass wir vor wenigen Minuten diese heisse Spur erfolgreich beendet haben, der, den wir den ganzen Tag in Wirklichkeit gesucht haben, der ist seit kurzer Zeit bei uns in Gewahrsam.»
Verhafteter soll Syrer sein
Es sei zu früh, um zu bewerten, ob die Festnahme letztlich ein Erfolg sei. «Ich selber bin im Moment ein Stück zunächst mal erleichtert», sagte Reul. «Ich kann Ihnen nur sagen, es ist jetzt mehr als eine Vermutung. Wir haben nicht nur einen Hinweis auf diese Person gehabt, sondern wir haben auch Beweisstücke gefunden.»
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Nach «Spiegel»-Angaben handelt es sich um einen 26-jährigen Syrer. Er kam nach diesen Angaben Ende Dezember 2022 nach Deutschland und stellte einen Antrag auf Asyl. Den Sicherheitsbehörden war er nach «Spiegel»-Informationen bislang nicht als islamistischer Extremist bekannt. Diese Informationen wurden der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.
Terrormiliz IS bekennt sich zur Tat
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den tödlichen Messerangriff von Solingen für sich beansprucht. Der Angreifer sei IS-Mitglied gewesen und habe aus «Rache für Muslime in Palästina und anderswo» gehandelt, hiess es in einer Mitteilung beim IS-Sprachrohr Amak.
Mutmasslich bezieht sich der IS mit «Palästina» auf den Krieg im Gazastreifen zwischen Israel und der islamistischen Hamas. Weder der IS noch die Terrororganisation al-Qaida haben Bündnisse mit der Hamas. Die Gefahren durch Terrorismus und Radikalisierung in der islamischen Welt sind einigen Beobachtern zufolge durch den monatelangen Krieg in Gaza aber gestiegen. Deutschland ist neben den USA einer der wichtigsten Verbündeten Israels und auch einer der wichtigsten Waffenlieferanten.
Die Opfer
Der Angreifer hat am Freitagabend auf der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet. Acht Menschen wurden schwer verletzt. Bei den Toten handelt es sich der Polizei zufolge um einen 67-jährigen Mann, einen 56-jährigen Mann und eine 56-jährige Frau, die untereinander in keiner Beziehung standen.
Zwei Festnahmen
Nach dem Anschlag meldet die Polizei am Samstag zuerst eine Festnahme: «Im Rahmen der Fahndung konnte eine Person festgenommen werden, bei der geprüft wird, ob es möglicherweise Tatzusammenhänge gibt», teilt die Polizei Düsseldorf mit. Dabei soll es sich um einen 15-jährigen Jugendlichen handeln, den die Polizei aber nicht für den Täter hält. Nach Zeugenaussagen solle eine bisher nicht bekannte Person kurz vor der Tat mit dem Jugendlichen über Absichten gesprochen haben, die zur Tatausführung passen würden, sagte die Polizei. Ob diese Person der Täter sei, wisse man nicht. Derzeit laufen Polizeiaktionen in ganz Nordrhein-Westfalen und im gesamten Bundesgebiet.
Am Samstagabend vermeldete die Polizei eine weitere Festnahme in einer Flüchtlingsunterkunft, die nicht weit vom Anschlagsort in der Innenstadt entfernt ist. An dem Einsatz waren nach Polizeiangaben auch Spezialeinheiten beteiligt.
Feste werden abgesagt
Mehrere Städte in Nordrhein-Westfalen haben ihre Feste abgesagt. Nach Angaben der jeweiligen Stadtverwaltungen vom Samstag fanden ein in Hilden geplantes «Fest der Kulturen» und ein in Haan geplantes Weinfest nicht statt. Auch in Wülfrath in der Nähe von Wuppertal wurde laut der Polizei ein für Sonntag geplanter Anlass abgesagt.
Mit einem Messer zugestochen
Wie die Polizei und der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul mitteilen, habe der Täter mit einem Messer zugestochen – und dabei offensichtlich auf den Hals seiner Opfer gezielt. Dem Täter sei es danach gelungen, im Tumult und in der sich anfangs ausbreitenden Panik nach der Tat zu entkommen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen.
Innenstadt abgesperrt
Die Polizei hatte am Freitagabend Grossalarm ausgelöst. Strassen wurden weiträumig abgesperrt. Beamte standen in der Nacht mit Waffen am Einsatzort und sicherten diesen ab. Es gibt Absperrungen in der ganzen Stadt. Tatort ist der Fronhof – ein Marktplatz in der Innenstadt von Solingen.
Laut «Solinger Tageblatt» hatten die Behörden die Bürger gebeten, die Innenstadt zu verlassen. Das Festival sei vorerst beendet. Tausende Besucher folgten der Aufforderung, den Platz ruhig zu verlassen und nicht in Panik zu verfallen. «Die Menschen sind geschockt, aber friedlich vom Platz», berichtete Philipp Müller, einer der Mitorganisatoren des Festes, dem Bericht zufolge. Der DJ habe auf der Bühne weitergespielt, weil er eine Panik habe verhindern wollen.
Eine Reporterin des «Solinger Tageblatts» schilderte: «Die Stimmung ist gespenstisch.» Binnen weniger Minuten sei die ausgelassene Feierstimmung in Schock umgeschlagen, ihr seien tränenüberströmte Besucherinnen und Besucher entgegengekommen.
Oberbürgermeister: «Wir sind alle in Schock»
Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach reagierte erschüttert. «Heute Abend sind wir alle in Solingen in Schock, Entsetzen und grosser Trauer», schreibt der Politiker auf der Facebook-Seite der Stadt. «Es zerreisst mir das Herz, dass es zu einem Attentat auf unsere Stadt kam. Ich habe Tränen in den Augen, wenn ich an diejenigen denke, die wir verloren haben. Ich bete für alle, die noch um ihr Leben kämpfen.»
Scholz: «Schreckliches Ereignis»
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat den Anschlag als «schreckliches Ereignis» bezeichnet. Er sei «sehr bestürzt», schrieb Scholz am Samstag im Online-Dienst X. «Der Täter muss rasch gefasst und mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden.»
Lindner: «Wir sind nicht machtlos»
Der deutsche Finanzminister Christian Lindner hat «kühle Konsequenz von Polizei und Rechtsstaat» eingefordert. «Wir sind nicht machtlos», schrieb der FDP-Chef am Samstag im Kurznachrichtendienst X. «In die Trauer um die Opfer des Anschlags in Solingen mischen sich schnell Gefühle von Ohnmacht und Wut. Auch bei mir. Aber das dürfen wir nicht zulassen.»
Baerbock: «Perfider Anschlag erschüttert mich zutiefst»
Auch Aussenministerin Annalena Baerbock hat sich tief betroffen geäussert. «Der perfide Anschlag in Solingen auf Menschen, die den 650. Geburtstag ihrer Stadt feierten, erschüttert mich zutiefst», schrieb Baerbock am Samstag auf X. «Meine Gedanken sind bei den Familien und Freunden der Opfer. Und mein Dank gilt den Sicherheitskräften, die unter Hochdruck nach dem Täter fahnden.»
Merz: «Polizei tut nun alles»
CDU-Chef Friedrich Merz schrieb auf X: «Der Anschlag von Solingen trifft uns mitten ins Herz. Diese barbarische Gewalt ist unerträglich.» Und: «Wir müssen zusammenstehen in diesen schweren Stunden für Nordrhein-Westfalen.» Die Polizei tue nun «alles, damit der Täter schnell gefasst wird».
Steinmeier: «Zusammen stehen»
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nach dem Anschlag Konsequenzen für den Angreifer gefordert. «Der Täter muss zur Rechenschaft gezogen werden», erklärte Steinmeier am Samstag. Er rief zudem die Bevölkerung auf: «Stehen wir zusammen – gegen Hass und Gewalt.» Zu dem Anschlag erklärte er weiter: «Die schreckliche Tat von Solingen erschüttert mich, sie erschüttert unser Land.»
Aus Anlass des 650. Geburtstags der Stadt Solingen hatte am Freitag ein «Festival der Vielfalt» begonnen. Es sollte bis Sonntag dauern. Nun wurde bekanntgegeben, dass das Fest komplett beendet sei. Auch die für Samstag und Sonntag geplanten Programmpunkte werden abgesagt, wie die Stadt in der Nacht zum Samstag mitteilte.
Die Polizei schaltete ein Hinweisportal auf, über das Zeugen des Geschehens Handyfotos und Videos hochladen können. Die Stadt Solingen wiederum richtete eine Hotline für Fragen nach Vermissten ein. Bei der Polizei hätten sich Anfragen besorgter Angehöriger gehäuft, hiess es.
DPA/AFP/cpm/oli
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